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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über den Antrag des N in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1993, Zl. 4.320.251/2-III/13/91, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird gemäß § 46 VwGG stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, Zl. 94/19/0804, wurde die am 4. Februar 1994 zur Post gegebene Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1993, Zl. 4.320.251/2-III/13/91, wegen Versäumung der Frist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 12. Juli 1994 zugestellt.
Mit dem vorliegenden, am 20. Juli 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrt der Beschwerdeführer nun die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres mit folgender - für die Erledigung des Antrages wesentlicher - Begründung:
Nach ausführlicher Erörterung des Sachverhaltes mit seinem Mandanten habe der einschreitende Rechtsanwalt am 31. Jänner 1994 eine Beschwerde samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verfaßt, nach Schreiben des Diktates unterfertigt und der für die Erledigung der Post zuständigen Kanzleiangestellten H ausdrücklich mitgeteilt, daß diese Beschwerde noch am selben Tag (31. Jänner 1994) zur Post gegeben werden müsse. Die Kanzleiangestellte H habe die Beschwerde am 31. 1. 1994 nach Beifügung der Stempelmarken und Eintragung in der Kostennote kuvertiert und auf jenen Stoß gelegt, wo sich die rekommandierten Postsendungen befunden hätten. Dabei sei das Kuvert, in dem sich die Beschwerde befunden habe, versehentlich in einen anderen Akt, welcher abgelegt worden sei, gelangt, sodaß die Beschwerde nicht wie vorgesehen noch am 31. Jänner 1994 zur Post gegeben worden sei. Dieses Versehen sei erst am 4. Februar 1994 bemerkt worden, wobei die zuständige Kanzleiangestellte H diese Beschwerde eingeschrieben per 4. Februar 1994 in Eigenverantwortung zur Post gegeben habe. Dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers sei dies erst durch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, Zl. 94/19/0804, zur Kenntnis gebracht worden.
Der Ablauf beim Verfassen einer Beschwerde samt Übergabe an die Kanzleiangestellte und Weitergabe an das Postamt G werde in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers schon seit Jahrzehnten in der beschriebenen Form gehandhabt, die zuständige Kanzleiangestellte sei überaus zuverlässig, ihr sei in den zwölf Jahren ihrer Tätigkeit in der Kanzlei ein derartiges Versehen noch nie unterlaufen.
Das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers wurde durch die eidesstättige Erklärung der H und Vorlage einer Kopie des Kostenverzeichnisses glaubhaft gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. auch hg. Beschluß vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0163, mit den dortigen Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall ist - ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Überläßt nämlich ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Beschwerdeschriftsatzes dessen Postaufgabe einer verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zur Last (vgl. u.a. auch die Beschlüsse vom 24. April 1990, Zl. 90/08/0047 und der bereits zitierte Beschluß vom 29. September 1992, 92/08/0163). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Antragsteller unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, daß ihn an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert hat.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994200446.X00Im RIS seit
20.11.2000