TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/11 94/05/0068

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Veröffentlicht am 11.10.1994
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §1 Abs3;
AWG 1990 §32;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 31. Jänner 1994, Zl. 13/11-2274/21-1994, betreffend eine Kostenvorschreibung gemäß § 32 des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 3. Juni 1991 ist im Materiallager der Beschwerdeführerin ein Brand ausgebrochen, wobei die in den Lagerräumen gelagerten Materialien, wie Latex, Kokos, Roßhaar, kleine Mengen Schaumgummi und ein größerer Posten Matratzen und Federkerne verbrannten. Dieser Vorfall ereignete sich in der Nacht. Der an der Brandstelle anwesende Bezirkshauptmann traf keinen Vertreter der Beschwerdeführerin an Ort und Stelle an. Da eine Auskunft von chemotechnischen Amtssachverständigen ergeben habe, daß eine unverzügliche Verbrennung des Brandschuttes erforderlich sei, weil ein Vergraben an Ort und Stelle wegen Gefährdung von Boden und Gewässern nicht möglich sei, ordnete der Bezirkshauptmann gemäß § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes an, daß das zum Teil noch brennende Material abzutransportieren und bei der Firma H zwischenzulagern und mit Erde abzudecken.

Nach Abschluß der Entsorgungsarbeiten legte die H-Gesellschaft m.b.H. per 8. Juli 1991 gegenüber der Beschwerdeführerin für die Entsorgungsarbeiten Rechnung über S 1,011.557,33, deren Bezahlung diese jedoch mit dem Bemerken ablehnte, daß die Rechnung weitaus überhöht sei. In der Folge übermittelte die H-Gesellschaft m.b.H. die Rechnung an die Bezirkshauptmannschaft zur Vorschreibung der Kosten gemäß § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes. Nach erfolglosen Bemühungen, eine einvernehmliche Lösung zwischen der Rechnungslegerin und der Beschwerdeführerin herbeizuführen, hat die Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 13. September 1991 der Beschwerdeführerin gemäß § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes die Zahlung der von der H-Gesellschaft m.b.H. für die Entsorgung des verbrannten Materials in Rechnung gestellten Kosten, die im Detail der einen Bescheidbestandteil bildenden Rechnung zu entnehmen seien, in der Höhe von S 1,011.557,33 aufgetragen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte vor, nach jenem Zeitpunkt, in dem Gefahr in Verzug nicht mehr vorlag und die Beschwerdeführerin selbst die entsprechende Veranlassung hätte treffen können, sei ein Behandlungsauftrag gemäß § 32 des Abfallwirtschaftgesetzes nicht mehr zulässig gewesen. Überdies wandte sie sich gegen die Preisunangemessenheit, die im Detail ausgeführt wurde. In der Folge hat die belangte Behörde die Rechnungslegerin aufgefordert, Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten zu klären bzw. für die Sachverhaltsprüfung notwendige Unterlagen vorzulegen. Die von der Rechnungslegerin abgegebenen Erklärungen und vorgelegten Belege wurden der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, die in einer eingehenden Stellungnahme darauf hinwies, daß eine Überprüfung der Rechnung trotz Verfahrensergänzung nicht möglich sei. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 11. Mai 1992 wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als an die Stelle des von der Bezirkshauptmannschaft festgelegten Rechnungsbetrages ein solcher von S 942.301,33 zu treten habe.

Mit hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1992, Zl. 92/05/0145, wurde dieser Bescheid auf Grund einer Beschwerde der Beschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses wies der Gerichtshof darauf hin, aus einem Aktenvermerk des Bezirkshauptmannes vom 4. Juni 1991 gehe hervor, daß er der H-Gesellschaft m.b.H. den auf § 32 des Abfallwirtschaftsgesetzes gestützten Auftrag zur unverzüglichen Entfernung noch brennender Stoffe sowie zur Zwischenlagerung und Abdeckung mit Erde erteilt habe. Von diesem Auftrag seien daher nur jene Leistungen erfaßt, die im Zusammenhang mit dem Abtransport und der Zwischenlagerung entstanden seien. Diese seien auch die bei der Überwachung des auf dem Betriebsgelände der H-Gesellschaft m.b.H. gelagerten Materials und dem dabei erforderlichen Einsatz der S-Gesellschaft m.b.H. in der

23. Kalenderwoche des Jahres 1991 (vom 3. bis 9. Juni) entstandenen Kosten. Alle anderen Leistungen, wie die zweite Abfuhr nach der Zwischenlagerung zur endgültigen Entsorgung, die Liegegebühren sowie die Deponiegebühr seien nicht mehr vom Auftrag nach § 32 leg. cit. umfaßt. Die Belastung der Beschwerdeführerin mit den hiefür in Rechnung gestellten Kosten finde daher in der genannten Gesetzesstelle keine Rechtsgrundlage.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 31. Jänner 1994 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erwähnten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 13. September 1991 "teilweise stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Rechnungsaufstellung und der Höhe des auferlegten Kostenersatzes" geändert und ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, "den Rechnungsbetrag von S 308.541,30 an die Bezirkshauptmannschaft ... zu überweisen".

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Wie schon ausgeführt worden ist, hat der Gerichtshof in seinem Vorerkenntnis vom 27. Oktober 1992 die Auffassung vertreten, daß von dem im Gegenstande erteilten Auftrag gemäß § 32 des Abfallwirtschaftsgesetzes nur jene Leistungen erfaßt seien, die im Zusammenhang mit dem Abtransport und der Zwischenlagerung entstanden seien. Dies seien auch die bei der Überwachung des auf dem Betriebsgelände der H-Gesellschaft m. b.H. gelagerten Material und dem dabei erforderlichen Einsatz der S-Gesellschaft m.b.H. in der 23. Kalenderwoche des Jahres 1991 entstandenen Kosten. Alle anderen Leistungen seien nicht mehr von dem in Rede stehenden Auftrag umfaßt, weshalb die Belastung der Beschwerdeführerin mit den hiefür in Rechnung gestellten Kosten im § 32 leg. cit. keine Rechtsgrundlage finde. Da der dem hg. Vorerkenntnis zugrunde gelegene Bescheid keine Gliederung des der Beschwerdeführerin auferlegten Kostenersatzes enthielt, wurde er zur Gänze aufgehoben.

Abschließend bemerkte der Gerichtshof in diesem Erkenntnis noch, die Beschwerdeführerin habe zu Recht vorgebracht, daß die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, um den tatsächlichen Arbeits-, Zeit- und Lageraufwand zu ermitteln.

Der im fortgesetzten Verfahren ergangene, nunmehr angefochtene Bescheid enthält zwar eine Aufgliederung entsprechend den Positionen der Rechnung der H-Gesellschaft m. b.H. vom 8. Juli 1991, aber - mit Ausnahme jener Beträge, welche für die Hallenmiete vom 4. bis 26. Juni 1991 sowie den Einsatz eines Lkws und Kranes im Zusammenhang mit dem Abtransport eines Eisenhochregals angesetzt worden sind - keine Ausführungen darüber, welcher zeitliche Aufwand diesen Rechnungspositionen zugrunde gelegt worden ist (dies kann nur der Rechnung selbst entnommen werden), sodaß auch nicht zu erkennen ist, ob den ausgewiesenen Beträgen für die jeweiligen Leistungen ein den Tatsachen entsprechender zeitlicher Aufwand zugrundeliegt. Damit hat die belangte Behörde dem

hg. Vorerkenntnis in dieser Hinsicht nicht Rechnung getragen, was aber zur Folge hat, daß der Gerichtshof auch nicht nachprüfen kann, ob die einzelnen Beträge der erwähnten Rechnung vom 8. Juli 1991 unter dem Gesichtspunkt des den jeweiligen Leistungen zugrunde gelegten zeitlichen Ausmaßes gerechtfertigt sind. Abgesehen davon hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit der Angemessenheit der in der erwähnten Rechnung ausgewiesenen (wie erwähnt, bis auf zwei Ausnahmen nicht im Bescheid wiedergegebenen) Stundensätze auseinandergesetzt, weshalb auch in dieser Beziehung nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde im Falle einer entsprechenden Begründung zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid im wesentlichen nur deshalb einen niedrigeren Betrag zur Zahlung vorgeschrieben, weil sie in Befolgung des hg. Vorerkenntnisses entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides nunmehr davon ausgegangen ist, "daß die Rechtsgrundlage für den Ersatz von Kosten für abfallrechtliche Maßnahmen nach dem Großbrand nicht allein im § 32 Abs. 1 AWG gefunden werden kann, da sich diese Maßnahmen nicht im Zusammenhang mit Sofortmaßnahmen wegen Gefahr in Verzug zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG bringen lassen. Die angefochtene Entscheidung war daher auf die Vorschreibung nur jener Kosten zu beschränken, deren Ersatz auf der Grundlage des § 32 Abs. 1 AWG der Verpflichteten aus dem Titel der Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG aufzutragen ist." Die Beschwerdeführerin hat daher mit Recht gerügt, daß die Angemessenheit, und zwar insbesondere die Preisangemessenheit, der verrechneten Leistungen - mit Ausnahme der Position für die "Hallenmiete" - unerörtert geblieben sei.

Im Zusammenhang mit der Vorschreibung der erwähnten "Hallenmiete" wurde schon im hg. Vorerkenntnis bemängelt, daß die belangte Behörde nicht ermittelt habe, wie groß die beanspruchte Lagerfläche, welcher Quadratmeterpreis pro Tag hiefür angemessen und wie lange die Zwischenlagerung notwendig gewesen sei. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde zwar die Größe der Lagerfläche mit 1000 m2 angegeben und die Notwendigkeit einer Lagerung in der Dauer von 20 Tagen damit begründet, daß sich die Materialien immer wieder entzündet haben und wegen der damit verbundenen Brandgefahr der Transport der Abfälle zur Deponie erst nach gänzlichem Wegfall der Entzündungsgefahr möglich gewesen sei. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde weder das Erfordernis einer derart großen Lagerfläche begründet, noch ein Argument dafür geliefert hat, warum die "Entzündungsgefahr" des gelagerten Materials erst nach 20 () Tagen weggefallen sein soll, hat sie aber auch die Angemessenheit der Miete nicht erörtert, sodaß der Gerichtshof auch nicht überprüfen kann, ob in vergleichbaren Fällen ebenfalls Mieten in dieser Größenordnung verrechnet werden.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid an einem im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen Begründungsmangel leidet, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994050068.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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