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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der N-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (jetzt: Wirtschaftskammer Österreich), im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R in W, vom 19. April 1993, Zl. 142-169/92/Wa/SO, betreffend Grundumlage 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Wirtschaftskammer Österreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 20. Juli 1992 wurde über Antrag der Beschwerdeführerin festgestellt, daß für das Jahr 1992 die Grundumlagenforderung in der Gesamthöhe von S 198.900,-- zu Recht bestehe. Dazu wurde im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der weiteren Betriebsstätten und Standorte auf beigelegte 70 Computerausdrucke und hinsichtlich der Höhe auf einzelne Festsetzungsbeschlüsse bestimmter Kammergremien verwiesen.
Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung wurde zunächst mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1993 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 93/09/0079.
In weiterer Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid vom 19. April 1993, mit dem der zuletzt genannte Bescheid vom 29. Jänner 1993 gemäß § 68 Abs. 2 AVG wie folgt abgeändet wurde (was zur Einstellung des Verfahrens zur Zl. 93/09/0079 führte):
"Die Berufung vom 4.8.1992, K/g/f: bm 106, der Berufungswerberin wird abgewiesen und der Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 20.7.1992, Abt I 5922/92/Mag.E/Md, mit der Ergänzung bestätigt, daß er sich hinsichtlich der festgestellten Zahlungsverpflichtung auch auf den gemäß § 57a Abs. 4 HKG gefaßten Beschluß vom 29.11.1990 der Vollversammlung der Kammer Wien, verlautbart im Mitteilungsblatt "Wr. Wirtschaft" vom 14.12.1990, Nr. 50, S. 18 stützt.
Der Antrag auf Feststellung, ob es sich bei den im Anhang zum erstinstanzlichen Bescheid angeführten "Berechtigungen" um selbständige Berechtigungen oder um weitere Betriebsstätten im Sinn der Gewerbeordnung handelt, wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Feststellung, welche "Berechtigungen" bei Feststellung von Art und Ausmaß der Umlagepflicht zugrunde gelegt werden, wird abgewiesen.
Die Anlage dieses Bescheides wird zu einem integrierenden Bestandteil dieses Spruches erklärt."
Zur Begründung wurde - soweit dem für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Bedeutung zukommt - ausgeführt, hinsichtlich der bestrittenen Höhe der bescheidmäßig festgestellten Grundumlage sei anzumerken, daß es sich im gegenständlichen Verfahren "um 70 Berechtigungen (siehe Anhang des erstinstanzlichen Bescheides) handelt, die zwecks Verfahrenskonzentration gemeinsam behandelt wurden".
Die Abänderung sei - so die belangte Behörde zu dieser Frage in der Begründung des angefochtenen Bescheides - gemäß § 68 Abs. 2 AVG rechtlich zulässig und deshalb erforderlich, weil u.a. auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0212, ausgehend von der Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG geschlossen worden sei, daß sämtliche für Art und Ausmaß der Umlagepflicht maßgebenden Umstände in den normativen Spruchinhalt eines Feststellungsbescheides nach § 57g Abs. 1 HKG aufzunehmen seien, was sich insbesondere für die danach maßgebenden Berechtigungen und die sich hieraus ergebende Zugehörigkeit zu bestimmten Gremien ergebe. Dementsprechend sei die Ergänzung des erstinstanzlichen Spruches hinsichtlich der der Zahlungsverpflichtung zugrundeliegenden Gewerbeberechtigungen sowie der angewendeten Rechtsgrundlagen gemäß § 59 Abs. 1 AVG, wonach der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen habe, erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 VwGG erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als
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der Bescheid vom 29. Jänner 1993 mit dem angefochtenen Bescheid abgeändert wird, obwohl die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 AVG nicht erfüllt sind;
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kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Parteiengehör der beschwerdeführenden Partei verletzt wurde;
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weder der erstinstanzliche Bescheid noch der angefochtene Bescheid dem Erfordernis des § 59 Abs. 1 AVG entspricht, wonach der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen hat;
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ohne gesetzliche Grundlage und ohne Grundlage in den Grundumlagenbeschlüssen für jede Betriebsstätte eine Grundumlagepflicht festgestellt wird;
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für die Gewerbeberechtigung gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973 eine Grundumlage entsprechend den Beschlüssen jener Fachgruppen, denen die Beschwerdeführerin "fachlich zugeordnet" wurde, festgestellt wird, dabei jedoch eine Zugehörigkeit zu Fachgruppen angenommen wird, ohne daß die belangte Behörde diesbezüglich irgendein Ermittlungsverfahren durchgeführt, die beschwerdeführende Partei gehört und die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen im Spruch des Bescheides getroffen hätte;
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die von den Fachgruppen beschlossenen Grundumlagen in gesetzwidriger Weise nach der Rechtsform vervielfacht werden und
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entgegen der Höchstgrenze des § 57 a Abs. 6 HKG die Verpflichtung zur Bezahlung einer S 90.000,-- übersteigenden Grundumlage festgestellt wird.
Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, von Amts wegen sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, also auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Das bedeutet - wie die Rechtsprechung dargelegt hat -, daß ein Bescheid, aus dem niemandem ein Recht erwachsen ist, lediglich insoweit abgeändert werden darf, als damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist. Wird durch die Abänderung eines Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG der frühere, in Rechtskraft erwachsene Bescheid konkretisiert, ist davon auszugehen, daß die Rechtsstellung der Partei für sie auf eine nach § 68 Abs. 2 AVG unzulässige Weise ungünstiger gestaltet wurde (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1979, Slg. 9.769/A).
Vorliegendenfalls beabsichtigte die belangte Behörde mit der Ergänzung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides bzw. der Abänderung ihres rechtskräftigen Bescheides in der Weise, daß die "Anlage dieses Bescheides" zu einem integrierenden Bestandteil des Spruches erklärt wird, eine Konkretisierung des bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheides vom 29. Jänner 1993.
Die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Abänderungsbescheid angestrebte Verbesserung ihrer Rechtsstellung durch Konkretisierung des zugrundeliegenden Feststellungsbescheides ist der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid tatsächlich aber nicht gelungen. Dies insbesondere deshalb, weil - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - auch der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht dem Erfordernis des § 59 Abs. 1 AVG entspricht; enthält doch der Spruch nicht sämtliche für die Art und das Ausmaß der Umlagepflicht maßgebenden Umstände, sondern erklärt lediglich eine Anlage zum integrierenden Bestandteil des Spruches. In gleicher Weise wie im Beschwerdefall, der am 15. September 1994, Zl. 93/09/0132, entschieden worden ist (- Hinweis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG -), mangelt es auch vorliegendenfalls sowohl an einer Notwendigkeit für eine solche Anlage als auch an einer entsprechenden sprachlichen oder technischen Verbindung mit dem Spruch bzw. dem angefochtenen Bescheid.
Da es sich bei dem aufgezeigten Mangel des Spruches nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine inhaltliche Rechtswidrigkeit handelt, kommt dem von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgebrachten Aspekt der Verfahrensrelevanz von vornherein keine entscheidende Bedeutung zu.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargestellten Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß sich das Erfordernis der Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens ergab.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der BefugnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090264.X00Im RIS seit
20.11.2000