TE Vfgh Erkenntnis 1992/6/11 WI-5/91

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Veröffentlicht am 11.06.1992
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Oö GdWO 1991 §37
Oö GdWO 1991 §38 Abs2
Oö GdWO 1991 §40 Abs1 Z3
Oö GdWO 1991 §43 Abs5

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; richtige Bewertung strittiger Stimmzettel als ungültig; keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wegen Neubeurteilung der Stimmzettel

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 6. Oktober 1991 fanden die von der oberösterreichischen Landesregierung am 11. Juli 1991 ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Bundeslandes Oberösterreich, darunter die Gemeinde Katsdorf (politischer Bezirk Perg), statt (LGBl. Nr. 82/1991).

1.1.2. Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §23 Oberösterreichische Gemeindewahlordnung 1991 (GWO 1991), Kdm. WV LGBl. 94/1991, abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:

Liste 1: Österreichische Volkspartei (ÖVP),

Liste 2: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ),

Liste 3: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ).

1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Katsdorf vom 8. Oktober 1991 entfielen von den insgesamt 1.419 abgegebenen gültigen Stimmen - 45 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf

ÖVP 579 Stimmen (10 Mandate),

SPÖ 737 Stimmen (14 Mandate),

FPÖ 103 Stimmen ( 1 Mandat).

1.2.1. Mit ihrer am 23. Oktober 1991 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die ÖVP die teilweise Nichtigerklärung des Wahlverfahrens.

Begründend wurde - kurz zusammengefaßt - vorgebracht, die Gemeindewahlbehörde habe, nachdem sie zuvor als Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 1 den "einstimmigen Beschluß gefaßt" hatte, je einen näher bezeichneten Stimmzettel der SPÖ und der Anfechtungswerberin als gültig "zuzuordnen", nach Einlangen der Wahlergebnisse der übrigen Wahlsprengel die beiden strittigen Stimmzettel gesetzwidrig "neubewertet" und diesmal als ungültig befunden, anstatt sie - wie zuvor - als gültig ausgefüllt (einen für die Anfechtungswerberin, einen für die SPÖ) anzuerkennen. Dadurch sei das Wahlergebnis beeinflußt worden.

1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Katsdorf legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat.

1.3.1. Der mit "Gültige Ausfüllung" überschriebene §38 GWO 1991 lautet:

"(1) Zur Stimmabgabe darf nur der vom Wahlleiter gleichzeitig mit dem Wahlkuvert dem Wähler übergebene amtliche Stimmzettel verwendet werden.

(2) Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift und dgl. anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zum Beispiel durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist."

1.3.2. §40 GWO 1991 - übertitelt mit "Ungültige Stimmzettel" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn

1.

ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde oder

2.

der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder

3.

keine Parteiliste und auch kein Bewerber angezeichnet wurden, oder

4.

zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet wurden, oder

5.

der Wähler ausschließlich Bewerbern verschiedener Parteilisten Vorzugsstimmen gibt, oder

6.

aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.

(2) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene wahlwerbende Parteien bzw. auf Bewerber verschiedener Parteien lauten, so zählen sie, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt, als ein ungültiger Stimmzettel.

(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei oder zur Vergabe von Vorzugsstimmen angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.

Nun sieht zwar §48 Abs1 GWO 1991 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Soweit es aber - wie hier - um Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens geht, die - wie auch die Frage der Gültigkeit einzelner Stimmzettel (VfSlg. 7391/1974 ua.) - nicht die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, ist die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt.

2.1.3. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89), d.i. bei Gemeinderatswahlen nach der GWO 1991 die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses "einschließlich der Namen der gewählten Mitglieder des Gemeinderates und der Ersatzmitglieder" in ortsüblicher Weise.

Diese Verlautbarung fand hier am 8. Oktober 1991 statt.

Die am 23. Oktober 1991 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.2.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Die streitverfangenen zwei Stimmzettel wurden im Wahlsprengel 1 abgegeben. Keiner von ihnen ist in den links von den Parteibezeichnungen vorgedruckten Kreisen angezeichnet. Ein Stimmzettel weist in der Rubrik "Vorzugsstimmen" rechts neben der Parteibezeichnung SPÖ ein (liegendes) Kreuz auf, das in alle (drei) für die Eintragung von Bewerbern vorgesehenen Zeilenbänder reicht. Der andere Stimmzettel trägt ein zwei Zeilenbänder erfassendes (liegendes) Kreuz in der "Vorzugsstimmen"-Rubrik neben der Parteibezeichnung ÖVP.

2.2.2. §38 Abs2 GWO 1991 legt zunächst in Satz 1 fest, daß ein Stimmzettel gültig ausgefüllt ist, "wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte", und nennt anschließend in Satz 2 bestimmte - hier nicht in Betracht kommende - Fallkonstellationen, bei denen diese Voraussetzung jedenfalls zutrifft. Ein Stimmzettel ist aber - nach dem 3. Satz des §38 Abs2 GWO 1991 - auch dann gültig ausgefüllt, wenn "der Wille des Wählers auf andere Weise . . . eindeutig zu erkennen ist", so zum Beispiel "durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste".

Ein Wähler, der nun auf der für die Vergabe von Vorzugsstimmen vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels nur ein liegendes Kreuz anbringt, bezeichnet damit keinen (bestimmten) "Bewerber". Eine Auslegung aber, daß die bloße Ankreuzung des Stimmzettels in der Rubrik "Vorzugsstimmen" den Willen, jene Partei zu wählen, der diese Stimmzettelrubrik entspricht, auf eine der "Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste" adäquate "andere Weise" (als in Satz 2 des §38 Abs2 GWO 1991 beschrieben) eindeutig erkennen lasse (§38 Abs2 Satz 3 GWO 1991), scheitert an §40 Abs1 Z3 iVm §37 Abs2 und Abs3 Z1 GWO 1991. Denn nach diesen Vorschriften ist ein solcher Stimmzettel allein schon deshalb ungültig, weil (zwar Vorzugsstimmenrubriken, aber) "keine Parteiliste und auch kein Bewerber angezeichnet wurden" (vgl. VfGH 5.3.1992 WI-10/91, 10.3.1992 WI-11,12/91).

2.2.3. Der Gemeindewahlbehörde ist darum beizupflichten, wenn sie sinngemäß darlegt, daß derartige - nur mehr oder minder wahrscheinliche Mutmaßungen rechtfertigende - Anzeichnungen den Wählerwillen nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck bringen, weshalb die Wertung der in Rede stehenden (zwei) Stimmzettel als ungültig dem Gesetz entsprach.

2.3. Die Behauptung der Anfechterin, "es handle sich bei der Neubeurteilung der beiden Stimmzettel um eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens" (s. Punkt 1.2.1.), kann schon deshalb auf sich beruhen, weil nach ihrem eigenen Vorbringen (: "Vom Wahlleiter wurde es jedoch verabsäumt, das bereits eingetragene Ergebnis beurkunden zu lassen. . . Die Unterschriftenleistung erfolgte erst bei der Beendigung des Wahlverfahrens") zum Zeitpunkt der gesonderten Abstimmung über die Gültigkeit auch der strittigen Stimmzettel die Wahlhandlung der Sprengelwahlbehörde noch gar nicht beendet war (§43 Abs5 GWO 1991). Von einer dem §43 Abs5 GWO 1991 widersprechenden "Neubeurteilung" dieser Stimmzettel kann daher keine Rede sein.

Auch finden sich in den Wahlakten keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß Mitglieder der Gemeinde(Sprengel-)wahlbehörde das durchgeführte Ermittlungsverfahren in irgendeiner Weise beanstandet hätten. Von der Möglichkeit der §§43 Abs4 und 47 Abs3 GWO 1991, die Niederschriften über den Wahlvorgang und das Wahlergebnis unter Anführung des Grundes nicht zu unterfertigen, wurde ebenfalls nicht Gebrauch gemacht.

2.4. Aus den dargelegten Gründen war der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:WI5.1991

Dokumentnummer

JFT_10079389_91W00I05_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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