TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/13 94/19/1126

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Veröffentlicht am 13.10.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1994, Zl. 4.326.709/2-III/13/52, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1994, wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. November 1991 der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen Ghanas, der am 11. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am 12. November 1991 einen Asylantrag gestellt hatte - gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 15. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich aus, nach denen er sich nach seiner Flucht aus seinem Heimatstaat in der Zeit vom 28. September 1991 bis 4. Oktober 1991 in Togo und vom 25. Oktober 1991 bis 26. Oktober 1991 in Rumänien aufgehalten habe, bevor er in das Bundesgebiet weitergereist sei; in rechtlicher Hinsicht befaßte sich die belangte Behörde mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle. Der Beschwerdeführer sei in Togo und in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen.

Der Beschwerdeführer wendet sich nunmehr gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in Rumänien bzw. in Togo vor Verfolgung sicher gewesen sei. Verfolgungssicherheit liege nur dann vor, wenn nicht allein "formaliter" die Stellung eines Asylantrages möglich sei, sondern erst dann, wenn einem Asylwerber aufgrund der konkret gegebenen politischen Situation Verfolgungssicherheit faktisch zukomme. Sowohl in Togo wie auch in Rumänien habe der Beschwerdeführer eine Abschiebung nach Ghana zu befürchten gehabt. In beiden Staaten würde aufgrund der bestehenden Machtstrukturen mit politisch anders denkenden Menschen alles andere als rechtsstaatlich verfahren werden. Der Beschwerdeführer sei bei seiner Einvernahme am 15. November 1991 nicht zur Frage eines Rückschiebungsschutzes in den genannten Staaten vernommen worden. Bei einem offiziellen Kontakt mit den Behörden des Drittlandes habe er die sofortige Abschiebung nach Ghana gefürchtet und auch objektiv fürchten müssen. Eine Prüfung des diesbezüglichen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sei durch die belangte Behörde nicht erfolgt.

Würden die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer, bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt seines Aufenthaltes in diesen Ländern, bereits in Rumänien oder Togo vor Verfolgung sicher gewesen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1994, Zl. 94/20/0064). Der Beschwerdeführer hat zwar konkrete Behauptungen zur Bestreitung der von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0122, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Juli 1994). Damit aber hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da ein Anspruch auf Vergütung von Stempelgebühren nur im gesetzlich vorgesehenem Ausmaß zusteht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994191126.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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