TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/13 94/19/0916

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Veröffentlicht am 13.10.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1993, Zl. 4.331.993/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. März 1992 der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Bangladesch, der am 13. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und am 14. Februar 1992 einen Asylantrag gestellt hatte - gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 24. Februar 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich aus, nach denen er sich - aus seinem Heimatland kommend - zehn Tage in Rumänien aufgehalten habe, bevor er in das Bundesgebiet weitergereist sei; in rechtlicher Hinsicht befaßte sich die belangte Behörde mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle.

Der Beschwerdeführer wendet sich nunmehr gegen die Annahme der belangten Behörde, daß Rumänien, das der Genfer Flüchtlingskonvention mit Erklärung vom 7. August 1991 nach Variante b des Art. I Abschnitt B beigetreten ist, seinen sich aus diesen ergebenden Verpflichtungen im Zeitpunkt seines dortigen Aufenthaltes nachgekommen sei. Die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, daß bis zum Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet in Rumänien im Zusammenhang mit der Neuordnung der Machtverhältnisse gravierende politische Unruhen bestanden hätten und von einer Rechtsstaatlichkeit noch keine Rede habe sein können; der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes in Rumänien nicht sicher gehen können, dort keiner Verfolgung ausgesetzt zu sein, ebensowenig wie auszuschließen gewesen sei, daß er ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in seine Heimat abgeschoben worden wäre. Eine Prüfung des diesbezüglich entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sei durch die belangte Behörde nicht erfolgt.

Würden die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer, bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt seines Aufenthaltes in diesem Land, bereits in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1994, Zl. 94/20/0064). Der Beschwerdeführer hat zwar konkrete Behauptungen zur Bestreitung der von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses

- konkretisierte bzw. ergänzte - Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0122, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Juli 1994). Damit aber hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf dei §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190916.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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