TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/18 93/04/0056

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Veröffentlicht am 18.10.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/04/0088 94/04/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissionär MMag. Dr. Balthasar,

1. über die Beschwerde der R in T, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. P in X, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. März 1993, Zl. 14/223-1/1992, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Übertretung der GewO 1973), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. in der Beschwerdesache der unter 1. genannten Beschwerdeführerin gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21. Jänner 1992, Zl. 3-15.823/92-E, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung und vom 23. Oktober 1992, Zl. 3-15.823/92-E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Übertretung der GewO 1973), den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. März 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23. Oktober 1992 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bezüglich des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27. Mai 1992 (betreffend Übertretung der GewO 1973) als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, das Straferkenntnis vom 27. Mai 1992 sei der Beschwerdeführerin sowohl zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters, Rechtsanwalt Dr. B, und zwar am 11. Juni 1992, als auch "aus Vorsichtsgründen" zu Handen ihres weiteren Vertreters, G am 15. Juni 1992 zugestellt worden. Mangels einer Mitteilung an die Behörde, daß Dr. B nicht mehr bevollmächtigt sei, die Beschwerdeführerin zu vertreten, sei die Zustellung an diesen rechtswirksam erfolgt. Auch die Zustellung an G sei rechtswirksam erfolgt. Die Erstbehörde habe "daher" zutreffend ausgeführt, daß ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorgelegen sei und zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. März 1993 die zur hg. Zl. 93/04/0056 protokollierte Beschwerde.

II

In dem selben Schriftsatz vom 22. März 1993 erhob die Beschwerdeführerin weiters Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21. Jänner 1992, betreffend Übertretung der GewO 1973 (protokolliert zur hg. Zl. 94/04/0089) sowie gegen den - unter I bereits erwähnten - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23. Oktober 1992, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (protokolliert zur hg. Zl. 94/04/0088). Wörtlich heißt es in diesem - von der damals noch unvertretenen

Beschwerdeführerin eingebrachten - Schriftsatz:

"Ich lege gegen das Berufungserkenntnis, welches mit

Bescheid vom 1.3.1993 mit der Zahl: 14/223-1/1992 ergangen ist, sowie gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21. Jänner 1992, Zl. 3-15.823/92-E und den Bescheid vom 23. Oktober 1992 mit der Zl. 3-15.823/92-E der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck aus folgenden Gründen Beschwerde ein. ... Ich habe aus den oben angeführten Gründen einen gewaltigen Rechtsnachteil und Verteidigungsnotstand gehabt und ersuche sie daher meiner Beschwerde stattzugeben, das Berufungserkenntnis aufzuheben und die Wiedereinsetzung in den Anfangsstand zu veranlassen."

Unzutreffenderweise führte der, der Beschwerdeführerin mit hg. Beschluß vom 16. Juni 1993, Zl. 93/04/0056, für die Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. März 1993, Zl. 14/223-1/1992, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Übertretung der GewO 1973), beigegebene Verfahrenshelfer daher in dem, über hg. Auftrag erstatteten ergänzenden Schriftsatz vom 27. Juli 1993 aus, die Beschwerdeführerin habe "mit der Beschwerde vom 22. März 1993" u. a. gegen "das Berufungserkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Oktober 1992, Zl. 14/171-2/1992" Beschwerde erhoben und es werde die Beschwerde über ausdrücklichen Wunsch der die Verfahrenshilfe genießenden Partei in diesem Umfange aufrecht erhalten. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Oktober 1992, Zl. 14/171-2/1992, weder in ihrem Schriftsatz vom 22. März 1993 noch in einem, diesen ergänzenden Schriftsatz Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

III

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

1. Zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid im "Recht auf ordnungsgemäße Zustellung des Straferkenntnisses vom 27. Mai 1992, insbesondere in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung gemäß dem § 21 und 17 Zustellgesetz" sowie im Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, es habe sich aus dem Akt "eindeutig ein Vollmachtswechsel" ergeben, sodaß die Zustellung an Rechtsanwalt Dr. B "rechtsgrundlos" erfolgt sei. Darüber hinaus habe Dr. B das Straferkenntnis der Beschwerdeführerin - laut deren Angaben - erst mit Schreiben vom 8. Juli 1992 zur Verfügung gestellt. Die Zustellung an Herrn G sei "unrichtig", da nicht an jener Adresse erfolgt, die dieser der Behörde angegeben habe, sondern durch Hinterlegung am Postamt T. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei am 13. Juli 1992, sohin fristgerecht erfolgt und er sei auch begründet. Die Weiterleitung des Straferkenntnisses von Dr. B an die Beschwerdeführerin sei nämlich erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt, was von der Beschwerdeführerin auch durch Vorlage eines entsprechenden Beweisstücks (ein Schreiben an Dr. B) "untermauert" worden sei. Es liege daher "ein geradezu klassischer Fall" eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 71 AVG vor, zumal die Beschwerdeführerin durch die nichtordnungsgemäße Zustellung an Herrn G (falsche Adresse) und die verspätete Weiterleitung des Straferkenntnisses durch Dr. B eben nicht in der Lage gewesen sei, fristgerecht Berufung zu erheben.

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als nicht berechtigt:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig ist.

Die Beschwerdeführerin hat - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit das Parteiengehör betreffenden Mängeln im Verfahren der Erstbehörde sowie damit begründet, daß "das Straferkenntnis Herrn B und nicht Herrn G oder mir zugestellt worden" sei und "Herr B dieses Straferkenntnis erst am 8. Juli 1992 an mich weiter geleitet hat, sodaß es mir nicht möglich war, in offener Frist zu berufen".

Mit diesem Vorbringen wird - im Gegensatz zu den Ausführungen in der Beschwerde - ein die Wiedereinsetzung rechtfertigender Sachverhalt freilich nicht dargetan. Zunächst setzt nämlich die Versäumung der Berufungsfrist (und damit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung) voraus, daß diese Frist überhaupt zu laufen begonnen hat. Wäre daher - wie die Beschwerdeführerin behauptet - das Straferkenntnis mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht rechtswirksam erlassen worden, so könnte die Berufungsfrist dagegen noch nicht zu laufen begonnen und demnach auch noch nicht versäumt worden sein und es würde schon aus diesem Grunde an einer Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung fehlen. Geht man jedoch - so wie die belangte Behörde - davon aus, daß die Berufungsfrist zufolge rechtswirksamer Zustellung des Straferkenntnisses zu laufen begonnen hat, so ist es keineswegs einsichtig - und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht näher dargetan - inwieferne allfällige Mängel im erstbehördlichen Verfahren die Einhaltung der Berufungsfrist durch die Beschwerdeführerin hätten hindern können. Ebensowenig stellt schließlich die - nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - verspätete Weiterleitung des Straferkenntnisses durch Dr. B an die Beschwerdeführerin einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar. Denn nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetzes I (1987), 753 f referierte hg. Judikatur) trifft das Verschulden des Vertreters die Partei. Daß jedoch Dr. B durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe, hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.

Es kann daher der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als nicht gegeben erachtete.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2. Zur Beschwerde gegen den zweit- und drittangefochtenen Bescheid:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Vewaltungsbehörde beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, und zwar nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Da sowohl gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21. Jänner 1992, der eine Strafverfügung zum Inhalt hatte, als auch gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23. Oktober 1992, der die unter Punkt 1 behandelte Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in erster Instanz zum Inhalt hatte, ordentliche Rechtsmittel zur Verfügung standen, steht der Erhebung der Beschwerde gegen diese Bescheide an den Verwaltungsgerichtshof die Nichterschöpfung des Instanzenzuges entgegen. Diese Beschwerden waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

IV

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 f VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040056.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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