Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. August 1993, Zl. 4.339.509/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. März 1993 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Asyl vom 9. November 1992 (nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde) gemäß § 4 Asylgesetz 1991 nicht stattgegeben und ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin in Österreich kein Asyl gewährt werde. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. August 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Bereits in der Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, daß sie keinen Antrag nach § 4 Asylgesetz 1991 gestellt habe, sondern einen Asylantrag gemäß § 3 iVm § 1 Asylgesetz 1991. Insoweit sei der Bescheid des Bundesasylamtes mit einem schweren Verfahrensmangel behaftet. Gemäß § 56 AVG habe der Erlassung eines Bescheides die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gemäß §§ 37 und 39 AVG voranzugehen. Sie hätte daher zu ihren Fluchtgründen einvernommen werden müssen. In der Berufung hatte die Beschwerdeführerin ihre Fluchtgründe ins Treffen geführt.
Im angefochtenen Bescheid wird dazu die Auffassung vertreten, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin, einen eigenständigen Asylantrag gestellt zu haben, der Aktenlage widerspreche. Sie habe am 9. November 1992 beim Bundesasylamt vorgesprochen und ihren Ehegatten mit ihrer Vertretung beauftragt. Ihr Ehegatte habe einen Antrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gestellt. Die geltend gemachten Verfahrensmängel lägen daher nicht vor.
In der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, daß sie keinen Asylantrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gestellt habe. Dies sei aktenwidrig. Es sei unzulässig, wenn die Behörde aus dem Umstand, daß sie ihr Ehegatte verteten habe, ableite, sie habe einen Antrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gestellt.
Dieser Rüge kommt Berechtigung zu. Es stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, daß die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen darüber angestellt hat, ob ein Antrag gemäß § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 oder gemäß § 4 Asylgesetz 1991 von der Beschwerdeführerin gestellt wurde. Insbesondere hätte der Ehegatte der Beschwerdeführerin und der den Ehegatten einvernehmende Beamte dazu befragt werden müssen. Aus dem im Akt einliegenden Formular (datiert mit 9. November 1992), das in serbokroatischer Sprache ausgefüllt wurde, ergibt sich nicht, ob ein Antrag gemäß § 3 in Verbindung mit § 1 Asylgesetz 1991 oder ein Antrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gestellt wurde. Der Umstand, daß sich auf dem Formular rechts oben der Stempel "Erstreckungsantrag" befindet, klärt diese Frage nicht. Er gibt nur die Beurteilung des Antrages durch das Verwaltungsorgan wieder. Auf welcher Grundlage diese Beurteilung beruht, ist nicht ersichtlich. Es geht aus diesem Antrag der Ausdehnungswunsch der Beschwerdeführerin im Sinne von § 4 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 Asylgesetz 1991 nicht hervor. Angesichts der zwei möglichen Antragstellungen gemäß dem Asylgesetz 1991 muß für den Fall, daß verschiedene Familienmitglieder Asyl beantragen, durch die Behörde hinreichend geklärt werden, ob der Asylantrag den Wunsch gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. erkennen läßt, in Österreich Asyl zu erhalten, indem der Asylwerber als Flüchtling anerkannt wird, oder mittels Ausdehnung des Asyls des Ehegatten oder eines Elternteiles gemäß § 4 Asylgesetz 1991.
Der angefochtene Bescheid verstößt daher gegen Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010131.X00Im RIS seit
20.11.2000