TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/19 93/01/0797

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Veröffentlicht am 19.10.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0798 93/01/0799

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden

1. des C, 2. der D, und 3. der P, alle in B, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 21. Juni 1993,

Zlen. 4.296.774/4-III/13/90, 4.296.774/3-III/13/90 und 4.297.994/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 21. Juni 1993 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer, rumänischer Staatsangehöriger, die am 10. März 1990 in das Bundesgebiet eingereist sind, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. September 1990 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und vom 2. August 1990 (betreffend die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin) abgewiesen.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde gewährte den Beschwerdeführern nicht nur deshalb kein Asyl, weil sie bereits in Jugoslawien vor ihrer Einreise nach Österreich vor Verfolgung sicher gewesen, sondern auch, weil sie nicht Flüchtlinge im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 seien.

Soweit sich die angefochtenen Bescheide darauf stützen, daß die Beschwerdeführer bereits vor Verfolgung sicher im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gewesen seien, machen die Beschwerdeführer geltend, daß sie an der Grenze aufgefordert worden seien, den Grund ihrer Einreise zu nennen. Es sei ihnen mitgeteilt worden, daß "ihm (ihr) für den Fall, als er (sie) in ein Flüchtlingslager wollte (zum Zeitpunkt 3. März 1990, als der Beschwerdeführer Ädie Beschwerdeführerinö die Grenze passierte, bestand eine 'Flüchtlingswelle' von Rumänien nach Jugoslawien) die Einreise verweigert würde" (die zusätzlichen Klammerausdrücke geben jeweils wieder, wie die angeführten Ausführungen in den Beschwerden der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin lauteten). Die einzige Möglichkeit für die Beschwerdeführer, daß ihnen die Einreise gestattet worden sei, nämlich ein Touristenvisum, hätten sie daher in Anspruch genommen. Es sei ihnen daher die faktische Möglichkeit entzogen gewesen, in Jugoslawien Asyl zu erhalten.

Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung der angefochtenen Bescheide - anzunehmen sei, daß die Beschwerdeführer nicht hätten befürchten müssen, "ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein (ihr) Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden" und daß "die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz vor Verfolgung" bestanden hätten und auch "tatsächlich die Möglichkeit bestanden" habe, diesen Schutz "durch oder bei Kontaktnahme mit der Behörde zu aktualisieren", war es doch den Beschwerdeführern bei Ablehnung der von ihnen gewünschten Einreise und Aufnahme in ein Flüchtlingslager nicht zusinnbar, während ihres Aufenthaltes in Slowenien aufgrund des Touristenvisums einen Asylantrag zu stellen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0522). Die Anwendung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn der Asylwerber bei Einreise in das Drittland gleichsam auf die Behandlung als Flüchtling verzichten mußte.

Die Beschwerdeführer haben zwar diese Behauptungen erstmals in den Beschwerden aufgestellt, doch wurde ihnen im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit haben die Beschwerdeführer aber, soweit die Behörde die Bescheide auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 stützte, die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0004).

Es ist daher weiters zu prüfen, ob die belangte Behörde die Abweisung der Asylanträge jeweils zutreffend darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführer nicht als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu qualifizieren seien.

In dieser Hinsicht gleichen die vorliegenden Beschwerdefälle in den für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94) jenem, der dem

hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist.

Aus den dort dargelegten Erwägungen stellen sich die angefochtenen Bescheide in bezug auf die Anwendung des § 1 Z. 1 in Verbindung mit § 3 Asylgesetz 1991 als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG dar. Die angefochtenen Bescheide waren daher aus diesem Grund aufzuheben, da die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit einer solchen wegen Verletzung von Verfahrensmängeln vorgeht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1983, Zl. 83/10/0038 u.a.).

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere Art. III Abs. 2. Ein Anspruch auf Ersatz von Stempelgebühren für die dritte und vierte Ausfertigung der Beschwerde besteht, da diese nicht erforderlich waren, nicht. Das diesbezügliche Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers war daher abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010797.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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