TE Vfgh Beschluss 1992/6/15 G208/91

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Veröffentlicht am 15.06.1992
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EStG 1988 §16 Abs1 Z4 lita
ASVG §123 Abs9 lita

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG betreffend den Ausschluß bestimmter Angehöriger (Rechtsanwälte) von Leistungen aus der Krankenversicherung mangels Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bzw auf Aufhebung einer Bestimmung des EStG 1988 betreffend die Abzugsfähigkeit von Sozialversicherungsbeiträgen als Werbungskosten wegen Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der Antragsteller bringt vor, er sei Rechtsanwalt und seine Ehegattin beziehe als ehemalige Angestellte eine Pension, weshalb sie nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz krankenversichert sei. §123 Abs9 lita ASVG schränke die Anspruchsberechtigung für Angehörige auf Leistungen der Krankenversicherung jedoch derart ein, daß als Angehöriger nicht gelte, wer in §2 Abs1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (FSVG) angeführt ist. Dieses Gesetz wiederum sehe zwar die Einbeziehung von Rechtsanwälten (Angehörigen der Rechtsanwaltskammer) in die Pflichtversicherung zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vor, doch sei dafür noch eine Verordnung des zuständigen Bundesministers erforderlich, die bisher nicht erlassen worden sei (sodaß Rechtsanwälte keinerlei Krankenversicherungsschutz genössen).

§123 Abs1 lita ASVG greife unmittelbar in die Rechte des Antragstellers ein und sei ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam geworden.

Der Ausschluß der Rechtsanwälte von der Anspruchsberechtigung für Angehörige verstoße aber gegen den Gleichheitssatz:

"Damit werden unter anderen die Rechtsanwälte von der Mitversicherung als Angehörige (Ehegatten) ausgeschlossen, obwohl für sie gemäß FSVG mangels entsprechender Verordnung gar keine anderwärtige Pflichtversicherung besteht. Sie müssen damit ohne Versicherungsschutz bleiben oder freiwillig eine Selbstversicherung gemäß ASVG abschließen. Dies hat den Nachteil, daß die Beiträge gemäß §16 Absatz 1 Zif. 4 a Einkommensteuergesetz 1988 nicht als Werbungskosten von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage abgezogen werden können.

Andere Gruppen freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, die im §2 Absatz 1 FSVG nicht genannt sind, wie z.B. die Notare, sind bei ihren nach ASVG pflichtversicherten Ehefrauen mitversichert und brauchen keine steuerlich benachteiligte Selbstversicherung abzuschließen."

Dasselbe gelte für das Wort "Pflichtversicherung" in §16 Abs1 Z4 lita Einkommensteuergesetz 1988:

"Warum darf der eine seine Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung als Werbungskosten geltend machen, weil für ihn eine Pflichtversicherung besteht, der andere aber nicht, der mangels Pflichtversicherung freiwillig der Selbstversicherung beigetreten ist und dieselben Beiträge für dieselben Leistungen bezahlt? ... Da ich nicht pflichtversichert bin und infolge der aufgezeigten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch §123 Absatz 9 a ASVG auch eine Mitversicherung bei meiner Ehegattin nicht gegeben ist, mußte ich freiwillig eine Selbstversicherung nach ASVG eingehen und kann diese Beiträge nicht als Werbungskosten absetzen."

Der Antragsteller begehrt daher gemäß Art140 B-VG die Aufhebung der lita des §123 Abs9 ASVG und der lita des §16 Abs1 Z4 EStG 1988, zumindest aber des Wortteiles "Pflicht-" im dort verwendeten Wort "Pflichtversicherung".

II. Der Antrag ist unzulässig.

Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof zwar über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Anfechtungsberechtigt ist aber nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977 u. v.a.). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8553/1979).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt:

1. §123 ASVG regelt die Anspruchsberechtigung der nach diesem Gesetz Versicherten. Er bestimmt, für welche Angehörige der Versicherte Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung hat. Die Angehörigen selbst können Leistungen aus der Krankenversicherung nicht beanspruchen. Wenn daher §123 Abs9 lita ASVG Angehörige, die in §2 Abs1 FSVG angeführt sind, aus dem Kreis der Personen ausschließt, für die Leistungen aus der Krankenversicherung gebühren, gestaltet er nur die Rechtssphäre des Versicherten, nicht jene des Angehörigen. Er schließt die in §2 Abs 1 FSVG angeführten Personen nicht etwa von einer ihnen ohne diese Bestimmung zukommenden Rechtsposition aus, sondern hat für sie nur mittelbar - über die Ausgestaltung der Rechtsposition des Versicherten - wirksam werdende wirtschaftliche Auswirkungen. Bloß wirtschaftliche Auswirkungen reichen jedoch nach Art140 Abs1 B-VG nicht aus. Die angefochtene Bestimmung ist für den Antragsteller selbst mithin nicht rechtswirksam geworden.

2. Ob und in welcher Weise sich die Bestimmung des §16 Abs1 Z4 lita über EStG 1988 über die Möglichkeit des Abzuges von Sozialversicherungsbeiträgen als Werbungskosten für den Antragsteller auswirkt, steht nicht von vornherein fest. Diese Frage ist im Abgabenverfahren zu klären und mit Bescheid zu erledigen. Der Antragsteller ist dabei in keiner anderen Lage als jeder Steuerpflichtige in bezug auf die seine Steuerpflicht betreffenden Normen. Er kann den Instanzenzug beschreiten und gegen den letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben. Damit steht ihm zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ein zumutbarer Weg zur Verfügung.

Dem Antragsteller fehlt folglich die Antragslegitimation, was zur Zurückweisung des Antrages in nichtöffentlicher Sitzung führt (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, VfGH / Individualantrag, Werbungskosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G208.1991

Dokumentnummer

JFT_10079385_91G00208_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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