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L44106 Feuerpolizei Kehrordnung Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. April 1994, Zl. A 17 - K - 11.549/1994-1, betreffend einen Auftrag nach dem Steiermärkischen Feuerpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 10. Februar 1994 wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers in dessen Wohnung in Graz, L-Straße nn/II, Top Nr. m, eine Feuerbeschau durchgeführt. An dieser Beschau nahmen neben dem Vertreter des Hauseigentümers ein Bediensteter der Feuerwehr, der Bezirksrauchfangkehrermeister, ein Vertreter der Bundespolizeidirektion Graz sowie der Verhandlungsleiter, Ing. A.P., Beamter der Feuerpolizei des Magistrates, teil.
Im nördlich gelegenen Raum der Wohnung wurde laut Bericht des Verhandlungsleiters eine große Anzahl von leeren Patronenhülsen sowie bereits "geladener Patronen" (ca. 3.000 bis 4.000 Stück) und überdies erhebliche Mengen (ca. 20 kg) Schießpulver vorgefunden. Es befanden sich auch Geräte zur Herstellung von Munition in diesem Raum. Ein Ofen für feste Brennstoffe war in diesem Raum vorhanden. Im Nebenzimmer (südlich gelegener Raum) befand sich ein Ölofen; auch in diesem Raum wurden ca. 2.000 Stück Patronen vorgefunden, weiters fand sich eine maschinelle Vorrichtung, mit der in kurzer Zeit größere Mengen an Patronen geladen werden können. Das Gerät war mit einer Zählvorrichtung versehen, wobei ein Magazin aufgesetzt war, in dem Schießpulver vorrätig gehalten wurde. Auch in diesem Raum befanden sich größere Mengen Schießpulver. Nach den Feststellung der Amtsabordnung waren unmittelbar an den Feuerstätten leicht brennbare Materialien gelagert, die besonders geeignet waren, "eine Brandentstehung zu vermehren". Bei der Feuerstätte für feste Brennstoffe fehlte das Vorlageblech, ein Tankverschluß des Ölofens war nicht vorhanden. In einem Schrank des südlichen Zimmers befanden sich Druckgaspackungen sowie zusätzliche Magazinvorrichtungen, in denen Schießpulver vorrätig gehalten wurde. Als Sofortmaßnahme gemäß § 11 Abs. 4 des Steiermärkischen Feuerpolizeigesetzes wurde angeordnet, wegen Gefahr im Verzuge sämtliche gefährlichen Stoffe (Schießpulver) von der Feuerwehr der Stadt Graz entfernen zu lassen. Vor der Sicherstellung durch die Feuerwehr der Stadt Graz wurden die entsorgten Mengen an Schießpulver mittels einer in der Wohnung vorgefundenen Personenwaage abgewogen; insgesamt wurden ca. 27 kg Schießpulver in offenen Kunststoffgebinden, 21 kg Schießpulver in festen Gebinden (mehrere mit dem Symbol "Explosiv") sowie 3,5 kg Schießpulver in loser Form (Säckchen) entsorgt. Dem Bericht des Verhandlungsleiters zufolge habe eine exakte Angabe über Art und Herkunft des Pulvers auch von den anwesenden Experten nicht getroffen werden können, da der größte Teil des Pulvers in offenen Gebinden und auch in Getränkeflaschen aufbewahrt wurde.
Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Graz vom 19. Februar 1994 wurde gemäß § 11 Abs. 4 des Steiermärkischen Feuerpolizeigesetzes 1985 an den Beschwerdeführer der Auftrag erteilt, das gesamte Schießpulver (ca. 51,5 kg) aus der Wohnung sofort zu entfernen.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, im Zuge der Erhebung am 10. Februar 1994 seien umfangreiche Mengen an Mineralsand und ähnlichen Substanzen von der Behörde willkürlicherweise als Schießpulver tituliert und aus der Wohnung des Beschwerdeführers verbracht worden. Die Behörde habe auch keinerlei Feststellungen darüber getroffen, um welche Art von Pulver es sich bei den von ihr als gefährlich angenommenen Stoffen handelte. Tatsächlich seien in der Wohnung des Beschwerdeführers lediglich 8.845 Gramm verschiedener Treibmittel, sämtliche verpackt in Originalverpackungen, vorhanden gewesen. Der überwiegende Teil der Stoffe, die die Behörde aus der Wohnung des Beschwerdeführers verbracht habe, sei Mineralsand gewesen, der zum Polieren von Patronenhülsen gebraucht werde und keine wie immer geartete Gefahrenquelle im Sinne feuerpolizeilicher Vorschriften darstellen könne.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 21. April 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 19. Februar 1994 mit einer geringfügigen Abänderung des Spruches keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wurde im wesentlichen ausgeführt, in der Wohnung des Beschwerdeführers hätten sich lediglich 8,845 kg Nitrozellulosepulver in Originalverpackung, 53 kg Poliermedium zum Hülsenreinigen plus Verpackung sowie 3,6 kg Flußmittel (zum Bleigießen) befunden. Aufgrund seiner Tätigkeit als Sportschütze habe sich der Beschwerdeführer umfassend über die Lagerung von Nitrozellulosepulver informiert, er habe in Erfahrung bringen können, daß die Lagerung desselben in einer Wohnung originalverpackt bis zu einer Menge von 10 kg unbedenklich sei.
Das in der Wohnung des Beschwerdeführers vorgefundene Material sei von der Behörde erster Instanz anläßlich der Feuerbeschau am 10. Februar 1994 bei einer Privatfirma zwischengelagert worden, am 16. Februar 1994 sei dieses Material von der Firma L und J (über Intervention des Beschwerdeführers) übernommen worden. Diese Firma habe eine genaue Abwiegung und Spezifikation des beschlagnahmten Materiales vorgenommen und eine diesbezügliche Auflistung der Behörde erster Instanz übermittelt. Diese Auflistung legte der Beschwerdeführer auch dem Verwaltungsgerichtshof vor ebenso wie die Abschrift eines Verhandlungsprotokolles vom 21. April 1994 wegen Aufkündigung. In dieser Verhandlung wurden sowohl der Verhandlungsleiter Ing. A.P. als auch der Vertreter der Bundespolizeidirektion Graz, der an der Feuerbeschau vom 10. Februar 1994 teilgenommen hat, als Zeugen vernommen. Ing. A.P. gab als Zeuge vernommen an, die Amtsabordnung habe eine größere Menge Pulver vorgefunden und dieses entsprechend mit der Feuerwehr entsorgt. Jetzt sei hervorgekommen, daß der Großteil Poliermittel gewesen sei. Es habe auch der Sachverständige vom Entminungsdienst an Ort und Stelle nicht feststellen können, daß es sich um Poliermittel handle. Die Amtsabordnung sei davon ausgegangen, daß es sich bei dem vorgefundenen Pulver um Schießpulver gehandelt habe, weil sie mehrere Dosen vorgefunden habe, auf denen die "Symbolik der Sprengung" vorhanden gewesen seien. Die darin befindlichen Mittel hätten für die Amtsabordnung dieselbe Feinkörnigkeit aufgewiesen und gleich ausgesehen wie jene, die in Cola-Dosen verstaut, in Kästen, hinter Büchern und Zeitschriften und teilweise unter dem Bett, unter dem Bücherregal - mit einem Wort überall - vorgefunden worden seien.
Gemäß § 11 Abs. 4 des Steiermärkischen Feuerpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 49/1985, kann die Behörde in Fällen unmittelbar drohender Gefahr nach vorausgegangener Verständigung des Eigentümers bzw. Verfügungsberechtigten ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides, Mängelbehebungen an Ort und Stelle veranlassen. Hierüber ist jedoch binnen zwei Wochen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Veranlassung als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn seine Zustellung wegen Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle nicht bewirkt werden kann.
Das Einschreiten der Behörde gemäß § 11 Abs. 4 des Feuerpolizeigesetzes stellt sich somit als feuerpolizeiliche Maßnahme dar, sohin als - grundsätzliche verfahrensfreie - Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, über die binnen zwei Wochen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen ist, welcher dann dem Rechtszug unterliegt. Die kurze Frist, innerhalb der der erstinstanzliche Bescheid zu erlassen ist, läßt darauf schließen, daß der Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gerade nicht auferlegt werden sollte, sondern vielmehr die getroffenen Veranlassungen in Bescheidform festgehalten werden sollen. Dabei hat die Behörde erster Instanz alle Umstände zu berücksichtigen, die ihr bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bekannt geworden sind. Im übrigen gelten aber jene Grundsätze, wie sie die Rechtsprechung zu verfahrensfreien Maßnahmen entwickelt hat.
Mit der Frage, wie behördliches Handeln zu beurteilen ist, das bloß aus der Sicht der handelnden Organe und nach deren Wissensstand im Zeitpunkt des Handelns gesetzmäßig ist, hat sich der Verfassungsgerichtshof (in "Maßnahmefällen") im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Festnahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befaßt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 8. März 1977, VfSlg. 7987, und vom 10. Juni 1977, VfSlg. 8045). In diesen Erkenntnissen bringt der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck, daß eine Rechtswidrigkeit dann nicht gegeben ist, wenn die Annahme des Vorliegens der sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für das behördliche Einschreiten vertretbar war; daß diese Beurteilung des Sachverhaltes richtig sein muß, ist nicht erforderlich.
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß dem ohne vorangegangenes förmliches Verfahren erfolgten Verbringen der vorgefundenen Pulvermengen aus der Wohnung der Beschwerdeführer dann die Rechtswidrigkeit fehlte, wenn die Annahme des einschreitenden Organes, es liege Gefahr im Verzuge vor, zumindest vertretbar war und sich bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nichts gegenteiliges ergeben hat.
Dem Verwaltungsakt sowie den Auszügen aus der Aufkündigungsverhandlung ist zu entnehmen, daß die Amtsabordnung aufgrund der optisch gleichen Feinkörnigkeit jener Pulvermengen, die in offenen Behältern vorgefunden wurden, mit denen, die in geschlossenen Behältern aufbewahrt wurden und die die Symbole für "Explosionsgefahr" trugen, davon ausging, daß es sich auch bei den in losen Gebinden vorgefundenen Pulvermengen um Schießpulver handelte.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes war die Annahme der einschreitenden Organe, es handle sich bei dem vorgefundenen Pulver schon wegen der großen Ähnlichkeit mit dem etikettierten Schießpulver insgesamt um Schießpulver, vertretbar. Daß insbesondere aufgrund der Lagerung von Schießpulver in losen Gebinden in der Nähe eines Ölofens und eines Ofens für feste Brennstoffe in der kalten Jahreszeit (Februar 1994) wegen der Wahrscheinlichkeit, daß die Öfen auch beheizt werden, Gefahr im Verzug anzunehmen war, ist evident. Da die Amtsabordnung anläßlich der Feuerbeschau am 10. Februar 1994 zumindest der vertretbaren Annahme sein konnte, daß ihr unverzügliches Einschreiten wegen Gefahr im Verzug erforderlich sei, war die umgehende Entfernung der vorgefundenen Pulvermengen nicht rechtswidrig, bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hat sich nichts Gegenteiliges ergeben.
Wenn der Beschwerdeführer vermeint, aufgrund der von ihm vorgelegten Bestätigung der Privatfirma, bei der das Pulver nach Intervention des Beschwerdeführers gelagert wurde, sei zumindest die Berufungsbehörde in der Lage gewesen, festzustellen, daß es sich nicht bei der gesamten Menge um Schießpulver gehandelt habe; die von der Berufungsbehörde getroffene Feststellung, es habe sich bei der gesamten Menge um Schießpulver gehandelt, sei aktenwidrig, so ist ihm zu entgegnen, daß es nicht auf den Wissensstand der Berufungsbehörde ankommt, sondern im Sinne der bereits zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 1977 und vom 10. Juni 1977 auf die vertretbare Annahme der einschreitenden Organe zum Zeitpunkt ihres Handelns, unter dem Blickwinkel des Wissensstandes der Behörde erster Instanz anläßlich der Bescheiderlassung.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060119.X00Im RIS seit
20.11.2000