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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 17. März 1994, Zl. 406.820/9-2.7/94, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24. November 1993 auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes für die Dauer von 2 Jahren gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992 (WG) abgewiesen.
In seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Der Beschwerdeführer begründete sein Befreiungsbegehren einerseits mit dem Hinweis auf seine angespannte finanzielle Lage infolge Errichtung eines Einfamilienhauses und die Gefahr des Verlustes einer beruflichen Aufstiegschance, falls er den Grundwehrdienst in der nächsten Zeit ableisten müßte, und andererseits mit der Notwendigkeit der Betreuung seiner beiden Kinder im Alter von 3 und 10 Jahren, die er abwechselnd mit seiner teilbeschäftigten Ehefrau (20 Wochenstunden) besorge. Er wies darauf hin, daß sich seine Frau in nächster Zeit einer Strumektomie werde unterziehen müssen. Die belangte Behörde anerkannte das Vorliegen wirtschaftlicher und familiärer Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung, sie verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des Gesetzes. Die wirtschaftlichen Interessen seien deshalb nicht besonders rücksichtswürdig, weil der Beschwerdeführer die ihm als Wehrpflichtigem obliegende Harmonisierungspflicht hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten verletzt habe. Er hätte bei seinen diesbezüglichen Dispositionen darauf Bedacht nehmen müssen, daß er mit dem Wegfall jener Funktion bei den ÖBB, deretwegen er mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 1978 von Amts wegen von der Präsenzdienstpflicht befreit worden sei, wiederum präsenzdienstpflichtig wurde. Die behauptete Gefahr, infolge Ableistung des Grundwehrdienstes in nächster Zeit einen bevorstehenden "Karrieresprung" mit höherem Einkommen zu versäumen, sei kein Einzelfall und gehe nicht über das allen Wehrpflichtigen gleichermaßen zumutbare Ausmaß nachteiliger Auswirkungen hinaus, die mit der Ableistung des Grundwehrdienstes verbunden sein können. Hinsichtlich der familiären Interessen des Beschwerdeführers vertrat die belangte Behörde die Auffassung, solange sich die Ehefrau des Beschwerdeführers der Strumektomie nicht unterziehe, stehe sie für die Betreuung der Kinder uneingeschränkt zur Verfügung. Einen konkreten Termin für diese Operation habe der Beschwerdeführer trotz Aufforderung nicht angeben können. Sollte die Operation tatsächlich stattfinden, sei darin eine Änderung des maßgebenden Sachverhaltes gelegen, die den Beschwerdeführer zur neuerlichen Antragstellung berechtige.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zunächst deshalb für rechtswidrig, weil die Berufung betreffend den Ausspruch des erstinstanzlichen Bescheides über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nicht erledigt bzw. ihr insoweit nicht stattgegeben worden sei. Dieses Vorbringen läßt außer acht, daß die Berufung ohne jede Einschränkung abgewiesen und somit auch in Ansehung des genannten erstinstanzlichen Ausspruches "erledigt" wurde. In der Begründung heißt es dazu ausdrücklich, die belangte Behörde sehe sich nicht veranlaßt, diesen Ausspruch aufzuheben, da bisher keine in die Rechte des Beschwerdeführers eingreifenden Vollzugsmaßnahmen gesetzt worden seien. Im übrigen ging der in Rede stehende erstinstanzliche Ausspruch mangels eines vollzugstauglichen Bescheidinhaltes ins Leere. Bescheide, mit denen eine Befreiung von der Präsenzdienstpflicht verweigert wird, lassen die Rechtsstellung des Wehrpflichtigen unverändert; sie sind daher einer Vollstreckung bzw. einem Vollzug nicht zugänglich.
Gegen die Annahme eines Verstoßes gegen die Harmonisierungspflicht wendet der Beschwerdeführer ein, er sei durch diese erstmals im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Annahme "überrascht" worden. Er habe aufgrund seiner amtswegigen Befreiung von der Präsenzdienstpflicht und des Verhaltens der Militärbehörden seither darauf vertrauen dürfen, den Grundwehrdienst nicht ableisten zu müssen, weshalb ihm die Aufnahme von Krediten aus Anlaß der Errichtung des Einfamilienhauses nicht zum Vorwurf gemacht werden könne. Jedenfalls habe für ihn bis zur Erlassung des Einberufungsbefehls des Militärkommandos Burgenland vom 25. November 1993 kein Anlaß bestanden, an seiner aufrechten Befreiung von der Präsenzdienstpflicht zu zweifeln.
Dieses Vorbringen steht mit der Aktenlage insofern nicht in Einklang, als bereits im Bescheid der Behörde erster Instanz (Militärkommando Burgenland) von der Verletzung seiner Harmonisierungspflicht die Rede war.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 1978 wurde der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung bei den ÖBB gemäß § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978 von der Präsenzdienstpflicht aus öffentlichen Interessen befreit. Der Bescheid enthielt den ausdrücklichen Zusatz, daß er mit dem Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen seine Wirksamkeit verliere. Der konkrete Befreiungsgrund ist in diesem Bescheid nicht angegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es dazu, dem Befreiungsbescheid sei der Umstand zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer in einem Dienstverhältnis zu den ÖBB als "Nachwuchskraft-Maschinenschlosser" gestanden sei. Aufgrund einer Mitteilung der ÖBB, wonach der Beschwerdeführer nicht mehr in derselben Funktion tätig sei, werde nunmehr ein negativer Feststellungsbescheid ergehen. Auf den Wegfall jener Interessen, die für die seinerzeitige Befreiung des Beschwerdeführers maßgebend gewesen seien, sei im gegenständlichen Verfahren nicht einzugehen.
Damit ließ die belangte Behörde die im gegebenen Zusammenhang wesentliche Frage ungeklärt, wann der seinerzeit maßgebende Befreiungsgrund weggefallen ist bzw. wann für den Beschwerdeführer dieser Wegfall frühestens erkennbar war. (Erst von da an könnte im vorliegenden Fall von einer Verletzung seiner Harmonisierungspflicht die Rede sein.) Damit ist offen, ob die von der belangten Behörde angenommene Harmonisierungspflicht bereits bei Aufnahme jener Kredite für die Errichtung des Einfamilienhauses, deren Bedienung nunmehr als Befreiungsgrund geltend gemacht wird, bestanden hat. Dieser Begründungsmangel könnte allerdings nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies wäre der Fall, wenn sie andernfalls zu der Ansicht gekommen wäre, die Aufnahme der besagten Kredite verstoße nicht gegen die Harmonisierungspflicht, und wenn überdies dem Beschwerdeführer tatsächlich der von ihm für den Fall der Ableistung des Grundwehrdienstes befürchtete Nachteil drohte, nämlich die Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses und damit der Verlust der Unterkunft für sich und seine Familie (was die belangte Behörde - allerdings erst in der Gegenschrift - bestreitet und als bei weitem übertrieben bezeichnet). Für das Vorliegen dieser letzteren Voraussetzung bietet aber das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer weist zwar allgemein auf finanzielle Schwierigkeiten im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes hin. Er legt aber weder konkret dar, in welchem Umfang ihm die Bedienung der aufgenommenen Kredite im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes nicht möglich wäre, noch behauptet er, daß er sich bei den Kreditgebern erfolglos um eine Stundung der Zahlungsverpflichtungen bemüht habe (wozu er aufgrund der Harmonisierungs- und Dispositionspflicht gehalten ist). Der allenfalls drohende Nachteil einer insgesamt höheren Zinsbelastung aufgrund eines um die Dauer des Grundwehrdienstes verlängerten Tilgungszeit vermag jedenfalls kein besonders rücksichtswürdiges Interesse im Sinne des Gesetzes zu begründen.
Was die angebliche Gefahr des Verlustes einer Beförderungschance bei sofortiger Ableistung des Grundwehrdienstes (vom Wagenmeister der ÖBB zum "dienstführenden Wagenmeister") anlangt, hat die belangte Behörde zu Recht ausgeführt, daß nachteilige Auswirkungen beruflicher Art nur dann besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des Gesetzes begründen, wenn sie über das allen Wehrpflichtigen gleichermaßen zumutbare Ausmaß hinausgehen. Sie hat in diesem Zusammenhang auch mit Recht betont, derartige berufliche Nachteile bei Ableistung des Präsenzdienstes allen Wehrpflichtigen in gleicher Weise drohen. Daß es sich bei der erwarteten Beförderung um eine derart einmalige Chance handelte, daß deren Nichtwahrnehmung unter dem besagten Aspekt unzumutbar wäre, kann insgesamt nicht gesagt werden. Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid auch nicht deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, weil die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer angeregte Anfrage an den Dienstgeber des Beschwerdeführers hinsichtlich der in Rede stehenden Beförderungsmöglichkeit unterlassen hat.
In Ansehung der als Befreiungsgrund geltend gemachten Notwendigkeit der Betreuung seiner beiden Kinder bringt der Beschwerdeführer vor, seine Ehefrau habe sich am 7. März 1994 der angekündigten Strumektomie unterzogen, sie sei jedenfalls noch bis Mitte Mai 1994 selbst pflegebedürftig und daher nicht in der Lage, die Pflege und Betreuung der Kinder zu besorgen. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, diesen maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.
Dem Umstand der operationsbedingten Behinderung der Ehefrau des Beschwerdeführers konnte nur eine vorübergehende, nämlich auf die Dauer dieser Behinderung beschränkte Bedeutung zukommen. Eine verfehlte Beurteilung dieses Sachverhaltselementes durch die belangte Behörde könnte daher nur insoweit zu einer aktuellen Beeinträchtigung der Rechte des Beschwerdeführers geführt haben, als dieser gezwungen gewesen wäre, den Grundwehrdienst tatsächlich noch vor dem Ende der operationsbedingten Behinderung seiner Frau anzutreten. Dafür aber, daß dies der Fall gewesen wäre, bietet weder das Beschwerdevorbringen noch der Akteninhalt einen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer hatte den Grundwehrdienst jedenfalls nicht vor dem 5. August 1994 anzutreten, da seiner Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl zum 5. April 1994 mit hg. Beschluß vom 31. März 1994, Zlen. AW 94/11/0017, 0018, aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war und ihm das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zlen. 94/11/0098, 0099, erst am 4. August 1994 zugestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt kann aber selbst nach dem Beschwerdevorbringen eine operationsbedingte Behinderung seiner Frau an der Betreuung der Kinder nicht mehr in Betracht.
Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof auch in Ansehung der Annahme, die erforderliche Betreuung der Kinder des Beschwerdeführers sei auch in der Zeit seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit bei entsprechenden Dispositionen möglich, keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit zu erkennen. Laut seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren betreut der Beschwerdeführer seine beiden Kinder abwechselnd mit seiner teilzeitbeschäftigten Ehefrau. Nach den unbestritten gebliebenen, im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen besucht der 3jährige Sohn des Beschwerdeführers den Kindergarten und der 10jährige Sohn die Volksschule, jeweils in Kittsee. Dort wohnen auch die Eltern und Schwiegereltern des Beschwerdeführers. Nach der gleichfalls unbestritten gebliebenen Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid sind die beiden, früher als Krankenschwestern tätig gewesenen Großmütter der Kinder des Beschwerdeführers bereits im Ruhestand. Es ist schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung einsichtig, daß unter diesen Umständen eine hinreichende Betreuung der Kinder des Beschwerdeführers im Familienverband während der Zeit seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit erwartet werden kann. Stichhältige Gründe, die diese Annahme im vorliegenden Fall verbieten würden, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen und auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Insbesondere ist aus den dort erliegenden "Bestätigungen" der Mutter und der Schwiegermutter des Beschwerdeführers (jeweils vom 2. Februar 1994) kein Umstand ersichtlich, der sie außerstande setzte, die Kinder des Beschwerdeführers während der beruflichen Abwesenheit ihrer teilzeitbeschäftigten Mutter, zu betreuen.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Nichtvollstreckbare Bescheide VollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994110102.X00Im RIS seit
20.11.2000