TE Vfgh Erkenntnis 1992/6/15 WI-9/91

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Veröffentlicht am 15.06.1992
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Oö GdWO 1991 §37

Leitsatz

Teilweise Aufhebung des Verfahrens zur Wahl eines Gemeinderates wegen für das Wahlergebnis relevanter rechtswidriger Bewertung von 48 Stimmzetteln als gültig

Spruch

Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderats der Gemeinde Frankenburg a.H. am 6. Oktober 1991 wird insoweit aufgehoben, als es der Stimmenabgabe (Wahlhandlung) nachfolgte.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 6. Oktober 1991 fanden die von der Oberösterreichischen Landesregierung am 11. Juli 1991 im Landesgesetzblatt Nr. 82/1991 ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Bundeslandes Oberösterreich, darunter die Gemeinde Frankenburg a.H. (politischer Bezirk Vöcklabruck), statt.

1.1.2. Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §23 der Oberösterreichischen Gemeindewahlordnung 1991 (GWO 1991), Kdm. WV LGBl. 94/1991, abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:

Liste 1: Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Liste 2: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)

Liste 3: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Liste 6: Frankenburger Alternative (FAL)

1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Frankenburg a.H. vom 6. Oktober 1991 entfielen von den insgesamt 3.012 abgegebenen gültigen Stimmen - 118 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf

    ÖVP       820 Stimmen     ( 9 Mandate)

    SPÖ     1.697 Stimmen     (18 Mandate)

    FPÖ       273 Stimmen     ( 2 Mandate)

    FAL       222 Stimmen     ( 2 Mandate)

1.2.1. Mit ihrer am 30. Oktober 1991 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die FPÖ die Aufhebung des Wahlverfahrens "vom Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden an als rechtswidrig".

Begründend brachte die Anfechtungswerberin - kurz zusammengefaßt - vor, verschiedene Sprengelwahlbehörden hätten gesetzwidrig achtundvierzig Stimmzettel als gültig ausgefüllt anerkannt (und 45 für die SPÖ, 3 für die ÖVP abgegeben gewertet), anstatt sie - als ungültig - bei der Ermittlung des Wahlergebnisses nicht zu berücksichtigen; auf diesen Stimmzetteln sei keiner der Kreise links von den Parteibezeichnungen angekreuzt, sondern nur (in der Vorzugsstimmenrubrik) der Zuname "Kaiser" angegeben.

1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Frankenburg a.H. legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Wahlanfechtung eintrat. Desgleichen beantragte die ÖVP in einer Stellungnahme, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

1.3. Der mit "Vergabe von Vorzugsstimmen" überschriebene §37 GWO 1991 lautet:

"(1) Jeder Wähler kann höchstens drei Bewerbern, die auf dem Wahlvorschlag derselben Partei aufscheinen, je eine Vorzugsstimme geben, indem er sie (ihn) an der dafür vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels bezeichnet.

(2) Die Vergabe einer Vorzugsstimme ist gültig, wenn aus der Bezeichnung eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler eintragen wollte; dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Eintragung den Familiennamen oder bei gleichem Familiennamen mehrerer Bewerber zusätzlich ein Unterscheidungsmerkmal (z.B. Reihungsziffer, Vorname, Geburtsdatum, Adresse und dgl.) enthält.

(3) Die Vergabe von Vorzugsstimmen ist jedenfalls ungültig, wenn

1.

aus der Eintragung nicht eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler bezeichnen wollte oder

2.

der Wähler mehr als drei Bewerber derselben Partei eingetragen hat oder

3.

die Eintragung nicht an der dafür vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels erfolgt oder

4.

der Wähler einen Bewerber auf einem gemäß §40 ungültigen Stimmzettel eingetragen hat oder

5.

im Falle des §39 Abs1 Z. 1 auf den gültigen

amtlichen Stimmzetteln die Vorzugsstimmen unterschiedlich vergeben werden.

(4) Die Vergabe einer Vorzugsstimme gilt als nicht erfolgt, wenn auf dem amtlichen Stimmzettel eine Person bezeichnet wird,

1.

die auf keinem Wahlvorschlag einer Partei

aufscheint oder

2.

die einer Partei zugeordnet wird, obwohl sie in einem Wahlvorschlag einer anderen Partei aufscheint.

(5) Wird der Name eines Bewerbers mehr als einmal am amtlichen Stimmzettel gemäß Abs2 gültig eingetragen, so zählt dies als eine Vorzugsstimme."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.

Nun sieht zwar §48 Abs1 GWO 1991 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (d.s. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988; VfGH 1.3.1990 WI-4/89).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die FPÖ in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §48 GWO 1991 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Wertung von achtundvierzig Stimmzetteln als gültig, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89), d.i. bei Gemeinderatswahlen nach der GWO 1991 die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses "einschließlich der Namen der gewählten Mitglieder des Gemeinderates und der Ersatzmitglieder" in ortsüblicher Weise.

Diese Verlautbarung fand hier am 6. Oktober 1991 statt.

Die am 30. Oktober 1991 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.2.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich zu Z WI-11,12/91 (Erk. v. 10.3.1992) mit der Anfechtung einer Wahl nach der Oberösterreichischen Statutargemeinden-Wahlordnung 1991 (StGWO 1991), LGBl. 118/1991, zu befassen und führte dort ua. folgendes aus:

    ". . . Ein (neunter) Stimmzettel weist an der für die

Eintragung von Bewerbern (Vorzugsstimmen) vorgesehenen Stelle neben der Parteibezeichnung ÖVP die Familiennamen Holub und Ratzenböck (in Großbuchstaben) auf. Der Familienname Holub scheint auf dem veröffentlichten Wahlvorschlag sowohl in der Parteiliste der ÖVP (an erster Stelle: Karl Holub) als auch in der der GAL (an zweiter Stelle: Oskar Holub) auf, der Name Ratzenböck wiederum findet sich auf den Wahlvorschlägen überhaupt nicht.

    Gemäß §67 Abs3 Z1 StGWO 1991 ist die 'Vergabe von

Vorzugsstimmen . . . jedenfalls ungültig, wenn aus der Eintragung

nicht eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler bezeichnen wollte'. Nach Abs4 Z1 leg.cit. gilt sie 'als nicht erfolgt, wenn auf dem amtlichen Stimmzettel eine Person bezeichnet wird, die auf keinem Wahlvorschlag einer Partei aufscheint'.

Da hier eine Vorzugsstimme (Ratzenböck) als nicht vergeben gilt, weil die bezeichnete Person in keiner veröffentlichten Parteiliste aufscheint, und die andere Vorzugsstimme (Holub) ungültig ist, weil nicht feststeht, welchen Bewerber (den der ÖVP oder der GAL) der Wähler bezeichnen wollte, wurde auch dieser Stimmzettel von der zuständigen Sprengelwahlbehörde mit Recht für ungültig befunden. . ."

2.2.2. Von dieser Rechtsauffassung geht der Verfassungsgerichtshof angesichts der Wortgleichheit des §67 Abs3 Z1 StGWO 1991 und der hier anzuwendenden Vorschrift des §37 Abs3 Z1 GWO 1991 über die "Vergabe von Vorzugsstimmen" auch bei Beurteilung der vorliegenden Wahlanfechtung aus. Denn diese Anfechtung betrifft ausschließlich Stimmzettel, die (nur) jeweils in den Vorzugsstimmen-Rubriken neben den Parteibezeichnungen ÖVP bzw. SPÖ einen Familiennamen ohne Vornamen ("Kaiser") aufweisen, den Wahlwerber verschiedener Parteien tragen, nämlich Franz Kaiser (an 24. Stelle der Parteiliste der ÖVP) und Martin Kaiser (an 1. Stelle der Parteiliste der SPÖ), sodaß offen blieb, welchen dieser beiden Bewerber der Wähler bezeichnen wollte und tatsächlich bezeichnete.

2.2.3. Zusammenfassend rügt es die Anfechtungswerberin daher mit Recht als gesetzwidrig, daß die strittigen (48) Stimmzettel - die sonst keinerlei Eintragungen zeigen - den Listen 1 (3) und 2

(45) als gültig zugerechnet wurden, weil "die bemängelten Stimmzettel . . . neben den Familiennamen ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, zB den Vornamen, (hätten) enthalten müssen, um den Wählerwillen eindeutig bestimmen zu können".

2.3.1. Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegte (VfSlg. 11732/1988) - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muß darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein (Art141 Abs1 Satz 3 B-VG, §70 Abs1 VerfGG 1953).

2.3.2. Dies trifft hier zu, weil die festgestellten, den Sprengelwahlbehörden anzulastenden Rechtswidrigkeiten (im Zug der Bewertung der zu Abschnitt 2.2. genannten Stimmzettel) zur Folge hatten, daß die FPÖ bei der Vergabe der Gemeinderatsmandate unzulässig benachteiligt wurde, wie nachstehende Ausführungen zeigen:

2.3.2.1. Der Gemeinderat der Gemeinde Frankenburg a.H. besteht aus 31 Mitgliedern (§18 Abs1 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1990, LGBl. 91/1990).

2.3.2.2. Auf der Basis der in der Niederschrift vom 6. Oktober 1991 festgehaltenen Parteisummen berechnete die Gemeindewahlbehörde die Wahlzahl gemäß §45 GWO 1991 wie folgt:

              SPÖ         ÖVP         FPÖ         FAL

Stimmen:    1.697         820         273         222

1/2           848,5       410         136,5       111

1/3           565,666     273,333      91          74

1/4           424,25      205          68,25

1/5           339,4       164

1/6           282,833     136,666

1/7           242,428     117,142

1/8           212,125     102,5

1/9           188,555      91,111

1/10          169,7        82

1/11          154,272

1/12          141,416

1/13          130,538

1/14          121,214

1/15          113,133

1/16          106,062

1/17           99,823

1/18           94,277

1/19           89,315

1/20           84,85

Da das 1/9 der ÖVP-Parteisumme (d.i. die Zahl 91,111) der einunddreißigstgrößten der gemäß §45 Abs1 GWO 1991 angeschriebenen Zahlen entspricht und somit die Wahlzahl bildet, entfielen kraft §45 Abs2 leg.cit. auf die

    ÖVP      9 Mandate

    SPÖ     18 Mandate

    FPÖ      2 Mandate

    FAL      2 Mandate

2.3.2.3. Legt man der Wahlzahlberechnung jedoch das im Sinn der Ausführungen im Abschnitt 2.2. korrigierte Wahlergebnis, nämlich

ÖVP 817 Stimmen ( 820 - 3)

SPÖ 1.652 Stimmen (1697 - 45)

FPÖ 273 Stimmen ( 273 + 0)

FAL 222 Stimmen ( 222 + 0)

zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild:

              SPÖ         ÖVP         FPÖ         FAL

Stimmen:    1.652         817         273         222

1/2           826         408,5       136,5       111

1/3           550,666     272,333      91          74

1/4           413         204,25       68,25

1/5           330,4       163,4

1/6           275,333     136,166

1/7           236         116,714

1/8           206,5       102,125

1/9           183,555     90,777

1/10          165,2       81,7

1/11          150,181

1/12          137,666

1/13          127,076

1/14          118

1/15          110,133

1/16          103,25

1/17           97,176

1/18           91,777

1/19           86,947

Angesichts der richtigen Wahlzahl 91 (d.i. das 1/3 der FPÖ-Parteisumme als einunddreißigstgrößte Zahl der gemäß §45 Abs1 GWO 1991 angeschriebenen Zahlen) kämen - anders als laut dem kundgemachten Wahlergebnis - der ÖVP 8 (bisher 9) und der FPÖ 3 (bisher 2) Mandate zu.

2.4. Der Wahlanfechtung der FPÖ war stattzugeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderats der Gemeinde Frankenburg a.H. am 6. Oktober 1991 insoweit aufzuheben, als es der Stimmenabgabe (Wahlhandlung) nachfolgte.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in einer der Norm des §7 Abs2 litc VerfGG 1953 genügenden Zusammensetzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel, Wahlergebnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:WI9.1991

Dokumentnummer

JFT_10079385_91W00I09_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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