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L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, in der Beschwerdesache der Umweltanwaltschaft des Landes Niederösterreich gegen die Niederösterreichische Landesregierung, betreffend die Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Umweltanwaltschaft erhebt gegen die belangte Behörde Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG. Sie bringt vor, sie habe mit Schreiben vom 3. Juli 1990 bei den Bezirkshauptmannschaften Wien-Umgebung und Mödling Anträge gestellt, bestimmte Wiesenkomplexe gemäß § 9 des NÖ Naturschutzgesetzes zum Naturdenkmal zu erklären. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung habe Bedenken im Hinblick auf das mit der Erklärung zum Naturdenkmal verbundene Veränderungs- und Bewirtschaftungsverbot geäußert und für den Fall der Aufrechterhaltung des Antrages eine parzellenscharfe Abgrenzung und Bezeichnung der planlich ausgewiesenen Flächen und die Bekanntgabe der Eigentümer verlangt. Die Beschwerdeführerin habe die angeforderten Grundlagen bekanntgegeben und ein Gutachten über die Naturdenkmalwürdigkeit der Wiesenflächen übermittelt. Mit Schreiben vom 2. Februar 1993 habe die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mitgeteilt, daß gegen die beantragte Verfahrenseinleitung einerseits grundsätzliche rechtliche Bedenken bestünden und andererseits die Naturschutzbehörde auch die Kennzeichnung und Abgrenzung in der Praxis für nicht durchführbar halte und sie deswegen keine Möglichkeit für eine Verfahrensdurchführung gemäß § 9 NÖ Naturschutzgesetz sehe. Von der Bezirkshauptmannschaft Mödling liege keine Stellungnahme vor. Die beschwerdeführende Umweltanwaltschaft habe daher mit Schriftsatz vom 11. Februar 1993 gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde beantragt. Eine Erledigung dieses Antrages stehe aus.
Nach § 11 Abs. 1 des NÖ Umweltschutzgesetzes, LGBl. 8050-0, idF LGBl. 8050-2, hat die NÖ Umweltanwaltschaft in behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch die Vermeidung einer erheblichen und dauernden Schädigung der Umwelt zum Gegenstand haben, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG. Nach dem letzten Satz der zitierten Vorschrift steht der NÖ Umweltanwaltschaft, soweit ihr Parteistellung zukommt, das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG zu.
Mit § 11 Abs. 1 letzter Satz NÖ UmweltschutzG iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG wird der beschwerdeführenden Umweltanwaltschaft das Recht zur Erhebung einer BESCHEIDbeschwerde in jenen Fällen eingeräumt, in denen sie im Verwaltungsverfahren Parteistellung hatte (arg. "Beschwerden gegen Bescheide" in Art. 131 Abs. 2 B-VG). Das Recht zur Erhebung einer SÄUMNISbeschwerde kann aus dieser Vorschrift somit nicht abgeleitet werden. Es ist vielmehr an Hand der die Rechtsstellung der Umweltanwaltschaft regelnden sonstigen Vorschriften zu untersuchen, ob sich daraus die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ergibt.
Die Frage nach der Legitimation der Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde wird durch die Einräumung der Parteistellung in bestimmten Verfahren - zu denen auch das Verfahren über die Erklärung eines Naturgebildes zum Naturdenkmal gemäß § 9 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-0 idF LGBl. 5500-3 (NSchG) gehört - durch § 11 Abs. 1 erster Satz NÖ UmweltschutzG nicht gelöst; denn für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde reicht es nicht aus, daß jemand im Verwaltungsverfahren die verfahrensrechtliche Stellung einer Partei genießt. Vielmehr muß die Partei im Verwaltungsverfahren Anspruch auf Entscheidung haben und somit zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt sein. Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt somit einen Anspruch der Partei auf BESCHEIDMÄßIGE Erledigung ihres im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens voraus (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155). Unter der soeben genannten Voraussetzung besteht die Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch dann, wenn die Entscheidung nur in einer Zurückweisung bestehen kann (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A).
Es ist daher an Hand der die Parteistellung der beschwerdeführenden Umweltanwaltschaft begründenden Vorschriften zu untersuchen, ob diese der Beschwerdeführerin ein subjektives Recht auf Entscheidung einräumen. Dabei kann auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 NÖ UmweltschutzG in der Stammfassung zurückgegriffen werden. Auf der Grundlage dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof das Bestehen subjektiver Rechte der NÖ Landesumweltanwaltschaft, deren Verletzung diese vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen kann, nur im Bereich der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse bejaht (vgl. das Erkenntnis vom 29. Februar 1988, Slg. 12662/A; vgl. weiters zur Säumnisbeschwerdeberechtigung des Tiroler Naturschutzbeauftragten nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 1975 den Beschluß vom 14. Dezember 1981, Slg. 10617/A).
Ob die - nach dem Gesagten allein subjektive Rechte der Beschwerdeführerin vermittelnden - aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse den Anspruch auf Entscheidung umfassen, ist auf Grund der Vorschriften des materiellen Rechtes, die den geltend gemachten Anspruch betreffen, zu entscheiden. Im Beschwerdefall ist dies § 9 Abs. 1 NÖ NSchG. Danach kann die Behörde Naturgebilde, die als gestaltende Elemente des Landschaftsbildes oder aus wissenschaftlichen oder kulturellen Gründen besondere Bedeutung haben, mit Bescheid zum Naturdenkmal erklären.
Der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, daß der Behörde Handlungspflichten in der Richtung auferlegt wären, bei Vorliegen der Voraussetzungen mit der bescheidmäßigen Erklärung zum Naturdenkmal vorzugehen. Vielmehr ist - nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß die in ihren Voraussetzungen und Wirkungen durchaus vergleichbare Einrichtung von Landschafts- und Naturschutzgebieten mit Verordnung erfolgt (vgl. §§ 6, 7 NÖ NSchG), auf deren Erlassung niemandem ein Anspruch zusteht - davon auszugehen, daß § 9 NÖ NSchG eine bloße Handlungsermächtigung der Behörde im Rahmen planerischer Gestaltungsfreiheit bedeutet. Leitet die Behörde ein solches Verfahren von Amts wegen ein, so ist - wie schon im Erkenntnis vom 30. März 1992, Zl. 91/10/0022, zum Ausdruck kommt - die Parteistellung und Amtsbeschwerdebefugnis des Landesumweltanwaltes zu beachten. Ein Antragsrecht und damit ein Recht auf bescheidmäßige Erledigung eines solchen Antrages kommt der Umweltanwaltschaft in Richtung der Einleitung eines Verfahrens nach § 9 NÖ NSchG hingegen nicht zu; demgemäß ist sie nicht zur Erhebung der Säumnisbeschwerde legitimiert, wenn die Behörde kein Verfahren nach § 9 leg. cit. einleitet.
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, daß den Erkenntnissen vom 20. Jänner 1992, Zl. 91/10/0095, und vom 6. Juli 1993, Zl. 93/10/0063, nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Darin hat der Gerichtshof die Antragsberechtigung der Umweltanwaltschaft in Verfahren nach § 25 NÖ NSchG bejaht. In solchen Verfahren hat die Behörde eine Rechtsentscheidung zu treffen; die genannte Vorschrift begründet somit - anders als § 9 NÖ NSchG - eine Handlungspflicht der Behörde.
Die Säumnisbeschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinAnspruch auf Sachentscheidung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994100140.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.07.2009