TE Vfgh Beschluss 1992/6/17 G69/92

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Vlbg Landesverfassung Art2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Vlbg Landesverfassung betreffend den Grenzverlauf mangels Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit seinem Antrag vom 25. März 1992 begehrt der Antragsteller unter Berufung auf Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG, Art2 (in eventu: bestimmte Wortfolgen des Art2) der Vorarlberger Landesverfassung, Vorarlberger LGBl. 1/1970, idF des Verfassungsgesetzes Vorarlberger LGBl. 24/1984, als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, es sei zu seinen Gunsten ob bestimmten, dem öffentlichen Gut zuzurechnenden Grundstücken des Grundbuches des Bezirksgerichtes Bregenz die Dienstbarkeit des Fischereirechtes eingetragen. Zudem sei er außerbücherlicher Eigentümer (ua.) dieser Wasserflächen der Hohen See des Bodensees, weil seine Rechtsvorgänger das Wasserbett durch Ersitzung erworben hätten. Im Norden würden diese Wasserflächen durch die österreichische Staatsgrenze begrenzt, welche dort durch den (im Verfassungsrang stehenden) Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye im Jahre 1919 von der Mitte der Laiblachmündung in Richtung Mitte der Mündung des Alten Rheins gezogen worden sei. Er sei in seinen Eigentumsrechten am Fischereirecht als auch an seinem Recht am Wasserbett verletzt, weil zufolge "Artikel 2 des LGBl. Nr. 24/1984" sich das Land Vorarlberg auf den dem Vorarlberger Ufer vorgelagerten Teil der Halde zurückgezogen und auf darüberhinausgehende Flächen verzichtet habe. Das stete Fischen deutscher Staatsbürger in seinem Gewässer habe zu Auseinandersetzungen mit diesen geführt und sogar darin gegipfelt, daß er samt seinem Sohn von der deutschen Wasserschutzpolizei "auf ausschließlich österreichischem Hoheitsgebiet verhaftet und ... nach Lindau am Bodensee/BRD deportiert" worden sei. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch habe seine diesbezügliche Strafanzeige mit der Begründung eingestellt, daß sich dieser Vorfall nicht auf österreichischem Staatsgebiet zugetragen hätte.

Seine Bedenken gegen die angefochtene Landesverfassungsbestimmung legte der Antragsteller dahingehend dar, daß es gemäß Art3 Abs2 B-VG zu Änderungen des Bundesgebietes, die zugleich Änderungen des Landesgebietes darstellten, korrespondierender Landes- als auch Bundesverfassungsgesetze bedürfe, bei Änderungen der österreichischen Staatsgrenze paktierter völkerrechtlicher Verträge. Die unterdeterminierte, die Feststellung des konkreten Grenzverlaufes ausschließlich dem Landesverfassungsgesetzgeber überlassende angefochtene Bestimmung genüge dem nicht und sei sohin schwebend unwirksam.

2. Art2 der Vorarlberger Landesverfassung lautet (die eventualiter bekämpfte Wortfolge ist hervorgehoben):

"Artikel 2

Landesgebiet

(1) Das Land Vorarlberg in seinem gegenwärtigen Bestand bildet das Landesgebiet. Zum Landesgebiet gehört auch der dem Vorarlberger Ufer vorgelagerte Teil der Halde sowie der Hohe See des Bodensees; im Gebiet des Hohen Sees ist die Ausübung von Hoheitsrechten des Landes durch ebensolche Rechte der anderen Uferstaaten beschränkt.

(2) Der Verlauf der Grenzen des Landesgebietes wird durch Verfassungsgesetz des Landes festgestellt."

3. Der Antrag ist nicht zulässig:

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

3.2. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung des Art2 (in eventu bestimmter Wortfolgen des Art2) der Vorarlberger Landesverfassung, weil dadurch die Staatsgrenze zu Deutschland verändert werde. Wenngleich dieser Akt noch schwebend unwirksam sei, so sei er dadurch ua. in "meinen Eigentumsrechten am Fischereirecht als auch an meinem Recht am Wasserbett" verletzt.

3.3. Der vom Antragsteller behauptete Eingriff in seine Rechtssphäre liegt aber nicht vor: Vorschriften über den Verlauf der Grenze des Staatsgebietes berühren die individuelle Rechtssphäre des einzelnen Rechtsunterworfenen nicht. Auch dem Antragsteller steht somit ein subjektives Recht auf einen bestimmten Grenzverlauf nicht zu. Damit ist aber ausgeschlossen, daß Art2 der Vorarlberger Landesverfassung - gleiches gilt für bestimmte Wortfolgen dieses Artikels - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden ist.

Der Antrag war daher schon aus diesem Grunde mangels Antragslegitimation zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen war, ob der sachlichen Erledigung des Antrages weitere Prozeßhindernisse entgegenstehen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Staatsgrenze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G69.1992

Dokumentnummer

JFT_10079383_92G00069_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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