Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über den Antrag des A in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. September 1994, Zl. III 63-7/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 7. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 19. November 1990 im ehemaligen Jugoslawien eine namentlich genannte österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am 9. April 1991 sei er in Innsbruck polizeilich angemeldet worden. Am 12. April 1991 habe er bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt, der ihm am 23. April 1991 mit einer Gültigkeitsdauer bis 12. April 1992 erteilt worden sei. Am 28. Mai 1991 seien die (in den Jahren 1977 bzw. 1982 geborenen) Töchter des Beschwerdeführers polizeilich angemeldet worden. Auf den Meldezetteln sei vermerkt, daß sie sichtvermerksfrei zu einem dreimonatigen Besuch in das Bundesgebiet eingereist seien. Dem Beschwerdeführer sei mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1991 die Obhut und Erziehung hinsichtlich seiner beiden Töchter übertragen worden. Am 16. März 1992 habe er bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck für seine beiden Kinder die Erteilung von Sichtvermerken beantragt. Mit rechtskräftiger Strafverfügung dieser Behörde vom 23. März 1992 sei er wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes bestraft worden, weil er vorsätzlich veranlaßt habe, daß sich seine beiden Kinder vom 29. August 1991 bis 16. März 1992 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten. Am 8. April 1992 habe der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck die Erteilung eines neuerlichen Sichtvermerkes beantragt. Ihm sei mitgeteilt worden, daß hinsichtlich seiner Ehe Bedenken bestünden und Ermittlungen durchgeführt würden. Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 19. August 1992 sei er wegen einer Übertretung des Paßgesetzes 1969 bestraft worden, weil er am 8. Juni 1992 aus der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist sei, obwohl er nicht im Besitz des dafür erforderlichen Sichtvermerkes gewesen sei. Der Beschwerdeführer arbeite seit 4. März 1992 bei einem näher genannten Reinigungsunternehmen. Seine Töchter besuchten seit dem Schuljahr 1991/92 die Schule. Im Zuge der Ermittlungen in bezug auf die Ehe des Beschwerdeführers habe seine Ehefrau angegeben, sie habe mit dem Beschwerdeführer nicht zusammen gewohnt, die Ehe sei nie vollzogen worden. Sie habe für die Eheschließung verschiedene Geldbeträge erhalten. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung am 19. bzw. 26. Februar 1992 die Angaben seiner Ehefrau insoweit bestätigt, als er angegeben habe, mit ihr nie zusammen gewohnt und die Ehe nicht vollzogen zu haben. Er habe bloß bestritten, daß die von seiner Ehefrau genannte Person die Ehe vermittelt habe; auch über die Höhe der gezahlten Beträge habe er andere Angaben gemacht. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei zu dessen Angaben am 26. Februar 1992 neuerlich niederschriftlich vernommen worden, habe dabei ihre bisherigen Angaben aufrecht erhalten und berichtet, daß ihr vor wenigen Tagen vom Beschwerdeführer und dem Vermittler ein Betrag von S 5.000,-- angeboten worden sei, wenn sie ihre Angaben zurücknehme.
Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers bestehe im mißbräuchlichen Eingehen einer Ehe zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen, in der maßgeblichen Mitwirkung am rechtswidrigen Aufenthalt seiner Töchter und in seinem unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet seit 13. April 1992. Dieses Gesamtfehlverhalten rechtfertige die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle zwar einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, doch sei es zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers dringend geboten. Der Beschwerdeführer sei seit 1990 in Österreich und dementsprechend integriert. Er habe intensive familiäre Bindungen zu seinen Töchtern, die sich seit 29. August 1991 unerlaubt im Bundesgebiet aufhielten. Familiäre Bindungen habe er weiters zu seiner an einem anderen Ort in Tirol wohnenden Schwester und deren Ehegatten. Auf Grund des großen Gewichtes der maßgebenden öffentlichen Interessen wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Ehe rechtsmißbräuchlich, nämlich nur zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen, führt der Beschwerdeführer ins Treffen, daß die Ehe nicht als nichtig im Sinne des Ehegesetzes aufgehoben worden sei. Dies sei ein Indiz, daß eine "Heilung dieses allenfalls ursprünglichen Mangels" eingetreten sei. Die Aufhebungsklage könne zudem nur von jenem Ehegatten eingebracht werden, dessen Willensbildung mangelhaft gewesen sei, und sei zudem mit einem Jahr befristet (§ 40 EheG). Die Ehefrau des Beschwerdeführers könne daher keine Aufhebungsklage mehr einbringen. Wenn die belangte Behörde damit argumentiere, daß das Schließen von Scheinehen ein seit langem beobachtetes fremdenpolizeiliches Problem darstelle und daß kriminelle Banden gegen Entgelt diese Ehen organisierten, sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer im Ergebnis nicht Täter, sondern Opfer solcher Machenschaften geworden sei.
1.2. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die Sachverhaltsfeststellung, die Ehe sei nur zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen worden, zu wecken. Die belangte Behörde hat darauf hingewiesen, daß sich diese Feststellung sowohl auf die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers als auch auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu stützen könne. Dem tritt er nicht mit konkreten Argumenten entgegen.
Die von ihm in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellte Tatsache, daß die Ehe bisher nicht für nichtig erklärt oder aufgehoben worden sei, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Beurteilung, daß eine Ehe rechtsmißbräuchlich, weil ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen worden sei, die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe nicht voraussetzt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315, mwN). Damit ist auch der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen.
2. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Sinne des § 19 FrG dringend geboten, führt die Beschwerde nichts ins Treffen; seitens des Verwaltungsgerichtshofes bestehen diesbezüglich keine Bedenken (vgl. auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 21. Juli 1994).
3.1. Der Beschwerdeführer hält das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung für rechtswidrig. Er führt in diesem Zusammenhang seine Berufstätigkeit, den Schulbesuch seiner beiden Töchter und den Aufenthalt seiner Schwester und deren Ehemannes im Bundesgebiet ins Treffen.
3.2. Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich zu erwidern, daß die belangte Behörde diese Umstände ohnedies in ihre Überlegungen einbezogen hat, wobei festzuhalten ist, daß die Beziehungen des Beschwerdeführers zu seiner Schwester und seinem Schwager, die mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt leben, nicht vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG umfaßt sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0595, mwN). Wenn sie dennoch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Aufenthaltsverbot auch gemäß § 20 Abs. 1 FrG zulässig sei, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer die ihm zunächst erteilte Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet und die Möglichkeit, erlaubterweise in Österreich einer Beschäftigung nachzugehen, durch die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe erreicht hat, daß er seine Töchter nach Österreich nachgeholt hat, ohne daß diese die für einen dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Sichtvermerke besessen hätten, und schließlich daß er sich selbst seit mehr als zwei Jahren unerlaubt im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf sowie unter Bedachtnahme auf die Tatsache, daß die Töchter des Beschwerdeführers nie eine behördliche Bewilligung für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet besessen haben, kann sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach so langer Zeit widerspreche "geradezu dem Grundsatz von Treu und Glauben".
Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände ist die Auffassung der belangten Behörde nicht rechtswidrig, daß das hier maßgebliche öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen höher zu werten sei als die privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.
4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180682.X00Im RIS seit
11.07.2001