Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf teilweise Aufhebung von Verordnungen des Gemeinderates der Marktgemeinde Sollenau betreffend Änderungen des örtlichen Raumordnungsprogrammes mangels Legitimation der zukünftigen Eigentümerin von betroffenen GrundstückenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Verordnungen vom 17. Oktober 1989, TOP 2, und vom 22. Februar 1990, TOP 6, beschloß der Gemeinderat der Marktgemeinde Sollenau gemäß §22 Abs1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-1, eine Änderung des örtlichen Raumordnungsplanes dahingehend, daß für das auf der hiezu gehörigen Plandarstellung gekennzeichnete Grundstück in der Katastralgemeinde Sollenau die Widmung Materialgewinnungsstätte Tongrube mit der Folgenutzung Landwirtschaft festgelegt wurde. Damit wurde die vorher bestehende Folgenutzungsart Müllablagerungsplatz beseitigt.
2. Gestützt auf Art139 B-VG wird von der antragstellenden Gesellschaft die Aufhebung dieser Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Sollenau begehrt. Die antragstellende Gesellschaft betreibt - nach ihrer Darstellung - eine Deponie zur ausschließlichen Ablagerung von Aluminiumschlackenstaub im Gebiet der Stadtgemeinde Wiener Neustadt und hat die Erlaubnis für Abfallsammler und -behandler gemäß §15 Abfallwirtschaftsgesetz. Die von der angefochtenen Verordnung umfaßten Grundstücke stehen nicht im Eigentum der antragstellenden Gesellschaft. Auf diese bezog sich lediglich der "Entwurf" eines Kaufvertrages, den die antragstellende Gesellschaft und der Eigentümer der gegenständlichen Grundstücke am 3. Juli 1986 unterzeichneten. Danach sollte der "endgültige Vertrag ..., umgehend nach Vorliegen der Umwidmung der Grundstücke und einer positiven wasserrechtlichen Genehmigung abgeschlossen werden".
Die Umwidmung erfolgte mit Verordnungen der Marktgemeinde Sollenau vom 16. Oktober 1986 und vom 2. April 1987. Im September 1987 beantragte die antragstellende Gesellschaft die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie für Mineralstoffe auf den von der Umwidmung betroffenen Grundstücken, welche aufgrund eines negativen Amtsgutachtens verweigert wurde. (Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft war zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung noch nicht entschieden.) Dieses negative Amtsgutachten war Anlaß zur neuerlichen Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes durch die unter Punkt I. 1. genannten Verordnungen, deren Aufhebung der vorliegende Antrag begehrt.
3. Ihre Antragslegitimation begründet die antragstellende Gesellschaft damit, daß ihr auf Grund einer Vereinbarung mit den Liegenschaftseigentümern "ein durch die Genehmigung öffentlich-rechtlicher Verfahren bedingtes obligatorisches Anwartschaftsrecht auf den Erwerb von grundbücherlichem Eigentum an den die Deponie umfassenden Grundstücken" zustehe. Durch die bekämpfte Verordnung werde der Eintritt der Bedingung vereitelt und die Antragstellerin daher in ihrem Anwartschaftsrecht verletzt.
Der antragstellenden Gesellschaft sei es auch nicht zumutbar, gegen eine abweisende Berufungsentscheidung im anhängigen Wasserrechtsverfahren den Verfassungsgerichtshof nach Ausschöpfung des Instanzenzuges anzurufen, weil unabhängig von der Flächenwidmung im Instanzenzug nicht festgestellt werden könnte, ob das geänderte Projekt im übrigen bewilligungsfähig wäre.
4. Der Gemeinderat der Gemeinde Sollenau und die Niederösterreichische Landesregierung haben eine Äußerung erstattet und beantragen, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu aber als unbegründet abzuweisen.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Personen durch Regelungen eines Flächenwidmungsplanes, die sich auf nicht in ihrem Eigentum stehende Grundstücke beziehen, in ihrer Rechtssphäre nicht betroffen (VfSlg. 10793/1986). Die in den Antragsausführungen beschriebenen Auswirkungen der verordneten Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes stellen wirtschaftliche Reflexwirkungen dar, die die antragstellende Gesellschaft potentiell als zukünftige Eigentümerin beeinträchtigen könnten. Voraussetzung der Zulässigkeit des Individualantrages ist aber, daß im Fall der Gesetzwidrigkeit der Verordnung die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft aktuell beeinträchtigt wird (VfSlg. 8396/1978). Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, war der Antrag auf Verordnungsprüfung wegen Fehlens der Legitimation der antragstellenden Gesellschaft zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V412.1990Dokumentnummer
JFT_10079383_90V00412_00