TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/3 94/18/0557

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Veröffentlicht am 03.11.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 21. Jänner 1994, Zl. IIId-65604/94, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (der belangten Behörde) vom 21. Jänner 1994 wurde der dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, von der Bundespolizeidirektion Wien erteilte Sichtvermerk (mit Gültigkeitsdauer bis 25. September 1994) gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, für ungültig erklärt.

Der Beschwerdeführer, der am 21. September 1990 aus der Türkei ausgereist sei und sich einige Monate ohne gültigen Sichtvermerk und unangemeldet in Wien aufgehalten habe, habe am 20. August 1991 eine österreichische Staatsbürgerin zum Zweck der Erlangung einer Arbeits- und einer Aufenthaltsbewilligung geehelicht. Die Ehe sei am 21. September 1993 in beiderseitigem Einverständnis geschieden worden. Am 20. August 1993 habe die Gattin des Beschwerdeführers anläßlich einer Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Wien angegeben, daß sie diesen lediglich geheiratet habe, damit er eine Aufenthaltsbewilligung erhalte; sie habe den Beschwerdeführer nach der Hochzeit nicht mehr gesehen und auch nichts von ihm gehört. In seiner Stellungnahme vom 19. Oktober 1993 habe der Beschwerdeführer dazu vorgebracht, daß er seine Gattin aus Liebe geheiratet habe und sie auch nach der Trennung noch liebe; er sei nur dem Wunsch seiner Gattin entgegengekommen.

Da es der öffentlichen Ordnung widerspreche und einen evidenten Rechtsmißbrauch darstelle, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und sich durch eine Scheinehe die Aufenthaltsberechtigung erschleiche - letzteres ergebe sich aus den niederschriftlich festgehaltenen Angaben der Gattin des Beschwerdeführers -, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde, nachdem er deren Behandlung mit Beschluß vom 13. Juni 1994, B 1011/94-7, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 24. August 1994, B 1011/94-9).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2.1. Die Beschwerde macht der belangten Behörde zum Vorwurf, den Scheidungsakt nicht eingeholt und das Protokoll der Scheidungsverhandlung nicht gewürdigt zu haben. Stattdessen habe sie sich auf ein zweifelhaftes Protokoll der Bundespolizeidirektion Wien über eine offenbar in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführte Einvernahme der Gattin des Beschwerdeführers bezogen. Die belangte Behörde habe sich solcherart nur mangelhaft mit dem Verfahrensgegenstand auseinandergesetzt.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit auf. Zum einen bleibt vom Beschwerdeführer die Richtigkeit der Aussage seiner Gattin vor der Bundespolizeidirektion Wien unbestritten. Der aus dieser Aussage von der belangten Behörde gezogene Schluß, der Beschwerdeführer habe die Ehe nur geschlossen, um sich die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, begegnet keinen Bedenken, zumal in der Beschwerde nicht dargetan wird, daß und gegebenenfalls weshalb die besagte Aussage der Gattin des Beschwerdeführers nicht als Beweismittel hätte herangezogen werden dürfen. Der bloße Hinweis auf ein "zweifelhaftes Protokoll" entzieht sich einer argumentativen Auseinandersetzung. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer bei der Vernehmung seiner Gattin nicht anwesend gewesen sei, vermag für sich die Glaubwürdigkeit von deren Aussage nicht zu erschüttern; letzteres gilt auch für die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Stellungnahme des Beschwerdeführers zu dieser Aussage. Zum anderen verabsäumt es die Beschwerde darzulegen, inwiefern die Einholung des Scheidungsaktes und dessen Würdigung zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis geführt hätte, also die Relevanz des behaupteten Mangels aufzuzeigen.

3.1. Unter dem Titel "Mangelnde Präjudizialität der "Scheinehen"frage" vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß eine allfällige Scheinehe im Hinblick auf die Scheidung der Ehe am 21. September 1993 zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde "gar nicht mehr die Rechtsgrundlage des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Inland darstellen (konnte)". Die Argumentation des angefochtenen Bescheides gehe daher ins Leere.

3.2. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht nicht die Argumentation der belangten Behörde, vielmehr jene der Beschwerde ins Leere. Denn, wie der Gerichtshof schon wiederholt ausgeführt hat, die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stellt ein Verhalten dar, welches dazu führt, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet würde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0171, mwN). Daß die zu einem solchen Zweck geschlossene Ehe im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht mehr aufrecht war, ist demnach rechtlich unerheblich. Gleiches gilt für den - in der Beschwerde zusätzlich hervorgehobenen - Umstand, daß die Ehe des Beschwerdeführers nicht für nichtig erklärt, sondern einvernehmlich geschieden worden ist.

4.1. Was die - bei Heranziehung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gebotene - Berücksichtigung privater und familiärer Interessen anlangt, führt die Beschwerde nichts Zielführendes ins Treffen. Der Gerichtshof vermag nach Lage des Falles nicht zu erkennen, daß die Interessen des Beschwerdeführers derart gestaltet wären, daß sie nicht hinter dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens zurückzustehen hätten.

4.2. Der Behauptung des Beschwerdeführers, die Behörde greife nicht nur durch Ungültig(Nichtig-)Erklärung, sondern auch dann in das Familienleben ein, wenn sie dessen tatsächliches Fehlen behaupte und daraus Sanktionen "dritter Art" ableite, ist entgegenzuhalten, daß die nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z.4 FrG erforderliche Abwägung der öffentlichen gegen die privaten und familiären Interessen auch jenen Fall erfaßt, in dem keine zu Gunsten des Fremden zu berücksichtigenden Interessen aus dem Privat- und Familienbereich vorliegen. Inwiefern durch die Feststellung eines derartigen Sachverhaltes und (u.a.) darauf gründende Entscheidungen (hier: Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes) in das Familienleben des Fremden eingegriffen werde, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Unbeschadet des Vorgesagten ist festzuhalten, daß die Beschwerde kein Vorbringen dahin enthält, daß beim Beschwerdeführer ein Eingriff in das Familienleben vorliege, der seitens der belangten Behörde nicht entsprechend berücksichtigt worden sei.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180557.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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