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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der J, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. März 1994, Zl. SD 169/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in Somalia gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei; ihre Abschiebung nach Somalia sei somit zulässig. Die Beschwerdeführerin habe - so führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus - den Feststellungsantrag ursprünglich damit begründet, daß ihre Eltern umgebracht worden seien. Vor ihrer Abreise im Jänner 1993 habe sie sich in Somalia grundlos in Haft befunden und sei von Soldaten gefoltert, und zwar mit heißen Messern verletzt worden. Deshalb habe sie auch mehrere Narben am Körper. Ausschlaggebend für ihre Flucht sei auch der Bürgerkrieg in ihrem Heimatland gewesen. Es gäbe für die Zivilbevölkerung dort nichts mehr zu essen. Im Verfahren über den von ihr gestellten Asylantrag habe sie niederschriftlich angegeben, ihr Vater sei Soldat der Regierung gewesen. Er habe Lebensmittel an die Bevölkerung verteilt, sei jedoch im Bürgerkrieg getötet worden. Nachdem im November 1992 ihr Haus durch die Regierungssoldaten zerstört worden sei, seien sie und ihr Bruder eingesperrt worden. Beiden sei die Flucht gelungen. Weshalb die Beschwerdeführerin inhaftiert gewesen und weshalb sie mißhandelt worden sei, würde sie nicht wissen. Die Ursache dürfte darin liegen, daß ihr Vater Lebensmittel an die Bevölkerung verteilt habe. In der gegen den abweisenden Asylbescheid eingebrachten Berufung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, ihr Vater sei Armeeoffizier und Leiter einer Abteilung gewesen, die für Lebensmittelverteilungen in Somalia verantwortlich gewesen sei. Ein Mann in der Abteilung ihres Vaters habe heimlich diese Lebensmittel verkauft. Als ihr Vater dies entdeckt habe, habe er diesen Mann zur Rede gestellt. Dieser habe daraufhin falsche Anschuldigungen gegenüber ihren Vater erhoben, der deshalb verhaftet und im Gefängnis ermordet worden sei. Wegen der falschen Anschuldigungen seien auch sie und ihr Bruder verhaftet und ihr Haus zerstört worden. Im Gefängnis sei sie geschlagen und mit heißen Messern verbrannt worden. Sie hätte gestehen sollen, daß der Vater Lebensmittel verkauft habe, und sie sei bedroht worden, wie ihr Vater ermordet zu werden. Sie sei ungefähr ein Monat im Gefängnis gewesen, dann habe sowohl sie als auch ihr Bruder fliehen können. In Somalia sei sie Friseurin gewesen. Eine Kundschaft, die sie frisiert habe, sei zusammengebrochen und später im Krankenhaus gestorben. Deren Verwandte hätten die Beschwerdeführerin beschuldigt, sie habe die Frau ermordet "und hätten Sie bei der Polizei angezeigt zu werden." Im Falle ihrer Rückkehr würde sie um ihr Leben fürchten. Bei einer amtsärztlichen Untersuchung sei - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin "eine ca. 18 cm lange, horizontale SCHNITTnarbe (also keine Wunde nach Verbrennungen) am oberen Brustbereich in der Höhe des oberen Drittels des Sternums aufweise, jeweils an den äußeren Enden kleinflächige Narben wie bei STICHverletzungen. Im rechten Winkel gekreuzt mediane SCHNITTnarbe vom ca. 25 cm unterhalb des Kehlkopfbereiches beginnend bis ans distale Sternumende reichend. Am Rücken wurden vom Amtsarzt multiple kleinflächige Narben WIE NACH STICHVERLETZUNG und eine querlaufende ca. 9 cm lange Narbe in der Höhe des rechten Schulterblattes festgestellt". Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lasse nach Auffassung der belangten Behörde nicht erkennen, daß sie aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Ihr Leben oder ihre Freiheit sei in Somalia somit nicht im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG bedroht. Daß die Beschwerdeführerin in Somalia mit Todesstrafe bedroht wäre, lasse sich ihrem Vorbringen ebenfalls nicht entnehmen. Die Gefahr einer unmenschlichen Strafe scheine gleichfalls nicht gegeben, da aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht hervorgehe, weshalb sie allenfalls bestraft werden sollte. Wenn die Beschwerdeführerin geltend mache, sie würde Gefahr laufen, in Somalia einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu werden, und diesbezüglich auf ihr widerfahrene Folterungen verweise, sei ihr entgegenzuhalten, daß die seinerzeit herrschende Bürgerkriegssituation in Somalia durch die im Dezember 1992 stattgefundene UN-Intervention beendet worden sei. Es komme zwar immer wieder zu Kämpfen einzelner miteinander "verfeindeter" Clan-Mitglieder, dabei handle es sich jedoch nicht um eine "asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung". Selbst wenn die Beschwerdeführerin während der Zeit des Bürgerkrieges tatsächlich von Regierungssoldaten (und nicht etwa von Angehörigen einander bekämpfender feindlicher, nicht - staatlicher Gruppierungen) mißhandelt und gefoltert worden sein sollte, bedeute das noch nicht, daß sie, bei der derzeit nach der UN-Intervention gegebenen Situation, ein ähnliches Schicksal zu befürchten hätte. Nach der Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG sei nicht auf in der Vergangenheit gelegene Vorfälle abzustellen, sondern auf die aktuelle Bedrohungssituation. Eine solche scheine der belangten Behörde derzeit aber nicht mehr gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin bezeichnet es zwar als unrichtig, wenn die belangte Behörde vermeine, sie hätte keine tauglichen Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG vorgebracht; sie setzt aber der - zutreffenden - Beurteilung der belangten Behörde, ihr Vorbringen lasse nicht erkennen, daß sie in Somalia mit der Todesstrafe oder einer unmenschlichen Strafe im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG oder im Sinne des § 37 Abs. 2 leg. cit. bedroht sei, keine konkreten Einwende entgegen. Die Ausführungen in der Beschwerde zielen vielmehr auf eine Bekämpfung der Auffassung der belangten Behörde hin, die Beschwerdeführerin habe keine stichhaltigen Gründe für die Annahme geltend gemacht, daß sie in ihrem Heimatland der Gefahr unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sei. Die Beschwerdeführerin habe - so heißt es in der Beschwerde - vorgebracht, daß sie grundlos inhaftiert und während der Haft mißhandelt und gefoltert worden sei. Sie habe weiters geltend gemacht, daß sie sichtbare Foltermerkmale aufweise, die sich anläßlich der ärztlichen Untersuchung vom Dezember 1993 auch bestätigen ließen. Allein dieser Umstand zeige, daß sie der Gefahr unmenschlicher Behandlung in ihrem Heimatland ausgesetzt sei. Ferner sei sie in ihrem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt worden. Die belangte Behörde habe Sachverhaltsfeststellungen zur politischen Situation in Somalia getroffen, die ihr während des Verwaltungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht worden seien. Es sei ihr auch nicht Gelegenheit gegeben worden, hiezu innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Wäre das Parteiengehör gewahrt worden, hätte sie darlegen können, daß ungeachtet der UN-Intervention vom Dezember 1992 die politische Situation in Somalia nach wie vor unsicher sei und sie daher noch immer jenen Gefahren und jenem Schicksal ausgesetzt wäre, wie es ihr vor ihrer Flucht widerfahren sei.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darzutun. Im Verfahren über einen Antrag nach § 54 FrG hat der Fremde nämlich mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 (und/oder 2) FrG glaubhaft zu machten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0263, 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0316, und 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0339). Dem hat die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht entsprochen, weil aus ihrem Vorbringen nicht hervorgeht, welche Gründe die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie auch vor dem Hintergrund der seit ihrer Flucht aus Somalia eingetretenen, insbesondere durch die von der UNO initierte Militäraktion geprägten wechselhaften Ereignisse in ihrer Heimat nicht bloß der Gefahr von Übergriffen einzelner Machtträger, sondern einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten, individuell gegen sie gerichteten Bedrohung durch unmenschliche Behandlung ausgesetzt sei. Diesem Konkretisierungsgebot wird der allgemeine Hinweis auf die nach wie vor unsichere politische Situation in Somalia nicht gerecht.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180723.X00Im RIS seit
20.11.2000