TE Vfgh Beschluss 1992/6/17 B1100/91, G116/92

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/08 Sonstiges

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
AusschreibungsG 1989 §9
AusschreibungsG 1989 §11
AusschreibungsG 1989 §15
AusschreibungsG 1989 §15 Abs1
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Bescheidcharakter einer Erledigung betreffend Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Beschwerdeführers um die Funktion des Vorstandes eines Finanzamtes; kein Rechtsanspruch auf Betrauung mit ausgeschriebener Funktion; keine Parteistellung des Bewerbers; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des AusschreibungsG zur Gänze bzw näher angeführter Bestimmungen mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen bzw mangels Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.a) Der Beschwerdeführer steht als Beamter der Verwendungsgruppe A in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er bewarb sich - neben anderen Beamten - um eine der zur Besetzung ausgeschriebenen Funktionen des Vorstandes des Finanzamtes Steyr, des Finanzamtes Gmunden und des Finanzamtes Linz.

b) Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich richtete an ihn ein mit 12. August 1991 datiertes, "Für den Präsidenten" gefertigtes Schreiben folgenden Wortlauts:

"Ihrer Bewerbung um die Funktion des Vorstandes des Finanzamtes Steyr konnte nicht entsprochen werden."

In gleichlautenden, ebenfalls mit 12. August 1991 datierten Schreiben teilte die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich dem Beschwerdeführer mit, daß seinen Bewerbungen um die Funktionen des Vorstandes des Finanzamtes Gmunden und des Finanzamtes Linz nicht entsprochen werden konnte.

2. In seiner als "Beschwerde und Antrag gem. Art140 B-VG" bezeichneten Eingabe macht der Beschwerdeführer zum einen geltend, durch die erwähnten - von ihm als Bescheid gewerteten - Erledigungen der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf gleiche Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt zu sein. In diesem Zusammenhang stellt er abschließend den Antrag auf "Klaglosstellung als Partei im gegenständlichen Verfahren".

Zum anderen ficht der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art140 (Abs1) B-VG das Ausschreibungsgesetz 1989 - AusG, BGBl. 85/1989, "bzw. einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes" - in der Eingabe sind ausdrücklich die §§9, 11 und 15 angeführt - als verfassungswidrig an und stellt abschließend den Antrag, "das Ausschreibungsgesetz 1989 . . . zur Gänze, jedenfalls aber im Umfang der Bestimmungen der §§9, 11 und 15 dieses Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Über die Zulässigkeit der Beschwerde:

1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (s. etwa VfSlg. 4903/1965, 5731/1968, 6140/1970, 6252/1970, 6603/1971, 6821/1972, 7158/1973; vgl. etwa auch VfSlg. 7436/1974, 8861/1980, 10892/1986, 11077/1986).

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (s. etwa VfSlg. 5918/1969, 6187/1970, 9247/1981, 11415/1987, 11420/1987; s. etwa auch VwSlg. 9458 A/1977; VwGH 14.9.1981, 81/17/0133; 22.2.1991, 90/12/0277).

2. Diese Voraussetzungen sind bei den bekämpften Erledigungen nicht gegeben:

a) Sie weisen nicht die äußere Form eines Bescheides auf, da sie weder als Bescheid bezeichnet noch in Spruch und Begründung gegliedert sind.

b) Damit die Erledigungen dennoch als Bescheid gewertet werden können, müßte der Wille der Behörde, einen Bescheid zu erlassen, deutlich objektiv erkennbar sein (VfSlg. 6806/1972, 720, 9444/1982, 9520/1982). Ob dies der Fall ist, kann sich allenfalls auch daraus ergeben, ob die Behörde verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen (VfSlg. 9520/1982; vgl. etwa auch VfSlg. 9383/1982, 10119/1984, 10270/1984, 10368/1985).

c) Dies trifft bei den angefochtenen Erledigungen nicht zu.

§15 Abs1 AusG bestimmt ausdrücklich, daß der Bewerber keinen Rechtsanspruch auf Betrauung mit der ausgeschriebenen Funktion und keine Parteistellung hat. §15 Abs3 AusG ordnet an, daß die ausschreibende Stelle nach der Vergabe der Funktion alle Bewerber, die nicht berücksichtigt worden sind, hievon formlos zu verständigen hat.

Wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Bestimmung des §7 des Ausschreibungsgesetzes BGBl. 700/1974 - sie ist mit dem §15 Abs1 AusG inhaltsgleich - ausgesprochen hat, hat der Betrauung mit einer Funktion kein mit einer Partei (oder mit mehreren Parteien) durchzuführendes Verwaltungsverfahren voranzugehen und es kommt daher (auch) einem nicht zum Zuge gekommenen Bewerber keine Parteistellung zu (VfSlg. 9294/1981).

d) Bei dieser Rechtslage besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß die belangte Behörde die Absicht hatte - im Widerspruch zur geltenden Rechtslage - gegenüber dem Beschwerdeführer Bescheide zu erlassen.

3. Die bekämpften Erledigungen weisen somit weder die äußere Form eines Bescheides auf noch stellen sie sich ihrem Inhalt nach als normative Absprüche rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Art dar (vgl. etwa VfSlg. 8560/1979, 9125/1981, 11415/1987). Sie sind somit keine Bescheide. Damit fehlt es aber an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.

4. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen, sodaß sich die Beantwortung der Frage erübrigte, ob ihrer meritorischen Erledigung weitere Verfahrenshindernisse (etwa das Fehlen einer Bezugnahme auf den Art144 B-VG oder das Fehlen eines ausdrücklichen Antrages auf Aufhebung der bekämpften Erledigungen) entgegenstehen.

B. Über die Zulässigkeit des (Individual-)Antrages:

1. Der Antragsteller begehrt mit dem unter ausdrücklicher Berufung auf Art140 bzw. Art140 Abs1 B-VG gestellten (Individual-)Antrag die Aufhebung des AusG "zur Gänze, jedenfalls aber im Umfang der Bestimmungen der §§9, 11 und 15".

Zur Begründung seiner Antragslegitimation iS des Art140 Abs1 erster Satz B-VG bringt er lediglich vor, daß die vom ihm ausdrücklich angeführten Bestimmungen des AusG unmittelbar "in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen haben" und daß sie "ohne Erlassung eines Bescheides für den Beschwerdeführer wirksam geworden sind".

2.a) Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Zudem ist es notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Dies ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn der Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung steht (s. zB VfSlg. 9084/1981, 10251/1984, 10273/1984, 10481/1985).

b) §9 AusG regelt die Tätigkeit der Begutachtungskommission. Diese Vorschrift richtet sich ausschließlich an die Mitglieder der jeweiligen Begutachtungskommission. Der Antragsteller ist nicht Adressat dieser Norm. Es ist mithin von vornherein ausgeschlossen, daß sie die Rechtssphäre des Antragstellers tatsächlich, also nicht bloß behauptetermaßen, berührt. Schon aus diesem Grund fehlt dem Antragsteller hinsichtlich dieser Vorschrift die Antragslegitimation (vgl. etwa VfSlg. 8187/1977, 9761/1983, 10251/1984, 544, 11056/1986, 11369/1987; s. weiters zB VfSlg. 9275/1981).

c) §11 AusG ordnet an, daß auf das Verfahren der Begutachtungskommission näher bezeichnete Bestimmungen des AVG anzuwenden sind. Auch diese Norm hat offenkundig nicht den Antragsteller zum Adressaten, berührt also nicht seine Rechtssphäre. Der Antragsteller ist daher nicht legitimiert, diese Vorschrift mit einem (Individual-)Antrag nach Art140 Abs1 B-VG anzufechten.

d) Wie bereits unter II.A.2.c) dargelegt, kommt jemandem, der sich - wie der Antragsteller - um die Betrauung mit einer nach dem AusG auszuschreibenden Funktion bewirbt, keine Parteistellung zu. Dies schon deshalb, weil, wie der Verfassungsgerichtshof etwa in dem bereits erwähnten Erkenntnis VfSlg. 9294/1981 ausgeführt hat, die Betrauung mit einer Funktion nicht mit Bescheid zu erfolgen und ihr kein mit einer Partei (oder mit mehreren Parteien) durchzuführendes Verwaltungsverfahren vorauszugehen hat. Das bedeutet, daß die Rechtssphäre des Antragstellers auch durch die von ihm bekämpfte Vorschrift des §15 AusG nicht berührt wird, dessen Abs1 klarstellt, daß der Bewerber weder einen Rechtsanspruch auf Betrauung mit der ausgeschriebenen Funktion noch Parteistellung hat.

e) Der unter Berufung auf Art140 Abs1 B-VG gestellte Antrag richtet sich nicht allein gegen die §§9, 11 und 15 AusG, sondern auch gegen das AusG "zur Gänze", somit auch gegen alle übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes.

Ein (Individual-)Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt eines Gesetzes richtet, muß Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes "im einzelnen" (§62 Abs1 zweiter Satz VerfGG) darlegen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so liegt (nicht etwa ein formaler, einer Verbesserung zugänglicher Mangel, sondern) ein zur Zurückweisung führendes Prozeßhindernis vor (s. etwa VfSlg. 7593/1975, 522; VfGH 26.9.1988 G150/88; ferner (hinsichtlich der Anfechtung von Verordnungen) VfSlg. 8550/1979, 8955/1980, 11323/1987 mwH).

Der Antragsteller hat nun weder gegen alle Bestimmungen des AusG verfassungsrechtliche Bedenken dargelegt noch ausgeführt, warum die von ihm vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken das AusG "zur Gänze" betreffen.

Der (Individual-)Antrag leidet demnach insoweit an einem nicht verbesserungsfähigen Mangel.

Er war somit insgesamt wegen Fehlens der Legitimation bzw. wegen eines nicht verbesserungsfähigen Mangels zurückzuweisen.

C. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG sowie in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 litc VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Dienstrechtsverfahren, Parteistellung Dienstrecht, Dienstrecht, Ausschreibung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B1100.1991

Dokumentnummer

JFT_10079383_91B01100_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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