Index
L65000 Jagd Wild;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Juni 1993, Zl. 2540/1, betreffend Widerruf der Bestätigung als Jagdaufseher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Bestätigung als Jagdaufseher für die Eigenjagd T und die Genossenschaftsjagd S gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 32 lit. b Tiroler Jagdgesetz 1983, LGBl. Nr. 60 (JG), widerrufen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 1. April 1993 sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, er habe am 28. Oktober 1992 gegen 18.30 Uhr und somit zur Nachtzeit - nach der Legaldefinition des § 40 Abs. 1 Z. 5 JG eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang - auf ein Hirschkalb geschossen. Dabei habe er eine künstliche Lichtquelle, nämlich die Scheinwerfer eines Autos, verwendet. Obwohl das krankgeschossene Hirschkalb in das benachbarte Jagdgebiet übergewechselt sei, habe er es unterlassen, den Anschuß und die Stelle des Überwechseln kenntlich zu machen und den Vorfall unverzüglich dem Jagdausübungsberechtigten des Nachbarjagdgebietes zur Kenntnis zu bringen. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 40 Abs. 1 Z. 5 JG, § 40 Abs. 1 Z. 6 JG, § 48 Abs. 1 JG sowie § 11 Abs. 1 JG, jeweils iVm § 70 Abs. 1 JG begangen. Diese Strafverfahren seien noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, sondern behingen aufgrund einer Berufung des Beschwerdeführers beim unabhängigen Verwaltungssenat. Die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Übertretungen begangen habe, stelle eine wesentliche Grundlage für den Widerruf nach § 34 Abs. 1 JG dar. Die belangte Behörde setze aber das Verfahren nicht aus. Die dem erstinstanzlichen Verfahren zugrundegelegten Ermittlungsergebnisse seien nämlich nach Ansicht der belangten Behörde ausreichend, um zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Verhalten tatsächlich gesetzt habe, woraus sich ergebe, daß der Widerruf der Bestätigung als Jagdaufseher mangels Vorliegens der erforderlichen Zuverlässigkeit gerechtfertigt wäre.
Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme vor dem Gendarmerieposten eingestanden, keine Nachsuche des Wildes unternommen zu haben. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, daß es, als er den Schuß abgegeben habe, schwer dämmrig, aber noch nicht so dunkel gewesen sei, daß man einen Scheinwerfer benötigt habe; diese Aussage sei aber nach Ansicht der belangten Behörde eine Schutzbehauptung. Sie stehe im Widerspruch zu den übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen, welche die Zeugen J und A jeweils vor dem Gendarmerieposten und vor der Bezirkshauptmannschaft gemacht hätten. Nach den Angaben dieser Zeugen sei der Schuß nicht zu dem vom Beschwerdeführer angegebenen früheren Zeitpunkt, sondern um 18.30 Uhr abgegeben worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtige die belangte Behörde auch den Umstand, daß der Beschwerdeführer und der ihn begleitende H bei ihrer Ersteinvernahme vor der Gendarmerie teilweise geständig gewesen seien, auch wenn H in der Folge als Zeuge vor der Bezirkshauptmannschaft ausgesagt habe, er sei bei seiner Einvernahme am Gendarmerieposten eingeschüchtert gewesen und habe, nachdem er bereits das Protokoll unterschrieben gehabt habe, eine Richtigstellung nicht mehr durchführen können. H habe nämlich bei seiner ersten Einvernahme am Gendarmieposten zugestanden, das vom Beschwerdeführer angeschossene Hischkalb mit dem Scheinwerferlicht seines Pkw"s angestrahlt zu haben, und erklärt, daß er gewußt habe, daß bei Einbruch der Dunkelheit die Jagd nicht mit Scheinwerferlicht ausgeübt werden dürfe. Die belangte Behörde gehe somit im Rahmen der Vorfragenbeurteilung davon aus, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Übertretungen nach dem Tiroler Jagdgesetz tatsächlich begangen habe. Diese Übertretungen seien aber Ausdruck einer solchen Verhaltensweise und Charaktereigenschaft, die die Folgerung rechtfertigten, daß die für die Funktion eines Jagdaufsehers erforderliche Verläßlichkeit im Sinne des § 32 lit. b JG nicht mehr gegeben sei. Die für die Bestellung zum Jagdaufseher erforderliche Verläßlichkeit sei gerade im Hinblick auf die gemäß § 35 JG den ordnungsgemäß bestellten und bestätigten Jagdschutzberechtigten zugewiesenen Vollziehungstätigkeiten des Hoheitsbereiches, durch welche das Jagdschutzpersonal zum behördlichen Hilfsorgan mit polizeilichen Zwangsbefugnissen werde, besondere Bedeutung beizumessen. Es sei daher bei der Beurteilung der Verläßlichkeit eines Jagdaufsehers ein strenger Maßstab anzulegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 34 Abs. 1 JG lautet:
"Die Bestellung eines Jagdaufsehers oder Berufsjägers bedarf der Bestätigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Sie darf nur versagt werden, wenn eine der im § 32 angeführten Voraussetzungen nicht gegeben ist. Die Bestätigung ist zu widerrufen, wenn nachträglich ein Umstand bekannt wird oder eintritt, der die Bestätigung ausgeschlossen hätte."
Gemäß § 32 lit. b JG dürfen zu Jagdaufsehern oder Berufsjägern nur Personen bestellt werden, die die geistige und körperliche Eignung für die mit der Ausübung des Jagdschutzes verbundenen Aufgaben und die hiefür erforderliche Verläßlichkeit besitzen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei ein Strafverfahren betreffend die ihm zur Last gelegten Übertretungen des JG anhängig gewesen. Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 38 AVG das Verwaltungsverfahren betreffend Widerruf der Bestätigung der Bestellung als Jagdaufseher aussetzen können. Es stehe zwar im Ermessen der Behörde, ein Verfahren zu unterbrechen oder Vorfragen selbst zu beurteilen, dabei habe die Behörde aber zu prüfen, ob die jeweils vorliegenden Beweisergebnisse ausreichten, die Vorfrage tatsächlich selbst beurteilen zu können, oder ob es im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes angezeigt wäre, den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten. Der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, daß sich die belangte Behörde ernstlich diese Frage gestellt hätte. Die belangte Behörde hätte zudem berücksichtigen müssen, daß sich der Widerruf nach § 34 Abs. 1 JG für den Beschwerdeführer als Berufsverbot auswirke.
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheide zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens in der Vorfrage steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen (hg. Erkenntnisse vom 3. März 1964, 6260/A, und vom 15. September 1969, 7632/A). Im Rahmen der Ermessensübung wird dabei insbesondere der Aspekt der Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis einerseits und andererseits der Aspekt möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidung zu berücksichtigen sein (vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz. 310). Die belangte Behörde ist bei ihrer Ermessensentscheidung davon ausgegangen, daß nach ihrer Ansicht die dem erstinstanzlichen Verfahren zugrundegelegten Ermittlungsergebnisse für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Verhalten gesetzt habe, ausreichten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat sie somit bei der Ermessensübung berücksichtigt, ob sie auch ohne Unterbrechung des Verfahrens zu einer inhaltlich richtigen Entscheidung gelangen kann, und weiters auf den Aspekt der Raschheit und Einfachheit des Verfahrens Rücksicht genommen. Der Verwaltungsgerichtshof kann somit nicht erkennen, daß das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt worden wäre. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Entscheidung der belangten Behörde Auswirkung auf die Berufsausübung des Beschwerdeführers hat.
Mit dem weiteren Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer ausschließlich die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die von der belangten Behörde mit 18.30 Uhr angenommene Uhrzeit für die Abgabe des Schusses sei nicht erwiesen, hier stehe Aussage gegen Aussage. Wegen der zu dem von der belangten Behörde angenommenen Tatzeitpunkt herrschenden Dunkelheit hätte der Beschwerdeführer im übrigen keine Möglichkeit gehabt, zu erkennen, daß das Wild in das Nachbarrevier gewechselt sei. Es läge auch kein Nachweis dafür vor, daß es zu diesem Überwechseln des krank geschossenen Wildes gekommen sei, "bevor die Herren A, J und Dr. G mit der mitgebrachten großen Taschenlampe im Feld herumstöberten". Auch sei die Feststellung, der Beschwerdeführer habe das Wild unter Verwendung einer künstlichen Lichtquelle erlegt, unschlüssig, weil das betreffende Fahrzeug parallel zur Fahrbahn abgestellt worden sei, sodaß der Scheinwerferkegel keinesfalls ein mitten im Feld befindliches Wild erfassen habe können.
Dem Verwaltungsgerichtshof steht die Kontrolle der Beweiswürdigung nur insoweit zu, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z. B. eine den Beschwerdeführer belastende und nicht dessen Verantwortung entsprechende Sachverhaltsannahme den Tatsachen entspricht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Aufgrund der widerspruchsfreien Aussagen von J und A vor dem Gendarmerieposten und der Bezirkshauptmannschaft Schwaz sowie aufgrund der Aussage, die H einen Tag nach der gegenständlichen Tat vor dem Gendarmieposten machte, konnte die belangte Behörde sowohl den Zeitpunkt der Abgabe des Schusses als auch den Umstand, daß das Fahrzeug nicht parallel zur Fahrbahn, sondern zur Ausleuchtung des Feldes schräg zur Fahrbahn abgestellt war, in schlüssiger Weise ableiten. Die Beschwerde vermag somit Zweifel an der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu erwecken. Wechselt ein krankgeschossenes Schalenwild in ein benachbartes Jagdgebiet, so treffen den Schützen die Verpflichtungen nach § 48 JG auch dann, wenn die Flucht des Stückes nicht nur durch den Schuß verursacht ist. Ob der Beschwerdeführer das Überwechseln im gegenständlichen Fall beobachtet hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung, weil er auf Grund der Gegebenheiten jedenfalls damit rechnen mußte.
Da somit die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erweisen vermag, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Vorschriften über die Jagdbetriebsführung jagdliche Verbote krankgeschossenes Wild WildfolgeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993030202.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
03.01.2014