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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Oktober 1992, Zl. GA 5 - 2055/92, betreffend Jahresausgleich 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im 9. Wiener Gemeindebezirk wohnhafte Beschwerdeführer war im Streitjahr als öffentlich Bediensteter an einer im
22. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Dienststelle tätig und stand daneben noch in einem zweiten Dienstverhältnis, in dessen Rahmen er seine Dienste im 17. Wiener Gemeindebezirk zu verrichten hatte. Im Jahresausgleichsantrag für das Streitjahr machte er für die Fahrten zwischen der Dienststelle im 22. und jener im 17. Wiener Gemeindebezirk Kilometergelder als Werbungskosten mit der Begründung geltend, daß die Dienstzeit bei seinem ersten Arbeitgeber um 15.30 Uhr ende, bei seinem zweiten Arbeitgeber hingegen bereits um 16.00 Uhr beginne. Er müsse aus diesem Grunde die Strecke zwischen beiden Dienstorten mit dem Auto zurücklegen, da er den Weg in dieser kurzen Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht bewältigen könne.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid blieb dem Begehren des Beschwerdeführers im Instanzenzug ein Erfolg versagt. Ausgehend von der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß dem Beschwerdeführer die Benützung der Massenverkehrsmittel zumutbar sei, weil er einerseits bei seinem ersten Dienstgeber die Gleitzeit in Anspruch nehmen könne und dies im Streitjahr auch getan habe, und weil andererseits die Strecke zwischen dem
22. und dem 17. Wiener Gemeindebezirk in der Zeit vor 16.00 Uhr - also während des stärksten Verkehrsaufkommens - mit dem Kraftfahrzeug nicht in wesentlich kürzerer Zeit zurückgelegt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung; der Beschwerdeführer erklärt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf lohnsteuerliche Berücksichtigung seiner Fahrtaufwendungen als Werbungskosten und in seinen Verfahrensrechten als verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet es als verfehlt, daß die belangte Behörde die Berechtigung der von ihm geltend gemachten Werbungskosten nur auf der Basis der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 geprüft habe, während sich seine Berechtigung zur Geltendmachung des Kilometergeldes in Wahrheit aus der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 ergebe, weil seine Fahrtbewegungen als beruflich veranlaßte Reisen angesehen werden müßten. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung bietet seinem Anspruch keine geeignete Rechtsgrundlage. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Begriff der ausschließlich beruflich veranlaßten Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 wiederholt ausgesprochen, daß von einer Reise im Sinne dieser Gesetzesstelle nur im Falle einer Fortbewegung über den örtlichen Nahebereich hinaus gesprochen werden kann (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1992, 91/13/0094, mit weiteren Nachweisen), was für den Begriff der ausschließlich beruflich veranlaßten Reise im Sinne der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 unverändert zu gelten hat;
Ortsveränderungen innerhalb des Stadtgebietes von Wien können als Reisen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle weiterhin nicht angesehen werden.
Können die Fahrten des Beschwerdeführers von der einen zur anderen seiner Dienststellen demnach nicht, wie der Beschwerdeführer meint, als beruflich veranlaßte Reisen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 beurteilt werden, war es aber ebenso unzutreffend, sie als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 zu behandeln, wie die belangte Behörde dies getan hat. Daß der Beschwerdeführer zwischen der Beendigung der Dienstverrichtung beim ersten Dienstgeber und dem Dienstantritt beim zweiten Dienstgeber seine Wohnung aufgesucht hätte, hat die belangte Behörde nicht unterstellt und war auch sachverhaltsbezogen nicht anzunehmen. Zur Fiktion eines solchen Sachverhaltes bestand aber kein rechtlicher Grund.
Es stellen sich die Fahrten des Beschwerdeführers zwischen seinen beiden Dienststellen nämlich als Aufwand dar, der ihm zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erwuchs. Daß dieser Aufwand darauf zurückzuführen ist, daß der Beschwerdeführer ein zweites Dienstverhältnis eingegangen ist, ändert nichts daran, daß das Aufsuchen seiner jeweiligen Dienststellen zur Erhaltung des Flusses dieser Einkunftsquellen erforderlich war. Der damit verbundene Aufwand begründete absetzbare Werbungskosten auch dann, wenn diese Fahrten keinem der in den Einzeltatbeständen des § 16 Abs. 1 EStG 1988 typisierten Fahrtmodellen zu unterstellen waren (vgl. dazu auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, TZ 85 zu § 16 EStG 1988); ist doch der Werbungskostenkatalog der Einzeltatbestände des § 16 Abs. 1 EStG 1988, wie sich dies aus dem letzten Satz des Einleitungsabsatzes zweifelsfrei ergibt, nicht taxativ.
Für eine Prüfung der Erforderlichkeit der Benützung des eigenen Kraftfahrzeuges anstelle vorhandener Massenbeförderungsmittel unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten aber fehlt es außerhalb der im Beschwerdefall nicht anwendbaren Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1980, 2001/79).
Die eine Absetzbarkeit der geltend gemachten Kilometergelder als Werbungskosten dem Grunde nach ablehnende Beurteilung der belangten Behörde war somit rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992130281.X00Im RIS seit
28.11.2000