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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §15 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. September 1991, Zl. GA 5-1510/6/91, betreffend Erstattung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für das Kalenderjahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte beim Betriebsfinanzamt seines Arbeitgebers einen Antrag auf Rückerstattung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer betreffend das Kalenderjahr 1989. Als Dienstnehmer eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens habe er elektrischen Strom zu einem Preis von S 0,85 pro Kilowattstunde bezogen. Der Differenzbetrag zum Preis von S 1,65 pro Kilowattstunde sei zu Unrecht als Sachbezugswert angesetzt und der Lohnsteuer unterzogen worden.
Das Finanzamt wies den Antrag ab und nahm dabei bezug auf den amtlich festgesetzten Sachbezugswert von S 1,65 pro Kilowattsunde. In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß der amtlich festgesetzte Sachbezugswert "maßlos überhöht" sei. Der durchschnittliche Strompreis für Betreiber einer Elektroheizung betrage allgemein bloß S 0,83.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde ermittelte in der Folge durch Anfrage beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers jenen Betrag, der einer dritten Person als Preis für die Stromlieferungen in Rechnung gestellt worden wäre. Dabei wurden sowohl die Arbeitsbezugskosten (für Tages- und Nachtenergie getrennt) als auch die Grundpreiskosten und der Meßpreis berücksichtigt. Danach ergab sich als Strompreis, den eine dritte Person zu entrichten gehabt hätte, ein Betrag von S 20.483,35. Dieser Betrag war um S 8.023,70 geringer als jener, der sich bei Ansatz eines Strombezugspreises von S 1,65 pro Kilowattstunde ergeben hätte. Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer daher mit Schreiben vom 18. Dezember 1990 mit, der Sachbezug sei um S 8.023,70 geringer festzusetzen als bisher (statt mit S 11.287,82 nur mit S 3.264,12). Der Beschwerdeführer werde gebeten mitzuteilen, ob er unter diesen Umständen mit einer zweiten Berufungsvorentscheidung einverstanden sei.
Der Beschwerdeführer teilte daraufhin der belangten Behörde mit, ihr Schreiben lasse ihn "wieder an Gerechtigkeit glauben". Da sich aber sein Arbeitgeber weigere, ihn mit günstiger Nachtenergie zu beliefern, ersuche er, vom Ansatz eines Sachbezugswertes zur Gänze Abstand zu nehmen.
Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer nochmals auf, sein Einverständnis mit einer zweiten Berufungsvorentscheidung bekanntzugeben und wies ausdrücklich daraufhin, daß seinem Berufungsbegehren "im Sinne der Ausführungen im ho. Schreiben vom 18. Dezember 1990 stattgegeben werden" würde.
Der Beschwerdeführer war jedoch mit einer zweiten Berufungsvorentscheidung nicht einverstanden und blieb bei seinem Berufungsbegehren, wonach für die Stromlieferungen überhaupt kein Sachbezugswert anzusetzen sei.
Daraufhin wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie ihrer Entscheidung (ebenso wie die Abgabenbehörde erster Instanz) den kundgemachten Sachbezugswert von S 1,65 pro Kilowattstunde zugrundelegte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 sind geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen. Der übliche Mittelpreis des Verbrauchsortes ist der Betrag, den der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen, um sich die geldwerten Güter am Verbrauchsort im freien Verkehr zu beschaffen. Dieser Betrag ist jeweils in bezug auf die betroffene Besteuerungsperiode zu ermitteln, wie dies durch die Bewertung der Sachbezüge regelmäßig in Verordnungsform geschieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1987, 86/13/0205).
Im Beschwerdefall stützt sich die belangte Behörde auf die Verordnung der Finanzlandesdirektion für Steiermark, verlautbart mit Kundmachung des Bundesministers für Finanzen vom 25. Jänner 1989, Z. 07 0602/13-IV/7/88, betreffend die Bewertung der Sachbezüge für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn und für Zwecke der Sozialversicherung für den Bereich des Bundeslandes Steiermark ab 1. Jänner 1989 (im folgenden kurz als Verordnung bezeichnet).
In Abschnitt I Unterabschnitt C Z. 4 dieser Verordnung wird für den Bezug von elektrischem Strom ein Sachbezugswert von S 1,65 pro Kilowattstunde festgesetzt. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 1989 Strom im Ausmaß von 17.277 Kilowattstunden bezogen und dafür einen Betrag von S 17.219,23 bezahlt. Bei einem Ansatz von S 1,65 pro Kilowattstunde hätte sich ein Betrag von S 28.507,05 ergeben. In der Differenz, sohin im Ausmaß von S 11.287,82 wurde ein Sachbezugswert angesetzt.
Im Abschnitt II Abs. 2 der Verordnung wird allerdings ausdrücklich folgendes normiert:
"Wenn der tatsächliche Wert des vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährten Sachbezuges gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 im Einzelfall erheblich von dem amtlichen Sachbezugswert abweicht, kann beim Steuerabzug vom Arbeitslohn und für Zwecke der Sozialversicherung nicht von dem amtlichen Sachbezugswert, sondern nur von dem tatsächlichen Wert des Sachbezuges ausgegangen werden."
Der Gerichtshof geht davon aus, daß der belangten Behörde auch dieser Inhalt der von ihr zitierten Verordnung bekannt war, und daß sie Erhebungen durchgeführt hat, um festzustellen, ob im Einzelfall ein erhebliches Abweichen des tatsächlichen Sachbezugswertes vom Sachbezugswert laut Verordnung vorlag, sodaß letzterer nicht zum Ansatz zu kommen hatte. Das Ergebnis dieser Erhebungen, das zweifellos ein solches erhebliches Abweichen dokumentiert hat (Ansatz eines Sachbezugswertes von S 3.264,12 anstatt eines solchen von S 11.287,82) wurde von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer mitgeteilt. Gleichzeitig wurde ihm eine entsprechende Berufungserledigung in Aussicht gestellt. Weder den Verwaltungsakten noch dem angefochtenen Bescheid oder der Gegenschrift der belangten Behörde ist zu entnehmen, welche Gründe dafür sprachen, von der dem Beschwerdeführer in Aussicht gestellten Berufungsentscheidung, die dem ermittelten Sachverhalt und der Rechtslage entsprach, Abstand zu nehmen und die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid abzuweisen. Da es für den Gerichtshof schwer vorstellbar ist, daß die fehlende Bereitschaft des Beschwerdeführers, sich mit einer zweiten Berufungsvorentscheidung einverstanden zu erklären, Ursache für die Vorgangsweise der belangten Behörde gewesen wäre, hält es der Gerichtshof für möglich, daß die belangte Behörde - ohne dies allerdings in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen - die Berufung deswegen abgewiesen hat, weil sie der Meinung war, daß der tatsächlich festgestellte Sachbezugswert von dem in der Verordnung normierten nicht erheblich abgewichen ist. Aus diesem Grund sieht sich der Gerichtshof noch zu folgender Aussage veranlaßt:
Ein erhebliches Abweichen des im Einzelfall ermittelten Sachbezugswertes von dem im Verordnungsweg festgesetzten Sachbezugswert liegt JEDENFALLS bei einer Abweichung im Ausmaß von 100 % vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, 86/14/0022). Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob nicht bereits ein geringeres Abweichen, etwa ein solches im Ausmaß von 50 %, als erhebliches Abweichen anzusehen wäre. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes einen Strombezugspreis von "118,56 g/kWh" ermittelt. Würde man diesen Wert dem Sachbezugswert laut Verordnung von S 1,65/kWh gegenüberstellen, so könnte sich die Frage stellen, ob die Abweichung "erheblich" ist. Eine derartige Gegenüberstellung wäre jedoch verfehlt. Gegenüberzustellen sind nämlich die Sachbezugswerte selbst. Sachbezug ist aber jener geldwerte Vorteil, der dem Abgabepflichtigen tatsächlich zukommt. Bezieht ein Abgabepflichtiger Wirtschaftsgüter oder Leistungen zu einem verbilligten Preis, so liegt nur in der Verbilligung jener geldwerte Vorteil, der als Sachbezug der Besteuerung zu unterziehen ist. Im Beschwerdefall wurde der Vorteil des verbilligten Strombezuges, wie bereits erwähnt, beim Steuerabzug vom Arbeitslohn mit S 11.287,82 und von der belangten Behörde mit S 3.264,12 ermittelt. Daß dieses Abweichen aber ein erhebliches war, bedarf keiner weiteren Begründung.
Dadurch, daß die belangte Behörde trotz der festgestellten erheblichen Wertabweichung von dem in der Verordnung kundgemachten Sachbezugswert ausgegangen ist, hat sie gegen Abschnitt II Abs. 2 dieser Verordnung verstoßen und damit ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Der Zuspruch von Kosten in beantragter Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991130219.X00Im RIS seit
27.08.2001Zuletzt aktualisiert am
07.03.2011