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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmungeiner Verordnung der Medizinischen Universität Innsbruck betreffenddas Verfahren zur Vergabe der Plätze für Lehrveranstaltungen mitbeschränkter Teilnehmerzahl; bloß potentielle Betroffenheit derrechtlichen Interessen der Antragsteller; aktuelle Beeinträchtigungerst durch Akt der NichtzulassungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit ihrem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehren die Antrag stellenden Parteien ua.,
"Pkt 5.3 der Verordnung der Medizinischen Universität Innsbruck, die im Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Innsbruck, 39. Stück, Nr. 170[,] am 7. Juli 2006 kundgemacht wurde, zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben".
2. Die bekämpfte Bestimmung lautet - auszugsweise - wie folgt:
"5.3. Verfahren zur Vergabe der Plätze für Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl
Im 2. und 3. Studienabschnitt sind Lehrveranstaltungen mit einer beschränkten Teilnehmerzahl vorgesehen, d.s.
Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter und Praktika.
Die Festlegung der Teilnehmerzahl für solche Lehrveranstaltungen wird von der Vizerektorin/dem Vizerektor für Lehre und Studienangelegenheiten bzw. dem studienrechtlichen Organ vorgenommen, ein Minimum von 275 Plätzen für das Studium der Human- und Zahnmedizin pro Studienjahr darf aber nicht unterschritten werden.
5.3.1 Vergabemodus
Die Vergabe der Plätze erfolgt an 2 Stichtagen, wobei der
1. Stichtag der 31. Juli, der 2. der 20. September ist.
Die vorhandenen Plätze werden an jene Studierende[n] vergeben, die am ersten Stichtag die höchste Punktezahl nach dem folgenden Bewertungssystem erreicht haben. Für den Fall, dass nach dem ersten Stichtag noch freie Plätze zur Verfügung stehen, werden diese an jene Studierende[n] vergeben, die am zweiten Stichtag die höchste Punktezahl nach dem gleichen Bewertungssystem erreicht haben.
5.3.2 Bewertungssystem
Um eine objektive Vergabe der Plätze für die bis zur Absolvierung der SIP 2 vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl zu erreichen, gilt folgendes Bewertungssystem:
Zusätzlich zur SIP 1 können Punkte für die Bewertung der ersten Diplomprüfung aus (A) Lehrveranstaltungsprüfungen und (B) Beurteilungen von Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter erzielt werden. Das Ausmaß der aus (A) und (B) erzielbaren Punkte orientiert sich an der Benotung und dem Stundenumfang (in SSt) der Lehrveranstaltung und ist der untenstehenden Tabelle zu entnehmen.
Lehrveranstaltung SSt Punkte entsprechend
der Benotung[...]:
1 2 3 4
Umgang mit dem kranken Menschen (VO) 5 25 15 10
5
Umgang mit dem kranken Menschen (PR) 1 10 6 4
2
Propädeutikum
Medizinische Wissenschaft (PR) 0,5 5 3 2 1
Erste Hilfe (PR) 1 10 6 4 2
Bausteine des Lebens II (PR)
PR, Biochemie I 2 10 6 4 2
PR, Biologie 1 5 3 2 1
PR, Histologie 1 5 3 2 1
PR, Physik 1 5 3 2 1
Die erreichbaren Punkte in der 1. Diplomprüfung setzen sich somit zusammen aus:
Punkte Gewichtung
SIP 1 [...] 175 70%
Lehrveranstaltungsprüfungen
(= VO Umgang mit dem kranken Menschen) 25 10%
Lehrveranstaltungen mit
immanentem Prüfungscharakter 50 20%
(maximal erreichbar) 250 100%
Für eine eventuelle Wartezeit nach bestandener
1. Diplomprüfung wird ein Bonus von 20 Punkten pro angefangene[n] Studienjahr vergeben.
5.3.3 weiteres Vorgehen
Ab der SIP 2 erfolgt die Reihung zur Platzvergabe für Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl ebenfalls nach der erreichten Punkteanzahl, die sich aus einer analogen Berechnung der Ergebnisse der jeweils vorangegangenen SIP mit den dazugehörigen Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter, basierend auf entsprechenden Beschlüssen der Vizerektorin/des Vizerektors für Lehre und Studienangelegenheiten bzw. des studienrechtlichen Organs [...], ergibt.
5.3.4 Verhinderung von Studienzeitverzögerung
In Beachtung, dass den bei einer Anmeldung zurückgestellten Studierenden keine Verlängerung der Studienzeit erwächst[,] wird [F]olgendes festgelegt:
Studierenden, die trotz Erfüllung der Leistungskriterien [...] keinen Platz für eine Lehrveranstaltung mit beschränkter Teilnehmerzahl erhalten haben, können sämtliche andere Lehrveranstaltungen des jeweiligen Studienabschnitts und die freien Wahlfächer (15 SSt) absolvieren."
3. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen die Antrag stellenden Parteien im Wesentlichen Folgendes aus:
"Laut Mitteilung der Abteilung für Lehre und Studienangelegenheiten der Medizinischen Universität Innsbruck vom 20.9.2006 [...] wurde im Internet [...] ein Ranking [...] kundgemacht[,] welches die Zulassung zu allen Praktika und Übungen im zweiten Abschnitt des Diplomstudiums Humanmedizin regelt. Auf Grund dieses Rankings sind die bis Platz 336 gereihten StudentInnen zu allen Lehrveranstaltungen zugelassen und die Antragsteller als
342. [...], 343. [...], 345. [...], 347. [...] und 348. [...] nicht mehr.
Dieses Ranking ist bis zur nächsten Neureihung nach der nächsten SIP 1 Prüfung im Haupttermin am Ende des Sommersemesters 2007 verbindlich.
Dies bedeutet, dass die Antragsteller lediglich die 'Freien Wahlfächer' im Ausmaß von 15 Wochenstunden absolvieren dürfen und für alle sonstigen Studienfortschritte auf Grund fehlender Praktikums- und Übungsbestätigungen, die wiederum Voraussetzungen für Lehrveranstaltungsprüfungen darstellen, de facto gesperrt sind. Dadurch verlieren sie nahezu ein ganzes Studienjahr. Durch diese unverschuldete Studienverlängerung verschieb[en] sich nicht nur ihr Berufsantritt sowie ihre Pensionsberechnung, sondern ganz unmittelbar auch die Angehörigen-Mitversicherung[,] welche derzeit durch den Studienerfolg besteht.
Es besteht zwar die theoretische Möglichkeit[,] jede einzelne Nichtzulassung zu Praktika, Seminaren und Übungen über das Studienjahr verteilt jeweils über die Beantragung eines Bescheid[es] zu bekämpfen und sodann nach erschöpftem Instanzenzug an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten. Allerdings erscheint dies im Fall der Antragsteller untunlich und aus [nachfolgenden] Gründen mit einem übermäßige[n] und nicht zumutbaren Aufwand verbunden zu sein:
Zum Ersten steht den Antragstellern kein anderer Rechtsschutz offen, da sich aus der Formulierung im Studienplan ableiten lässt, dass eine Teilnahme an beschränkten Lehrveranstaltungen erst nach Zulassung möglich ist. Insofern ist ihnen auch bei Abwicklung eines bescheidmäßig zu erledigenden AVG-Verfahrens kein vorläufiger Rechtsschutz zugängig und ist jegliche verfahrenstechnische Verzögerung ausschließlich zu ihrem Nachteil auszulegen. Diese Situation wird noch dadurch verschärft, dass ein Vorziehen anderer Prüfungen insofern verwehrt ist, [als] dieses Ranking wie oben aufgezeigt für alle Pflichtlehrveranstaltungen mit Ausnahme der Freifächer gilt und somit zu einer 'flächendeckenden' Blockade führt.
Hier ist auch auf den Anmeldemodus zu Lehrveranstaltungen am Beispiel des Sezierkurses zu verweisen. Die Anmeldung zu einer Lehrveranstaltung erfolgt jeweils in kurzem Abstand vor ihrem tatsächlichen Beginn. So begann die Anmeldefrist zum Sezierkurs am 21.9.2006, der Sezierkurs startete aber bereits am 2.10.2006.
Bei keiner Lehrveranstaltung reicht der Zeitraum zwischen Anmeldung und Beginn der Lehrveranstaltung aus, um einen effektiven Rechtsschutz über ein Bescheidverfahren zu erreichen. Es ist auch nicht möglich, präventiv ein Anmeldungsverfahren zu einer zukünftigen Lehrveranstaltung durchzuführen, um einen ablehnenden Bescheid zu provozieren, da über eine Zulassung erst nach Ablauf der Anmeldefrist entschieden wird und dies sodann bereits in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beginn der jeweiligen Lehrveranstaltung steht. Damit ist jede Intervention auf dem Verwaltungsweg immer zu spät.
Hier ist auch auf [...] Punkt 1.2 des Studienplans zu verweisen: 'Der Studienplan ist dahingehend ausgelegt, dass nur bei Studienbeginn im Wintersemester die Pflichtlehrveranstaltungen in ihrer zeitlichen Abfolge aufeinander abgestimmt sind.'
Zum Zweiten sind die Folgen einer nahezu einjährigen Studiumsunterbrechung für die Antragsteller existentiell bedrohend. So ist ihnen die Unterbrechung des Studiums und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf Grund der familienbeihilfenrechtlichen Bestimmungen verwehrt bzw. mit dem Verlust der Mitversicherung verbunden und würde sich drastisch auf das fortzusetzende[...] Studium auswirken. Ebenso ist eine nahezu einjährige 'Stehzeit' im Hinblick auf einen zukünftigen Berufsantritt mit hohen finanziellen Nachteilen verbunden, die derzeit nur ansatzweise mit ca 25.000,- Euro brutto (dies entspricht dem Anfangsgehalt eines Turnusarztes) pro Antragsteller und Jahr beziffert werden können.
Zum Dritten hat der Verfassungsgerichtshof bereits in einigen Entscheidungen ausgesprochen, dass nicht in allen Fällen ein Ausschöpfen des Instanzenzuges notwendig ist, sondern in äußerst schwerwiegenden Fällen[,] bei denen ein nicht wiedergutzumachender Schaden einzutreten droht, seine direkte Anrufung möglich ist."
4. Die Medizinische Universität Innsbruck erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages begehrt. In dieser Äußerung wird ua. ausgeführt:
"Alle AntragstellerInnen haben durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter RA Dr. M W mit Schreiben vom 12.10.2006 einen Antrag auf Zulassung zu den gegenständlichen Lehrveranstaltungen mit beschränkter Platzzahl eingebracht.
Eine erstinstanzliche Entscheidung wurde noch nicht erlassen."
5. Das an den Vizerektor der Medizinischen Universität Innsbruck gerichtete Schreiben des Vertreters der Antrag stellenden Parteien vom 12. Oktober 2006 lautet im Wesentlichen wie folgt:
"Ich beantrage [...] die Ausfertigung von - entsprechend begründeten - Bescheiden über die Nichtzulassung meiner MandantInnen zu jenen Lehrveranstaltungen, die auf Grund des Rankings einer Teilnahmebeschränkung unterworfen sind."
II. 1. Zur Beurteilung des Antrages sind insbesondere die folgenden Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002 maßgeblich:
"Satzung
§19. [...]
(2) In der Satzung sind insbesondere folgende Angelegenheiten zu regeln:
[...]
2. Einrichtung eines für die Vollziehung der studienrechtlichen Bestimmungen in erster Instanz zuständigen monokratischen Organs;
[...]"
"Begriffsbestimmungen
§51. (1) In Vollziehung der Studienvorschriften werden die Universitäten im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig.
(2) Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:
[...]
24. Curriculum ist die Verordnung, mit der das Qualifikationsprofil, der Inhalt und der Aufbau eines Studiums und die Prüfungsordnung festgelegt werden.
[...]"
"Bakkalaureats-, Magister-, Diplom und Doktoratsstudien
§54. [...]
(8) Im Curriculum ist für Lehrveranstaltungen mit einer beschränkten Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Anzahl der möglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie das Verfahren zur Vergabe der Plätze festzulegen. Dabei ist zu beachten, dass den bei einer Anmeldung zurückgestellten Studierenden daraus keine Verlängerung der Studienzeit erwächst. Im Bedarfsfall sind überdies Parallellehrveranstaltungen, allenfalls auch während der sonst lehrveranstaltungsfreien Zeit, anzubieten.
[...]"
2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Satzung der Medizinischen Universität Innsbruck lauten wie folgt:
"§1
An der Medizinischen Universität Innsbruck wird für die Vollziehung der studienrechtlichen Bestimmungen in erster Instanz ein Studienrechtliches Organ als monokratisches Organ eingesetzt.
§2
(1) Dem Studienrechtlichen Organ obliegt die bescheidmäßige Erledigung aller studienrechtlichen Angelegenheiten nach Universitätsgesetz 2002, soweit das Gesetz dafür keine anderen Zuständigkeiten festlegt.
[...]"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. Die hier bekämpfte Verordnungsbestimmung regelt die Kriterien, die für die Zulassung zu Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl maßgeblich sind. Hiedurch werden die rechtlichen Interessen der Antrag stellenden Parteien bloß potentiell betroffen, aktuell ist ihre Rechtssphäre hingegen erst durch den Akt der Nichtzulassung beeinträchtigt.
3. Der vorliegende Antrag ist somit mangels Antragslegitimation der einschreitenden Parteien gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Hochschulen, SatzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:V76.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009