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L69316 Wasserversorgung Schongebiet Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Leoben, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. April 1993, Zl. 512.922/01-I5/93, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei:
X-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 15. Juni 1990 beantragte die mitbeteiligte Partei (MP) die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Tankstellen-Gebäudes inklusive eines überdeckten Betankungsplatzes einschließlich der erforderlichen Abstellplätze und Abwasseranlagen lt. beigelegten Ausführungsplänen, technischen Beschreibungen und technischen Unterlagen auf den Grundstücken Nr. 359, inneliegend der Liegenschaft EZ. 56 KG S, und Nr. 363/1, 363/1, inneliegend der Liegenschaft EZ. 8 KG U. Diese Grundstücke liegen innerhalb des mit Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Jänner 1965, LGBl. Nr. 39, zur Sicherung des künftigen Trinkwasserbedarfes und zum Schutze der Wasserversorgungsanlage der Stadt Leoben im Raume von Leoben-Winkl auf Grund der §§ 34 Abs. 2 und 35 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215 (WRG 1959), festgesetzten Grundwasserschongebietes. In der von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz gemäß §§ 32 Abs. 2 lit. a, 99 Abs. 1 lit. a und d und 107 WRG 1959 anberaumten und am 12. November 1990 durchgeführten wasserrechtlichen Bewillungsverhandlung erhob die Beschwerdeführerin folgende Einwendungen:
"Unter Hinweis auf die bereits zitierte Schongebietsverordnung betreffend die Wasserversorgungsanlage "Winkl" bringt die Stadtgemeinde Leoben vor, daß das gegenständliche Projekt im Kernbereich des Schongebietes zu liegen käme. Da durch die WVA "Winkl" die gesamte Stadt Leoben mit Trinkwasser versorgt wird, kann dem verhandlungsgegenständlichen Vorhaben die Zustimmung nicht erteilt werden.
Es wird darauf hingewiesen daß auch ein Verfahren gemäß § 31a WRG erforderlich erscheint.
Sollte die Wasserrechtsbehörde die Anlage (Tankstelle und Raststättenbetrieb einschließlich anfallender Abwässer) dennoch bewilligen, so behält sich die Stadtgemeinde Leoben die vollkommene Klag- und Schadloshaltung für jegliche Beeinträchtigung der WVA "Winkl" durch das gegenständliche Vorhaben einschließlich aller Folgekosten, die durch eine derartige Beeinträchtigung entstehen können, vor.
Im Falle der Bewilligung des Vorhabens wäre die Trinkwasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung des Ortsteiles Auwald wünschenswert."
In der Folge schränkte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz das Verfahren auf die - durch das von der MP vorgelegte Projekt umfaßte - Mineralöllagerung und Oberflächenentwässerung ein. Zum Ergebnis der über diesen Verfahrensgegenstand am 14. August 1991 durchgeführten Bewilligungsverhandlung nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. September 1991, bei der Wasserrechtsbehörde erster Instanz eingelangt am 23. September 1991, wie folgt - soweit entscheidungswesentlich - Stellung:
"...
Es darf nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Errichtung der verfahrensgegenständlichen Tankstelle im Schongebiet der Trinkwasserversorgungsanlage Winkl abgelehnt wird. Dies deshalb, da die Wasserversorgungsanlage Winkl die Haupttrinkwasserversorgung der Bewohner der Stadt Leoben darstellt.
Es mag richtig sein, daß im Falle der nachweislichen Beeinträchtigung dieser Versorgungsanlage durch die Tankstelle von der Eigentümerin Schadenersatz zu leisten ist. Dies ändert jedoch nichts an dem Faktum, daß im Falle einer Verunreinigung des Trinkwassers, die Wasserversorgung für die gesamte Stadt Leoben ausfällt.
Die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Verunreinigung des Trinkwassers der Stadt Leoben ist auch in den Schlußfolgerungen der Stellungnahme des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung IIIa, vom 10.4.1991 nicht vollständig ausgeschlossen."
Mit Bescheid vom 28. November 1991 erteilte der Landeshauptmann von Steiermark als Wasserrechtsbehörde erster Instanz der MP gemäß §§ 31a, 32 Abs. 2 lit. a, 34, 99 Abs. 1 lit. d und e, 107 und 111 WRG 1959 "die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Tankstelle mit Raststätte auf den Grundstücken Nr. 363/1 und 359, KG S, gelegen im Schongebiet zum Schutz der Wasserversorgungsanlage der Stadt Leoben im Raum Leoben-Winkl, mit a) unterirdischer Lagerung von Mineralölprodukten im Ausmaß von insgesamt 140.000 l in 4 doppelwandigen Behältern und b) Ableitung von mechanisch gereinigten Oberflächenwässern aus dem Betankungsbereich und den Parkflächen im max. Ausmaß von 53 l/s bei einem Bemessungsregenereignis von 150 l/s, ha in die Mur, befristet auf 20 Jahre, das ist bis zum 31. Dezember 2011 nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Planunterlagen und des in der Begründung enthaltenen Befundes" unter in diesem Bescheid näher beschriebenen Auflagen. Zur Begründung führte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz nach Beschreibung der Anlage im wesentlichen aus, projektgemäß seien besondere Schutzmaßnahmen für das Grundwasser vorgesehen, weshalb aus wasserbautechnischer Sicht dem beantragten Standort zugestimmt werden könne. Die Domschächte der Tanks würden mit diesen fix verschweißt (dicht), unter den Zapfsäulen sei eine durchgehende Fundamentplatte zu errichten, die Verrohrungen der Treibstoffleitungen würden in doppelter Ausführung (dichtes Hüllrohr) ausgeführt, diese doppelwandige Verrohrung sei mit einer Gassprüheinrichtung zu versehen, sämtliche Oberflächenwässer, die durch Treib- oder Schmierstoffe aus dem Tankstellenbereich kontaminiert sein könnten, würden über Ö-Norm-gerechte Abscheideanlagen mit Restölfilter geführt und anschließend nicht zur Versickerung gebracht, sondern direkt dem Vorfluter Mur zugeführt, die Lagerbehälter seien durchgehend doppelwandig gemäß Ö-Norm C 2110 DA mit Leckanzeige auszuführen. Eine Servicestation und eine Waschstraße sei nicht geplant. Zusätzlich sei der gesamte Anlagenbereich, von dem eine Gefährdung des Grundwassers ausgehen könnte (Tankstelle, Lager und Manipulationsflächen) durch eine dicht verschweißte Folienwanne gegenüber dem Untergrund abgedichtet. Diese Folienwanne ermögliche auch eine jederzeitige Kontrolle, ob etwaige Schmutzstoffe in den Untergrund eingetreten seien. Sämtliche Flächen, auf denen Kontaminationen mit Schadstoffen, insbesondere mit Mineralölen, teilweise anzunehmen seien, wie Betankungs- und Parkflächen, würden über eine dem Stand der Technik entsprechende Mineralölabscheideanlage mit Restölabscheider entwässert; es sei damit eine Reinigungsleistung, die die Einhaltung des in der Emissonsordnung angegebenen Grenzwertes für Gesamtkohlewasserstoffe von 10 mg/l garantiere, anzunehmen, wenn die Einleitung in einen Vorfluter wie die Mur erfolge. Einer breitflächigen Verrieselung der Oberflächenwässer von den Zufahrtsstraßen über dem angrenzenden grünen Gelände könne aus wasserbautechnischer Sicht zugestimmt werden, da die erfahrungsgemäß als gering anzunehmenden Verunreinigungen von der aktiven Bodenschicht absorbiert und abgebaut würden. Die Tankstellenanlage und die Oberflächenentwässerungsanlage würden nach dem Stand der Technik mit höchstem Standard der Grundwasserschutzeinrichtungen errichtet und durch die Maßnahmen auf Grund der Schutzeinrichtungen und der hydrogeologischen Gegebenheit sei eine Beeinträchtigung sowohl für die Brunnenanlage der Stadt Leoben im Raum Leoben-Winkl als auch für die Hausbrunnen im Bereich der Auwaldsiedlung und dem Anwesen S. auszuschließen.
In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wird auf die Stellungnahme der Fachabteilung IIIa der Wasserrechtsbehörde erster Instanz verwiesen, aus welcher sich ergebe, daß im Tankstellenbereich unbedingt jede Versickerung von Abwässern aller Art, mit Ausnahme von Niederschlagswässern aus den Dachflächen, zu unterbleiben habe und die aus den Reinigungsanlagen abzuleitenden Wässer den allgemeinen Anforderungen des Gewässerschutzes zu entsprechen hätten. Die Behörde hätte auf Grund der vorliegenden Gutachten erkennen müssen, daß eine Beeinträchtigung des Grundwassers und somit des Trinkwassers der Stadt Leoben auch bei Einhaltung der von den Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen möglich sei. Es sei zwar anzunehmen, daß auf Grund der technischen Vorkehrungen, die in den Auflagen getroffen würden, die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Grundwassers und somit der Trinkwasserversorgung gering gehalten werde, eine vollkommen 100-prozentige Sicherheit für die Trinkwasserversorgung der Stadt Leoben sei jedoch dadurch nicht gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und setzte die Bauvollendungsfrist gemäß § 112 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 mit 31. Dezember 1995 neu fest.
Die belangte Behörde holte zuvor ein weiteres Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein. Dieser Sachverständige führte aus, daß aus fachlicher Sicht zwischen den Gutachten der Fachabteilung IIIa (wasserwirtschaftliche Raumplanung) der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom 10. April 1991 und der gutächtlichen Äußerung des wasserbautechnischen Amtssachverständigen der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom 14. August 1991 kein Widerspruch bestünde. Auf Grund der schwerwiegenden Konsequenzen für das Wasservorkommen im Fall eines Gebrechens sowie auf Grund der Gefahren bei der Manipulation mit Mineralölen sei jedoch letztlich die Errichtung einer Tankstelle im Schongebiet auch unter Vorschreibung entsprechender Anordnungen (gemeint offensichtlich Auflagen) nicht zu befürworten. Nach einer von der MP eingeholten Stellungnahme ergänzte der Amtssachverständige der belangten Behörde, die im gegenständlichen Pojekt vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen beschränkten sich lediglich auf den unmittelbaren Tankstellenbereich und ließen die darüberhinausgehenden, durch die geplante Anlage (Maßnahme) bedingten Gefahren für das Grundwasser unberücksichtigt. Die alleinige Berücksichtigung einer vor Ort vorhandenen und möglicherweise lokal beherrschbaren Grundwassergefährdung werde dem Anspruch nach gesamtheitlicher Beurteilung eines bestimmten Vorhabens unter Einbeziehung des Summationseffektes möglicher Gefahren nicht gerecht. Aus fachlicher Sicht habe das öffentliche Interesse der Widmung des Grundwasservorkommens dieses Gebietes für Trinkwasserzwecke absolute Priorität vor dem privatwirtschaftlichen Ziel der Errichtung und des Betriebes einer Tankstelle. Vorschreibungen, die einen Ausgleich der divergierenden Interessen herbeizuführen in der Lage wären, seien aus fachlicher Sicht unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht vorstellbar. Die Beschwerdeführerin ergänzte in ihrer Stellungnahme vom 25. Februar 1993, daß das gegenständliche Vorhaben in der Mur-Mürz-Furche liege, welches eine Erdbebenlinie darstelle.
In ihren rechtlichen Erwägungen ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführerin gemäß § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 iVm § 12 Abs. 2 leg. cit. Parteistellung zukomme, da sie Wasserbenutzungsberechtigte hinsichtlich der Wasserversorgungsanlage Winkl, in deren Schongebietsbereich die geplante Tankstelle errichtet werden solle, sei und eine Berührung dieses Rechtes nicht von vorneherein auszuschließen gewesen sei. Die Wasserrechtsbehörde könne gemäß § 105 Abs. 2 WRG 1959 in verstärktem Ausmaß öffentliche Interessen, insbesonders auch im Hinblick auf § 103 lit. l WRG 1959 berücksichtigen. Die Behörde sei verpflichtet, bei Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung eine Abwägung dahingehend vorzunehmen, ob das geplante Vorhaben öffentlichen Interessen widerspreche, jedoch auch einen Ausgleich unter den bei einem Vorhaben berührten öffentlichen Interessen zu finden. Stehe ein Vorhaben öffentlichen Interessen nicht entgegen, habe der Konsenswerber einen Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten wasserrechtlichen Bewilligung. Im gegenständlichen Fall komme dem Grundwasserschutz gemäß § 30 Abs. 1 WRG 1959 erhöhte Bedeutung zu, da das geplante Projekt in einem Schongebiet liege. Ein generelles Bewilligungsverbot für die Errichtung und den Betrieb von Tankstellen werde jedoch durch diese Verordnung nicht ausgesprochen. Der Sachverständige der Wasserrechtsbehörde erster Instanz komme in seinem Gutachten zu dem zweifelsohne nachvollziehbaren Schluß, daß eine direkte Gefährdung der Brunnen Leoben-Winkl durch die Errichtung der Tankstellenanlage in der projektsgemäßen Form nicht gegeben sei. Die Rahmenbedingungen erschienen im gegenständlichen Fall äußerst günstig. Die Behörde müsse sich damit auseinandersetzen, ob eine Anlage dem Stand der Technik entspreche bzw. technisch machbar sei. Daß letzteres der Fall sei, ergebe sich aus den eingereichten Projektsunterlagen im Zusammenhang mit den Ausführungen des Sachverständigen der Wasserrechtsbehörde erster Instanz. Die gegenständliche Anlage soll mit dem höchsten Standard an Grundwasserschutzeinrichtungen ausgerüstet werden, weshalb eine Beeinträchtigung auf Grund dieser Einrichtung sowie der hydrogeologischen Gegebenheiten sowohl für die Brunnenanlage der Stadt Leoben im Raum Leoben-Winkl als auch für die Hausbrunnen im Anwesen S. auszuschließen sei. Auch der wasserbautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde habe die aufgezeigten Sicherheitsvorkehrungen nicht in Abrede gestellt, unterschiedliche Auffassungen bestünden grundsätzlich nur in der unterschiedlichen Wertung der Schutzerfordernisse für das gegenständliche Grundwasservorkommen. Hinsichtlich der Lage des gegenständlichen Gebietes im Bereich einer Erdbebenlinie erweise sich das Berufungsvorbringen als "präkludiert".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete ebenso wie die MP eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, "als durch die rechtswidrige Präklusion ihrer Substantiierung des Berufungsvorbringens der rechtserhebliche Sachverhalt für die Beurteilung des geplanten Vorhabens mangelhaft ermittelt geblieben ist. Außerdem wurde durch die Beurteilung des Vorhabens nach dem Stand der Technik der Stadtgemeinde Leoben als Inhaberin eines Grundwassernutzungsrechtes zur Versorgung der Stadt Leoben mit Trinkwasser der Rechtsschutz, wie er ihr nach dem Wasserrechtsgesetz zusteht, verwehrt (§ 12 Abs. 2 WRG)". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, die Annahme der belangten Behörde, das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die gegenständliche Anlage in einer Erdbebenlinie liege, sei präkludiert, sei rechtsirrig erfolgt, da es sich hiebei nicht um ein weiteres neues Vorbringen der Beschwerdeführerin handle, vielmehr dieses Vorbringen eine Substantiierung ihres Berufungsvorbringens "Gefährdung des Grundwassers und somit Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Stadt Leoben" darstelle. Im übrigen hätte dieses Sachverhaltselement von der Wasserrechtsbehörde auf Grund "der materiellen Beweiswürdigung von Amts wegen" geprüft werden müssen. Die Berufungsbehörde habe darüberhinaus den Sachverhalt einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung deshalb zugeführt, da sie bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens davon ausgegangen sei, daß in der Verordung zum Schutz der Trinkwasserversorgung W ein generelles Verbot der Errichtung von Tankstellen nicht vorgesehen sei. Dies berechtige jedoch die Behörde noch nicht zur Annahme, daß die Errichtung von Tankstellen im Schutzgebietsbereich grundsätzlich erlaubt sei. Diesbezüglich sei eine genauere Abwägung der öffentlichen Interessen gemäß § 105 WRG 1959 vorzunehmen und der Umstand der potentiellen Gefährdung der Wasserversorgungsanlage und somit der Trinkwasserversorgung für die gesamte Stadt Leoben genauestens zu prüfen. Gerade dem Umstand der Trinkwassergefährdung habe die Behörde bei der Prüfung zu wenig Rechnung getragen. Dies deshalb, da nicht berücksichtigt worden sei, daß die Trinkwassernutzung standortgebunden sei, hingegen die Errichtung von Tankstellen lediglich dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung bei der Standortsuche folge. Auch wenn die Anlage dem Stand der Technik entspreche, komme doch der Trinkwasserversorgung absolute Priorität zu. Der Stand der Technik biete nur die Wahrscheinlichkeit einer Sicherheit, Beeinträchtigungen des Grundwassers und somit der Trinkwasserversorgung könnten aber nicht völlig ausgeschlossen werden. § 31a WRG 1959, welche Bestimmung der Bewilligung zugrundeliege, sehe im übrigen die Berücksichtigung des Standes der Technik bei der Prüfung der Anlage nicht vor. Im Falle einer Beeinträchtigung komme es auch nicht so sehr auf den erlittenen "Schaden", vielmehr darauf an, daß eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern im Schadensfalle "keine" Trinkwasserversorgung habe. Allein dieses Argument müsse ausreichen, um eine nicht standortgebundene Anlage mit einem beträchtlichen Gefährdungspotential (hier 140.000 l Benzin) im Schutzgebiet einer Trinkwasserversorgungsanlage zu untersagen, auch wenn die bezugshabende Verordnung diesbezüglich kein generelles Verbot hiefür vorsehe.
Diesem Vorbringen kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Die Wasserrechtsbehörden gingen bei der Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung des Projektes der MP von den §§ 31a und 32 Abs. 2 lit. a WRG und der Schongebietsverordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Jänner 1965, LGBl. Nr. 39, aus. Gemäß § 31a Abs. 1 WRG 1959 sind Stoffe, die zufolge ihrer schädlichen Eigenschaften für den Menschen und für Wassertiere und -pflanzen, insbesondere wegen Giftigkeit, geringer biologischer Abbaubarkeit, Anreicherungsfähigkeit, sensorischer Auswirkungen und Mobilität, bei Einwirkung auf Gewässer deren ökologische Funktionsfähigkeit oder Nutzbarkeit, vor allem zur Wasserversorgung, nachhaltig zu beeinträchtigen vermögen, wassergefährdend. Gemäß Abs. 2 leg. cit. gelten als Stoffe Einzelstoffe, gebraucht und ungebraucht, sowie deren Gemenge, Gemische und Lösungen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für Land und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten durch Verordnung Stoffe (Stoffgruppen) der im Abs. 1 beschriebenen Art zu bezeichnen und für diese Mengenschwellen festzulegen, zu deren Überschreitung die Lagerung, Leitung und der Umschlag einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf. Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist unter Umschlag das Umladen oder Umfüllen wassergefährdender Stoffe im Rahmen einer Erwerbstätigkeit zu verstehen. Gemäß Abs. 5 lit. a leg. cit. ist für die Bewilligung und Aufsicht zuständige Behörde in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten (§§ 34, 35, 37 und 54) die Wasserrechtsbehörde (§§ 98 ff).
Gemäß § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Gemäß Abs. 2 lit. c leg. cit. bedürfen der Bewilligung im Sinn des Abs. 1 jedenfalls Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird.
Gemäß § 1 der aufgrund der §§ 34 Abs. 2 und 35 WRG 1959 erlassenen Schutzgebietsverordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Jänner 1965, LGBl. Nr. 39, wurde zur Sicherung des künftigen Trinkwasserbedarfes und zum Schutze der Wasserversorgungsanlage der Stadt Leoben auf Grundparzelle Nr. 1055, KG P, im Raume von Leoben-Winkl ein Grundwasserschongebiet (§ 2) bestimmt. Nach § 3 Z. 1 dieser Verordnung bedürfen im Schongebiet nachstehende Maßnahmen vor ihrer Durchführung einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde:
die Errichtung, Erweiterung oder wesentliche Änderung von gewerblichen, industriellen oder sonstigen Anlagen, wenn hiedurch eine Verunreinigung des Grundwassers oder obertägiger Gewässer mit chemisch oder biologisch nicht oder schwer abbaubaren Stoffen verursacht werden kann: hierunter fallen insbesondere Tankstellen, die Lagerung und unterirdische Leitung von Mineralölen, die Lagerung von Teer und Kohle im Freien sowie die Lagerung von anderen für das Grundwasser gefährlichen Stoffen; ausgenommen von der Bewilligungspflicht ist die Lagerung von Treibstoffen bis 800 l in höchstens 200 l fassenden verschließbaren Stahlfässern oder Kanistern, wenn sie so erfolgt, daß beim Ausfließen des Treibstoffes ein Einsickern in den Boden ausgeschlossen ist; weiters ist die Aufbewahrung und Verwendung der eingangs bezeichneten Stoffe in kleineren Mengen zur Deckung des laufenden Bedarfes von der Bewilligungspflicht ausgenommen, wenn hiebei die zur Reinhaltung des Grundwassers entsprechende Sorgfalt angewendet wird.
Aus § 1 der vorzitierten Verordnung ergibt sich, daß die Errichtung einer Tankstelle nach § 3 Z. 1 der Verordnung nur dann erteilt werden darf, wenn gewährleistet ist, daß von dieser Maßnahme keine Wassergefährdung ausgeht.
Nach § 104 Abs. 1 lit. b WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde Anträge auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zunächst insbesondere daraufhin zu untersuchen, ob die Anlagen dem Stand der Technik entsprechen. Daraus folgt, daß eine wasserrechtliche Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn die zur Bewilligung beantragten Anlagen dem Stand der Technik im Sinne des § 12 a WRG 1959 entsprechen. Dies gilt auch für die Bewilligungen nach § 3 Z. 1 der vorgenannten Verordnung, wenn das mit der Statuierung der Bewilligungspflicht angestrebte Ziel - Ausschluß einer Gewässergefährdung - mit den vom WRG 1959 vorgeschriebenen Mitteln - Anlagen, die dem Stand der Technik entsprechen - erreicht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1993, Zl. 91/07/0161).
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde vermag daher der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken, wenn die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausging, daß aufgrund der vorzitierten Schongebietsverordnung - auf welche sich die Wasserrechtsbehörde erster Instanz im Spruch ihres Bescheides als Grundlage der wasserrechtlichen Bewilligung ausdrücklich bezieht - die Errichtung einer Tankstelle der in Rede stehenden Art im Schongebiet wasserrechtlich zu bewilligen ist, wenn die zur Bewilligung beantragten Anlagen dem Stand der Technik im Sinne des § 12 a WRG 1959 entsprechen und damit auch nach fachmännischer Ansicht ein Ausschluß einer Wassergefährdung erreicht wird.
Ob die gegenständliche Anlage dem Stand der Technik entspricht, kann derzeit - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht - aus folgenden Gründen noch nicht abschließend beurteilt werden:
Eine am wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren teilnehmende - vom Konsenswerber verschiedene - mitbeteiligte Partei kann jene wasserrechtlich geschützten subjektiven öffentlichen Rechte geltend machen, die ihre Parteistellung begründen. Die Beschwerdeführerin hat sich bezüglich ihrer Parteistellung im Berufungsverfahren (siehe Mitteilung der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde vom 25. Februar 1993) zwar ausdrücklich auf § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 berufen, ihre rechtzeitigen Einwendungen vor der Wasserrechtsbehörde I. Instanz ergeben jedoch eindeutig, daß sie - auch - eine Parteistellung nach § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 in Anspruch nimmt.
Gemäß § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 sind Parteien Gemeinden im Verfahren nach § 111 a, sonst nur zur Wahrung des ihnen nach § 13 Abs. 3 und § 31 c Abs. 3 zustehenden Anspruches.
Gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. dürfen das Maß und die Art der Wasserbenutzung keinesfalls so weit gehen, daß Gemeinden, Ortschaften oder einzelnen Ansiedlungen das für die Abwendung von Feuersgefahren, für sonstige öffentliche Zwecke oder für Zwecke des Haus- und Wirtschaftsbedarfes ihrer Bewohner erforderliche Wasser entzogen wird.
Die in der letztgenannten Bestimmung normierte, im öffentlichen Interesse gelegene Gewährleistung der lokalen Versorgung mit Nutz- und Trinkwasser kann somit von der Gemeinde gemäß § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 durchgesetzt werden. Die Beschwerdeführerin hat mit ihren eingangs zitierten Einwendungen hinreichend deutlich vorgebracht, daß durch die Bewilligung des zur Beurteilung vorliegenden Projektes eine Verletzung des § 13 Abs. 3 WRG 1959 vorläge. Im Rahmen dieser erhobenen Einwendungen war die Beschwerdeführerin berechtigt, weiteres ergänzendes Vorbringen zu erstatten. In diesem Fall liegt keine Präklusion vor, weshalb die Behörde zur Durchführung entsprechender Ermittlungen verpflichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1984, Zlen. 84/07/0171, 0172).
Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht stellt der Hinweis der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, der Standort der zu errichtenden Tankstelle befinde sich in einem Erdbebengebiet, somit kein unzulässiges, der Präklusion unterliegendes Vorbringen dar, vielmehr hat die Beschwerdeführerin damit die ihre Parteistellung nach § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 begründenden Einwendungen im Sinne der dargestellten Rechtslage präzisiert.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde keine Erhebungen darüber durchgeführt, ob der Standort des von ihr bewilligten Projektes tatsächlich - den Behauptungen der Beschwerdeführerin entsprechend - in einem Erdbebengebiet liegt und bejahendenfalls, ob unter Berücksichtigung der zu erwartenden Erdbebentätigkeit trotz Bewilligung des zur Beurteilung vorliegenden Projektes die Versorgung der Beschwerdeführerin mit Trinkwasser aus dem in der obzitierten Schongebietsverordnung umschriebenen Gebiet gemäß § 13 Abs. 3 WRG 1959 gewährleistet ist. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz für Eingabegebühr konnte nicht zuerkannt werden, da die Beschwerdeführerin gebührenbefreit ist.
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993070066.X00Im RIS seit
12.11.2001