TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/15 92/07/0207

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Veröffentlicht am 15.11.1994
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

AgrBehG 1950 §7 Abs2;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des S in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 4. Juni 1992, Zl. LAS-79/61-80, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft N, vertreten durch den Obmann, in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. März 1991 begehrte der Beschwerdeführer vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB), diese möge die mitbeteiligte Partei (mP) anweisen, ihm als Ersatz für eine von der mP abgegebene Teilfläche von 644 m2 (Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12. März 1990) im Rahmen der der AB eingeräumten "Schlichtungskompetenz" gemäß § 37 Abs. 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (kurz: TFLG) und § 20 der Satzung der mP eine entsprechende Ersatzweide zur Verfügung stellen.

Da die AB auf diesen Antrag sowie einen weiteren Antrag vom 16. Juli 1991 hin nicht tätig wurde, stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 22. Jänner 1992 bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Devolutionsantrag im Umfang des Anbringens vom 10. März 1991 als unzulässig zurückgewiesen und ihre Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß dem Beschwerdeführer aufgrund der vorgenannten Eingaben kein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausübung des Aufsichtsrechtes durch die Agrarbehörde nach § 37 TFLG zustehe. Dieses sei von der Behörde von Amts wegen auszuüben.

Daraus folge, daß dem Beschwerdeführer im aufsichtsbehördlichen Verfahren kein Recht auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht zukomme und er daher die Ausübung des Aufsichtsrechtes nicht erzwingen könne. Da dem Beschwerdeführer kein Recht auf Entscheidung durch die AB zustehe, habe er auch keinen Anspruch auf Devolution. Ferner sei ein bescheidmäßiger Abspruch über das Begehren, die mP anzuweisen, ihm eine für die aus der Gp 2009/1, Grundbuch N, abgeschriebene Teilfläche gleicher Größe zur Ausübung seines Weiderechtes zur Verfügung zu stellen, und somit auch über den Devolutionsantrag nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 7. Oktober 1992, B 999/92-4, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Ausübung der der belangten Behörde gemäß § 37 TFLG zustehenden "Schlichtungskompetenz" und auf "fehlerfreie Handhabung des § 37 Abs. 1 und 2 TFLG" verletzt. Ferner fühle sich "der Beschwerdeführer insofern beschwert", als entgegen § 37 Abs. 2 TFLG die belangte Behörde einerseits über seinen Antrag auf Ausgleichszahlung gemäß § 20 Liegenschaftsteilungsgesetz nicht inhaltlich entschieden und andererseits die restlichen Punkte des Devolutionsantrages vom 22. Jänner 1992 nicht behandelt habe, obwohl sie dazu gemäß § 37 TFLG verpflichtet gewesen wäre.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird; die mP gab keine Äußerung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 TFLG unterliegen die Agrargemeinschaften der Aufsicht der Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf

a) die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzungen,

b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaft.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges.

§ 20 der Satzung der mP gibt wörtlich die vorstehende Bestimmung des § 37 Abs. 2 TFLG mit der Ergänzung wieder, daß sich die Mitglieder den "Anordnungen des Obmannes" bis zur "behördlichen Entscheidung zu fügen" haben.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8 AVG) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner ausdrücklich als "Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG" bezeichneten Beschwerdeergänzung auf eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde aufgrund anderer als der in seiner Eingabe vom 10. März 1991 geltend gemachten Ansprüche hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, daß der angefochtene Bescheid ausschließlich über seinen Devolutionsantrag im Umfang seines Anbringens vom 10. März 1991 abspricht. Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Rahmen einer Bescheidbeschwerde ist ausschließlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist aus dem im Zusammenhang mit dem Devolutionsantrag behandelten Anbringen des Beschwerdeführers vom 10. März 1991 zu ersehen, daß ein Fall des § 7 Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 476/1974 nicht vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß es sich beim angefochtenen Bescheid um einen letztinstanzlichen Bescheid handelt.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 10. März 1991 nicht die Aufsichts-, sondern die Streitschlichtungskompetenz der AB in Anspruch genommen; insoweit aber besteht Entscheidungspflicht nach § 37 TFLG 1978 (siehe Wortlaut: "... HAT die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zu entscheiden."). Mit der bereits mehrfach zitierten Eingabe vom 10. März 1991 macht der Beschwerdeführer mit der Behauptung eines Weidebenutzungsrechtes und der Beeinträchtigung dieses Rechtes durch lastenfreie Abschreibung von Teilflächen aus dem Grundstück Nr. 2009/1, Grundbuch N, der mP sowie der Weigerung der mP, ein adäquates Ersatzgrundstück zur Nutzung des behaupteten Servitutsrechtes zur Verfügung zu stellen, eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zur mP gemäß § 37 Abs. 2 TFLG geltend. Der im Devolutionswege zuständig gewordenen belangten Behörde war es daher im Beschwerdefall verwehrt, den Devolutionsantrag mit dem Hinweis auf einen fehlenden Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht durch die Aufsichtsbehörde zurückzuweisen. Vielmehr hätte die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu prüfen gehabt, ob der geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinem Anspruch auf Sachentscheidung im Sinne des § 37 Abs. 2 TFLG verletzt.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft weitere Stempelgebühren und die separat verrechnete Umsatzsteuer, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Instanzenzug Verhältnis zu anderen Materien und Normen Devolution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070207.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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