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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993, Zl. 4.331.657/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Dezember 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der früheren SFRJ", der am 13. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. November 1991 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1
Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 29. November 1991, daß er sich im September 1991 zunächst 14 Tage beim Roten Kreuz in Laibach und anschließend bis zu seiner Ausreise am 13. November 1991 in Maribor aufgehalten und dort gearbeitet habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Der Beschwerdeführer wirft mit seinem Vorbringen, Slowenien sei von Österreich erst Anfang des Jahres 1992 als eigener Staat anerkannt worden und es sei "daher im Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Slowenien als auch zum Zeitpunkt seiner Einreise in Österreich Slowenien für Österreich sozusagen noch nicht als Staat existent" gewesen, die Frage auf, ob Slowenien damals bereits als Staatsgebilde in dem Sinne bestanden hat, daß es als "anderer Staat" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 qualifiziert werden konnte. Mit dieser Problematik hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt, ohne daß daraus hervorgeht, ob dies allenfalls auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht. Dies allein stellt schon einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0352).
In rechtlicher Hinsicht wird dazu bemerkt, daß - ungeachtet dessen, daß nach herrschender Völkerrechtslehre der Anerkennung eines neuen Staates grundsätzlich bloß deklaratorische Wirkung zukommt (Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht5, Rz 472 f; Neuhold-Hummer-Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 12, Rz 730 ff) - nach dem Sinn des Asylgesetzes 1991 als ein "anderer Staat", in dem ein Flüchtling bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei (§ 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit.), nur ein solcher verstanden werden kann, der nicht gleichzeitig das "Heimatland" bzw. das "Land seines gewöhnlichen Aufenthaltes", in dem er Verfolgung zu befürchten behauptet (§ 1 Z. 1 leg. cit.), darstellt. Von einem "anderen Staat" kann aber in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, wenn der betreffende Asylwerber vor seiner Einreise in das Bundesgebiet auf Grund der damaligen Auffassung Österreichs zur Frage der Anerkennung Sloweniens sein "Heimatland" bzw. das "Land seines gewöhnlichen Aufenthaltes" - wie dies nach der Behauptung des Beschwerdeführers im Verhältnis zwischen "der früheren SFRJ" und Slowenien zutreffen würde - gar nicht verlassen hätte, wozu die Heranziehung dieses Ausschließungsgrundes durch eine österreichische Asylbehörde im eklatanten Widerspruch stünde.
Im übrigen macht der Beschwerdeführer geltend, daß im maßgeblichen Zeitraum die Situation in Slowenien "äußerst unübersichtlich war", wobei er auf die mangelnde Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft verweist, "nicht klar" gewesen sei, "ob sich Slowenien als selbständiger Staat gegenüber "Restjugoslawien" behaupten kann oder nicht", der Ausgang der Auseinandersetzungen nicht vorhersehbar und "im Falle eines Unterliegens der "slowenischen Miliz" jedenfalls eine Verfolgung des Beschwerdeführers", der "von der Volksarmee desertiert" sei, zu erwarten gewesen sei. Würden diese Behauptungen zutreffen, so wäre die Bezugnahme der belangten Behörde auf die sich aus der Mitgliedschaft Sloweniens zur Genfer Flüchtlingskonvention "seit dem 27.9.1991" (siehe dazu BGBl. Nr. 806/1993, über die bereits mit Wirksamkeit vom 25. Juni 1991 diesbezüglich abgegebene Erklärung dieses Landes) ergebenden Verpflichtungen und deren Einhaltung verfehlt, wäre es doch dann, wenn die politische Entwicklung in Slowenien dermaßen ungewiß war, sodaß befürchtet hätte werden müssen, daß Slowenien, sollte von der Existenz dieses Staates überhaupt ausgegangen werden können, den genannten Verpflichtungen in absehbarer Zeit jedenfalls nicht mehr nachkommen könne, für den Beschwerdeführer aus objektiver Sicht nicht zumutbar gewesen, dort länger zu bleiben und Asyl zu beantragen. Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Da somit Verfahrensvorchriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010264.X00Im RIS seit
20.11.2000