TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/16 93/01/1448

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Veröffentlicht am 16.11.1994
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §39 Abs2;
StGB §3;
StGB §83 Abs2;
StGB §88 Abs4;
WaffG 1986 §20 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1 Z1;
WaffG 1986 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Oktober 1993, Zl. St-129/93, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Oktober 1993 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21. Mai 1993, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz 1986 (WaffG) die von der Bundespolizeidirektion Linz am 5. November 1980 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 105979 entzogen worden war, keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, es habe bereits die Erstbehörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer fünf rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen aufweise, nämlich:

1.) Urteil des Kreisgerichtes Ried/Innkreis vom 28. März 1984, 7 E Vr 203/84, wegen Vergehens nach § 88 Abs. 4 StGP, 100 Tagsätze bedingt auf 3 Jahre;

2.) Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 8. Oktober 1987, U 112/87, wegen Vergehens nach § 83 Abs. 2 StGB, 30 Tagsätze;

3.) Urteil des Bezriksgerichtes Schwanenstadt vom 11. Jänner 1991, U 128/90, wegen Vergehens nach § 83 Abs. 2 StGB, 10 Tagsätze bedingt auf 2 Jahre;

4.) Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 11. Juli 1991, U 10/91 wegen Vergehens nach § 83 Abs. 2 StGB, 10 Tagsätze bedingt auf 3 Jahre als Zusatzstrafe zu der zu 3.) angeführten Verurteilung;

5.) Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 5. März 1992, U 17/92 wegen Vergehens nach § 168 Abs. 1 StGB, 20 Tagsätze.

Ausgehend von den den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalten, insbesondere dem jeweiligen, von der belangten Behörde kurz festgestellten Tatablauf, ergebe sich, daß der Beschwerdeführer zu aggressivem Verhalten neige und zwar aus bereits relativ geringfügigen Anlässen. Damit, daß er in dem von ihm geführten Lokal (einem Bordell) für Ordnung hätte sorgen müssen und daß es - wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausgeführt habe - gelegentlich unvermeidlich sei, sich gegen tätliche Angriffe der Gäste durch Anwendung von Körpergewalt zur Wehr zu setzen, habe mit seinem letztlich gerichtlich strafbaren Verhalten nichts zu tun. Wie sich aus der Vorgeschichte der einzelnen den Verurteilungen zugrunde liegenden Tathandlungen ergebe, sei entweder er selbst derjenige gewesen, von dem die tätlichen Angriffe ausgegangen seien oder er habe in einer dem Anlaß nicht mehr angemessenen Weise reagiert. Bei einem solchen Verhaltensmuster und der vom Gendarmeriepostenkommando Schwanenstadt gegebenen Einschätzung, der Beschwerdeführer sei "als jähzornig bekannt", könne nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, daß er nicht allenfalls eine Waffe leichtfertig oder sogar mißbräuchlich im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 WaffG verwenden könnte. Immerhin sei bei der Beurteilung der Verläßlichkeit einer Person angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen. Bei dieser Sachlage könne auch außer Betracht bleiben, daß er bisher noch keine Faustfeuerwaffe im Lokal verwendet habe. Eine Einvernahme der Gattin des Beschwerdeführers hielt die Berufungsbehörde nicht für erforderlich, da die aktenkundigen Vorfälle für sich sprächen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Inhalt der Bestimmung des § 6 Abs. 2 WaffG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen sei, erweise sich als nicht zielführend, da die Behörde nicht von dieser Bestimmung, sondern von der Generalklausel des § 6 Abs. 1 WaffG 1986 ausgehend die waffenrechtliche Unverläßlichkeit des Beschwerdeführers angenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterbleiben des Entzuges der Waffenbesitzkarte gemäß § 20 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Z.1 WaffG 1986 verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 - WaffG - hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit eines Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 leg. cit. Eine Person ist nach Abs. 1 als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes 1986 anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1.)

Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.)

mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;

3.)

Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind.

In § 6 Abs. 2 WaffG 1986 werden demonstrativ jene Verurteilungen bzw. Bestrafungen wegen bestimmter, strafbarer Handlungen angeführt, auf Grund derer jedenfalls anzunehmen ist, daß die vom Gesetz geforderte Verläßlichkeit nicht vorliegt (insbesondere mit Gewalt verbundene Angriffe gegen Leib und Leben, Freiheit, fremdes Vermögen und die Sittlichkeit).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Wertung einer Person als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge fassen muß, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist (vgl. zuletzt hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0667 und die dort angeführte Judikatur).

Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Gesetz geforderte Verläßlichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Bereits die Behörden haben zutreffend darauf hingewiesen, daß es hiebei nicht erforderlich ist, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe stattgefunden hat (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0814 und die dort wiedergegebene Judikatur). Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer insgesamt vier Mal strafgerichtlich verurteilt wurde, weil er gegen dritte Personen tätlich geworden war und sie durch diese Eingriffe in die körperliche Integrität verletzt hat. Bei Zugrundelegung dieses unbestrittenen Sachverhaltes ist aber der belangten Behörde darin zuzustimmen, wenn sie von einer, in diesen Straftaten zum Ausdruck kommenden Aggressivität des Beschwerdeführers ausgegangen ist und deshalb die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers verneint hat. Angesichts der bereits aus den strafrechtlichen Verurteilungen ersichtlichen Art der gefährdeten Rechtsgüter war die Behörde auch nicht gehalten, weitere Erhebungen über deren konkrete Anlässe anzustellen, weil hieraus möglicherweise eine Motivation für das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten, nicht aber eine rechtlich relevante Entschuldigung im Sinne von Notwehrhandlungen, die ja zur Straffreiheit geführt hätten, ableitbar hätte sein können. Den Überlegungen der belangten Behörde, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer sich auch in Zukunft zu unkontrollierten Aggressionshandlungen hinreißen lassen könnte, ist aus diesem Grunde nicht mit Erfolg entgegenzutreten. Insoweit der Beschwerdeführer darauf verweist, Verläßlichkeit als Charaktereigenschaft werde auch dadurch dokumentiert, daß eine Person von der Waffe nur in berechtigten Abwehrsituationen "rationell kontrolliert" Gebrauch mache, so trifft er gerade jenen Punkt, den die belangte Behörde - ausgehend von den sich aus den Verurteilungen ergebenden Charaktereigenschaften des Beschwerdeführers - zu Recht verneint hat. Damit hat aber die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer bemängelten Konkretisierung ihres Vorwurfs Genüge getan.

Insgesamt kann daher die Annahme der belangten Behörde, es liege Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 WaffG 1986 nicht mehr vor, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die sich aus diesem Grunde als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993011448.X00

Im RIS seit

25.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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