TE Vfgh Beschluss 1992/6/22 G334/91

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Veröffentlicht am 22.06.1992
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 §8b Abs5 idF LGBl 35/1990

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Krnt Allgemeinen GemeindeO 1982 mangels Legitimation; kein Eingriff in rechtlich geschützte Interessen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. a) Die Einschreiter stellen in der vorliegenden "Beschwerde gem. Art140 B-VG" (richtig: Antrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG) folgendes Begehren:

"Der Verfassungsgerichtshof möge in der (Kärntner) Allgemeinen Gemeindeordnung LGBl. Nr. 8 i.d.F. des Gesetzes vom 10.5.1990 den §8 Abs5 (gemeint ist: §8 b Abs5) aufheben."

(Die Bezeichnung des angeführten Gesetzes sollte richtig lauten: (Kärntner) Allgemeine Gemeindeordnung 1982 - AGO 1982, LGBl. 8/1982 idF der Novelle LGBl. 35/1990.)

b) Die Kärntner Landesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 24. März 1992 eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages mangels Legitimation der Einschreiter begehrt.

2. §8 b AGO 1982 regelt die Trennung von Gemeinden auf Grund einer Volksbefragung.

Der von den Einschreitern angefochtene §8 b Abs5 leg.cit. hat folgenden Wortlaut:

"(5) Ergibt das Ergebnis der Volksbefragung, daß mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Gemeindebürger im Bereich einer Altgemeinde für die Verselbständigung eintritt, so hat der Gemeinderat der Landesregierung längstens binnen sechs Monaten den Beschluß über eine vollständige Vermögensauseinandersetzung (§8d) vorzulegen, die auf die Schaffung der Voraussetzungen nach §8a litb bestmöglich Bedacht nimmt. Für einen Beschluß über eine Vermögensauseinandersetzung ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Der Gemeinderat und der zur Vorbereitung zuständige Ausschuß haben den Beratungen über die Vermögensauseinandersetzung Vertreter der für die Gemeindeangelegenheiten zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung zur Beratung und Erteilung von Auskünften beizuziehen. Höchstens zwei Exponenten jener Gemeindebürger, die für die Verselbständigung einer Altgemeinde eintreten, haben das Recht, an den diesbezüglichen Beratungen dieses Ausschusses und des Gemeinderates in der Form teilzunehmen, daß sie ihre Auffassungen darlegen dürfen. Hinsichtlich der Teilnahme an einer Ausschußsitzung unterliegen sie der Verschwiegenheitspflicht nach §27 Abs4."

3. a) Die Antragsteller behaupten - mit näherer Begründung -, daß diese Bestimmung "dem in Art1 B-VG programmatisch verankerten und beispielsweise in den Art44 Abs2, 45 und 60 Abs2 B-VG inhaltlich verwirklichten demokratischen Prinzip der Bundesverfassung" widerspreche. Die Antragsteller - die nach ihren Angaben auch "Mitglieder der Aktionsgemeinschaft zur Wiederherstellung der Altgemeinde Maria Rojach" sind - vertreten den Standpunkt, daß die bekämpfte Norm "in verfassungswidriger Weise ein Abstimmungsergebnis zur Weiterverfolgung der Selbständigkeit der Altgemeinde Maria Rojach . . . verhindert".

b) Persönlich betroffen erachten sich die Antragsteller deshalb, "weil die Nichtwiederherstellung der Altgemeinde Maria Rojach wesentliche Nachteile in der Durchführung der Verwaltung und Versorgung (Kindergarten, Schule, Verwaltungsakte) nach sich zieht. Die Großgemeinde St. Andrä hat wesentlich weitere Durchfahrtswege zu den Ämtern, der Schule und dem Kindergarten, die Bürgernähe der Verwaltung ist nicht gegeben."

4. a) Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. In einem solchen Antrag ist gemäß §62 Abs1 letzter Satz VerfGG auch darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist.

Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre (die rechtlich geschützten Interessen) des Antragstellers eingegriffen wird (s. etwa VfSlg. 10251/1984).

b) Mit ihrem Vorbringen zur persönlichen Betroffenheit (s. oben Punkt 3. b) zeigen die Antragsteller aber keinen derartigen Eingriff auf. Bei den von ihnen angeführten "wesentlichen Nachteilen" handelt es sich allenfalls um faktische Folgewirkungen des konkreten Ergebnisses einer (nach den entsprechenden Vorschriften der AGO 1982 durchgeführten) Volksbefragung und der daraus (gleichfalls nach den Regelungen der AGO 1982) resultierenden Gemeindetrennung. Bloß faktische Folgeerscheinungen stellen keinen Eingriff in die rechtlich geschützte Interessenssphäre dar (vgl. etwa VfSlg. 8670/1979, 9042/1981, 10251/1984, 11623/1988; VfGH 17.6.1991, G216/90).

5. a) Der Individualantrag war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis brauchte nicht untersucht zu werden, ob der Antrag noch etwaige weitere, zu einer Zurückweisung führende Mängel aufweist.

b) Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Volksbefragung, Gemeindetrennung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G334.1991

Dokumentnummer

JFT_10079378_91G00334_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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