TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/16 94/01/0069

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Veröffentlicht am 16.11.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §38;
FlKonv Art1 AbschnA Z2 idF 1974/078;
Rechtsstellung der Flüchtlinge Protokoll 1974;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs1 Z1;
StbG 1985 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. Dezember 1993, Zl. 0/92-8294/12-1993, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, "in der geltenden Fassung" (StbG), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, "daß binnen zwei Jahren die vorgeschriebene Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband nachgewiesen wird und die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 3 StbG vorliegen". Diese Zusicherung solle sich auch auf die beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers erstrecken, "soweit diese ebenfalls die Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband nachweisen". Ferner wurde die Entrichtung einer Landesverwaltungsabgabe vorgeschrieben.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dem StbG "bis auf den Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband" erfülle und daher die belangte Behörde dem diesbezüglichen Ansuchen des Beschwerdeführers stattzugeben beabsichtige. Aufgrund der politischen Veränderungen in Mazedonien sei das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband zumutbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf fehlerfreie Anwendung des § 10 Abs. 3 in Verbindung mit § 20 StbG in der geltenden Fassung" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 StbG ist einem Fremden die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatlandes nachweist, wenn

1.

er weder staatenlos noch Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1959, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolles BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist,

2.

weder § 10 Abs. 4 noch die §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 Anwendung finden und

3.

ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.

Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

Gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft um einen der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgelagerten Verwaltungsakt, der für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (und deren Erstreckung) begründet, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft (oder deren Erstreckung) auch die sonstigen Voraussetzungen (insbesondere des § 10 Abs. 1 StbG) gegeben sind (vgl. den hg. Beschluß vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0020, mit weiteren Judikaturnachweisen).

Obwohl die belangte Behörde Ermittlungen über die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers durch Beischaffung einer Kopie des diesbezüglichen Feststellungsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Dezember 1985 anstellte, läßt der angefochtene Bescheid nicht erkennen, weshalb die belangte Behörde im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Z. 1 StbG zu dem Schluß kommt, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides nach § 20 Abs. 1 leg. cit. im vorliegenden Fall überhaupt gegeben sind.

Jedenfalls kann die Außerachtlassung des rechtskräftigen Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich über die (bejahende) Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 1985, die aufgrund des Asylgesetzes 1968 erfolgte, entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht von Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, S 190, nicht damit begründet werden, daß im Asylgesetz (1968) der Flüchtlingsbegriff "im Sinne dieses Bundesgesetzes" dem Anschein nach eine Einschränkung dahingehend erfährt, daß eine entsprechende Feststellung ausschließlich für das Asylverfahren Bindungswirkung entfalten würde und keine die Verleihungsbehörde bindende Vorfragenentscheidung darstelle. Die Erlassung eines derartigen Feststellungsbescheides, in dem die Flüchtlingseigenschaft anhand der Fluchtgründe im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), geprüft wurde, setzt das Vorhandensein der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aufgrund derselben Kriterien, die auch nach § 20 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblich sind, voraus. Der rechtskräftige Feststellungsbescheid über das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers stellt somit eine bindende Vorfragenentscheidung gemäß 38 AVG dar und läßt keinen Raum für eine selbständige Beurteilung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 StbG durch die belangte Behörde. Diese hat daher in Verkennung der Rechtslage angenommen, daß die Voraussetzung des § 20 Abs. 1 Z. 1 StbG im Beschwerdefall nicht vorgelegen war, und somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Überdies rügt der Beschwerdeführer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht, daß die belangte Behörde den Sachverhalt in bezug auf die fremde Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers unvollständig ermittelt hat. Zwar findet sich in einer Niederschrift vom 15. Juni 1993 die Feststellung, daß der Beschwerdeführer "makedonischer Staatsbürger" sei, doch läßt die Niederschrift nicht erkennen, ob diese Feststellung aufgrund einer Aussage des Beschwerdeführers oder aber einer eigenständigen Einschätzung der belangten Behörde erfolgte. Insbesondere unterließ die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen, um den Widerspruch zwischen der Annahme des Vorliegens der makedonischen Staatsbürgerschaft und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus dem Jahre 1991, in dem dieser angibt, "bisher jugoslawischer Staatsbürger" zu sein, aufzuklären. Auch läßt der angefochtene Bescheid eine Begründung für das tatsächliche Vorliegen der makedonischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und die Zumutbarkeit des Ausscheidens aus diesem Staatsverband vermissen. Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, da der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, und außerdem Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.

Da aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (siehe die bei Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 572 zitierte hg. Judikatur), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994010069.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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