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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §51 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senaptspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark vom 22. Februar 1994, Zl. UVS 303.8-3/94-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: BMAS), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23. Dezember 1993, Zl. 15.1-1993/13281, wurde der Beschwerdeführer wegen der unberechtigten Beschäftigung dreier ausländischer Arbeitskräfte zu Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 90.000,-- und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von S 9.000,-- verurteilt. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides enthielt u.a. den Hinweis, daß die Berufung den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen habe.
Innerhalb offener Berufungsfrist richtete der damalige Vertreter des Beschwerdeführers, der Wirtschaftstreuhänder Dr. A, eine Berufung an die belangte Behörde. Dieses Rechtsmittel war überschrieben mit "M - GZ: 15.1 1993/13281 - Berufung" und enthielt als Einleitung den Satz "Im Auftrag und Vollmacht meiner Mandantschaft erhebe ich gegen das Straferkenntnis vom 23. Dezember 1993 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung". Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde im Berufungsschriftsatz nicht ausdrücklich genannt, doch waren der Berufung "Beilagen w.o.a."
angeschlossen, wobei nähere Angaben darüber fehlen, welche und um wieviele Beilagen vorgelegt worden sind.
Der Eingangsstempel der belangten Behörde auf dieser Berufung vom 11. Jänner 1994 enthielt den Vermerk "Beil.: 2", doch ebenfalls keine nähere Beschreibung, um welche Beilagen es sich handelte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1994 hat die belangte Behörde "über die Berufung des Herrn M, vertreten durch Wirtschaftstreuhänder A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23. Dezember 1993, GZ.: 15.1 1993/13281" dahin entschieden, daß diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG als unzulässig zurückgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Sach- und Rechtslage aus, es gehöre im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG zu den wesentlichen Merkmalen einer Berufung, daß der angefochtene Bescheid im Sinne dieser Bestimmung entsprechend konkret bezeichnet werde. Dazu gehöre insbesondere auch die konkrete Angabe der den Bescheid erlassenden Behörde. Das Fehlen dieses wesentlichen Bestandteiles einer Berufung stelle auch kein verbesserungsfähiges Formgebrechen im Sinne des § 13 AVG dar. Die vorliegende Berufung habe diesem Erfordernis nicht entsprochen.
Ob und welche Beilagen der Berufung des Beschwerdeführers angeschlossen waren, wird im angefochtenen Bescheid nicht erörtert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Darin wird u.a. geltend gemacht, die belangte Behörde habe übersehen, daß der Vertreter des Beschwerdeführers seiner Berufung das (erstinstanzliche) Straferkenntnis beigeheftet und in der Berufung auf die Beilagen verwiesen habe. Auch habe die belangte Behörde sehr wohl sofort auf das bekämpfte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung Bezug genommen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Äußerung gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ausgeführt, der Berufung sei keine Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides angeschlossen gewesen. Aus der Berufung allein sei nicht ersichtlich gewesen, welche der zahlreichen in Betracht kommenden Behörden als erste Instanz eingeschritten sei.
In einem weiteren Schriftsatz hat der Beschwerdeführer Urkunden zum Nachweis für seine Behauptung vorgelegt, daß der erstinstanzliche Bescheid der Berufung beigelegt gewesen sei.
Die belangte Behörde hat dies in einer Replik erneut als unrichtig bestritten und auf den auf der Berufung angebrachten Eingangsvermerk verwiesen.
Schließlich wurden über Veranlassung des Verwaltungsgerichtshofes unter Intervention beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens A und H durch das Bezirksgericht für ZRS Graz als Zeugen vernommen. Sie haben in ihren Aussagen bestätigt, daß eine Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides (wie üblich) der Berufung des Beschwerdeführers beigeheftet worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die Berufung des Beschwerdeführers wegen der darin fehlenden Nennung der erstinstanzlichen Behörde als unzulässig zurückgewiesen hat. Zur Klärung der bei der Beantwortung dieser Frage zu beachtenden Tatsachengrundlagen wurde im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens erhoben, daß der Beschwerdeführer seiner Berufung ein Exemplar des von ihm mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Bescheides angeschlossen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, die dazu abgelegten gerichtlichen Zeugenaussagen anzuzweifeln, wenn ihnen zugegebenermaßen auch der Umstand entgegensteht, daß der Eingangstempel auf dieser Berufung nur auf zwei angeschlossene Beilagen verweist.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet. Diese Bestimmung ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.
Ein Mangel der Bezeichnung des erstinstanzlichen Bescheides führt aber nur dann zur Zurückweisung der Berufung, wenn die Berufungsbehörde infolge dieses Mangels nicht erkennen kann, gegen welche Entscheidung sich die Berufung wendet (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 94/09/0055, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Das ist aber hier nicht der Fall. Zwar wurde im Berufungsschriftsatz selbst nur die Aktenzahl und das Datum des erstinstanzlichen Bescheides, nicht aber die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung ausdrücklich genannt, der Beschwerdeführer hat aber diesem Schriftsatz eine Beilage angeschlossen, aus der die angerufene Berufungsbehörde ohne Verbesserungsauftrag, ohne weitere Recherchen und ohne unzumutbare gedankliche Rückschlüsse erkennen konnte (und mußte), daß sich die Berufung gegen den eingangs genannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gerichtet hat. Sie hat den bei ihr angefochtenen Bescheid einschließlich der erstinstanzlichen Behörde auch in ihrem Zurückweisungsbescheid eindeutig umschreiben können.
Unter den gegebenen Umständen stellt die Zurückweisung der Berufung das Ergebnis eines dem Verwaltungsstrafverfahren fremden und übertriebenen Formalismus dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG - einer Bestimmung übrigens, die insoweit mit Wirkung ab 30. Juni 1995 vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Zl. G 20-23/94-6, als verfassungswidrig aufgehoben worden ist - nicht bei der Behörde erster Instanz, sondern bei der belangten Behörde (als jener, die über die Berufung zu entscheiden hatte) eingebracht worden ist.
Da der Berufung somit kein vom Gesetz als unverzichtbar vorgeschriebener Hinweis fehlte, sondern nur die Angabe eines (weiteren) Merkmales des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides, das ohne weitere Mühe von der belangten Behörde durch bloße Kenntnisnahme der der Berufung angeschlossenen Urkunden ausfindig gemacht werden konnte, hat die belangte Behörde mit ihrer Formalerledigung die Rechtslage verkannt (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0160), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß § 48 Abs. 1 VwGG neben Schriftsatzaufwand und Gebühren- und Barauslagenersatz nur den Ersatz für Aufwendungen für die Verrichtung von Verhandlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof erkennt; außerdem wurden neben der Eingabengebühr und der Beilagengebühr nicht zu vergütende Stempelgebühren für im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entbehrliche Beilagen verzeichnet.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994090094.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.09.2010