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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. März 1994, Zl. Ve1-550-2157/1-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gemeinde ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 355/2 im Gemeindegebiet. An dieses Grundstück grenzen östlich sowohl das Grundstück des Beschwerdeführers (dies im südlichen Bereich), als auch ein Weg - öffentliches Gut (dies im nördlichen Bereich im Anschluß an das Grundstück des Beschwerdeführers). Im nördlichen Bereich des Grundstückes der Gemeinde befindet sich ein Gebäude, das in den Akten als "Gemeindehaus" oder auch als "Schulhaus" bezeichnet wird. An der Ostseite dieses Gebäudes (in dem Bereich, in dem das Grundstück an den Weg grenzt) befindet sich eine ebenerdige Garage.
Südlich des Gebäudes - bereits auf Höhe des Grundstückes des Beschwerdeführers - befindet sich ein Musikpavillon.
Mit Baugesuch vom 9. Dezember 1993 kam die Gemeinde um baubehördliche Bewilligung zum Einbau von öffentlichen WC-Anlagen in diese Garage und zur Errichtung eines Flugdaches an der Südseite (dem Musikpavillon zugewandten Seite) des Gebäudes ein.
In der hierüber anberaumten Bauverhandlung brachte der Beschwerdeführer (der unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen worden war) vor, er erhebe gegen das Vorhaben Einspruch. Es bestehe der dringende Verdacht, auf Umwegen ein Freiluftgastlokal bzw. ein Freiluftnachtlokal zu errichten, wobei er glaube, daß die gesetzlichen Grundlagen nicht vorhanden seien. Es solle kein Schrott auf dem Flugdach abgelagert werden (15 Grad Dachneigung). Bei den öffentlichen WC-Anlagen solle seiner Meinung nach in der Nordwand eine zusätzliche Eingangstür errichtet werden. Durch das Flugdach werde seiner Meinung nach der Widerhall beträchtlich verstärkt. Der Sachverständige erklärte, das Bauvorhaben stehe im Einklang mit dem Tiroler Raumordnungsgesetz und der Tiroler Bauordnung (der Bauplatz sei laut Flächenwidmungsplan als Sonderfläche/Mehrzweckgebäude gewidmet). Das Flugdach breche die glatte Hauswand, wodurch der auftreffende Schall gedämpft und nicht verstärkt werde.
Mit dem Bescheid des (Vize-)Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz vom 27. Juni 1993 wurde die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt; begründend wurde darauf verwiesen, bei der mündlichen Verhandlung sei festgestellt worden, daß bei Einhaltung der Bestimmungen der Tiroler Bauordnung (TBO) und der nun vorgeschriebenen Auflagen das Vorhaben in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig sei. Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien "nicht Gegenstand dieses Bauverfahrens" und würden somit auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, es bestehe der dringende Verdacht, auf Umwegen ein Freiluftgastlokal zu errichten. Gesetzliche Grundlagen seien nicht vorhanden. Weiters sei zu befürchten, daß die Überdachung als Lagerplatz verwendet werde. Durch das Flugdach verstärke sich der Widerhall beträchtlich. Die öffentlichen WC-Anlagen seien seiner Meinung nach am "falschen Standort". Die Widmung bzw. der Verwendungszweck des Flugdaches sei aus dem Baubescheid nicht zu entnehmen. Der Verweis auf den Zivilrechtsweg sei nicht gerechtfertigt. Die Stellungnahme des Sachverständigen entspreche den Interessen der Gemeinde "und ist daher in Frage gestellt, da wir aus Erfahrung das Gegenteil behaupten".
Mit Berufungsbescheid vom 26. Jänner 1994 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte die Behörde aus, der Verdacht, daß ein Freiluftgastlokal errichtet werden solle, sei unbegründet, weil dieser Verwendungszweck von der Gemeinde nicht beantragt worden sei, ebensowenig wie die Bewilligung der Verwendung des Flugdaches als Lagerraum. Das Flugdach diene in der Hauptsache einer Gestaltung der südseitigen Hauswand des Mehrzweckgebäudes, die sich ansonsten als glatte Hauswand darstelle, und diene als gedeckter Zuhörplatz bei Platzkonzerten der Musikkapelle in dem dem Merkzweckgebäude gegenüberliegenden Musikpavillon. Für eine Verwendung des Daches als Lagerraum wäre "eine Bauverhandlung erforderlich". Mit dem Flugdach werde die glatte Hauswand unterbrochen, was nach den Erfahrungsgrundsätzen der Schalldämmung, Schallbrechung und Schallabsorption gut geeignet sei, den auf der Hauswand auftretenden Schall zu brechen und damit zu dämpfen. Die Frage, ob der bestehende Lagerraum (Garage) der richtige Standort für die öffentliche WC-Anlage sei, betreffe kein Nachbarrecht im Sinne des § 30 TBO.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er insbesondere darauf verwies, der Einbau der Toilettenanlage in die Garage sei gemäß § 7 Abs. 6 und 9 TBO unzulässig. Seine Vermutung, die Herstellung des Flugdaches und der Toiletten diene hauptsächlich dazu, die früher im Schulgebäude bei Schlechtwetter abgewickelten Feste nunmehr im Freien unter das Flugdach zu verlegen, sei keineswegs von der Hand zu weisen. Richtig sei allerdings, daß der auf diese Vermutung gestützte Einwand möglicherweise keine Einwendung im Sinne des § 30 TBO darstelle, andererseits sei darauf zu verweisen, daß gemäß § 12 Abs. 1 TROG sehr wohl auf unzumutbare Immissionen Bezug genommen werde, sodaß es sich hiebei durchaus auch um Nachbarrechte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handle. Er habe die Erfahrung machen müssen, daß in einer kurzen Saison von ca. 6 Wochen auf dem fraglichen Grundstück drei, mitunter vier Veranstaltungen durchgeführt würden, die sich teilweise bis in die frühen Morgenstunden hingezogen hätten. Es sei dem Beschwerdeführer klar, daß bei einer Widmung von Sonderflächen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die in § 12 TROG geltenden Bestimmungen betreffend den Immissionsschutz nicht anzuwenden seien. Gerade deshalb solle aber, wenn eine Gemeinde selbst als Bauwerber auftrete, die Einhaltung der übrigen Bestimmungen einer besonders genauen Überprüfung unterzogen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte sie aus, daß nach dem Lageplan das Bauvorhaben betreffend den Umbau der Garage (Einbau der Toilettenanlage) im Abstandsbereich zum Weg verwirklicht werden solle. Da dem Nachbarn im Bauverfahren nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zukomme, könne er nur solche Einwendungen mit Erfolg geltend machen, die seine subjektiv-öffentlichen Rechte beträfen. Da die Grundparzelle des Beschwerdeführers "im Bereich der Bauführung" nicht an das zu bebauende Grundstück angrenze - sein Grundstück liege weiter südlich - könne er auch die Einhaltung dieser Abstandsbestimmungen nicht geltend machen. Ebensowenig komme ihm ein Mitspracherecht hinsichtlich der Zulässigkeit der Verwendungsänderung der bestehenden Garage zu. Im übrigen sei er mit dieser Einwendung präkludiert. Auch aus seiner Vermutung, daß die Herstellung der baulichen Anlage dazu dienen solle, die Abhaltung von Festen, die früher im Schulhaus stattgefunden hätten, bei Schlechtwetter unter dem Flugdach zu ermöglichen, sei nichts zu gewinnen. Grundsätzlich sei vom beantragten Verwendungszweck der baulichen Anlage auszugehen und die liege, wie der Gemeindevorstand in der Bescheidbegründung dargelegt habe und sich aus der Baubeschreibung ergebe, einerseits in der Gestaltung der südseitigen Hauswand, andererseits in der Schalldämmung und Schallbrechung bei Freiluftkonzerten. Zudem handle es sich um keinen Einwand im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO, den der Beschwerdeführer geltend machen könnte (wird näher ausgeführt). Im übrigen habe der Beschwerdeführer richtig erkannt, daß bei der vorliegenden Widmung als Sonderfläche auch kein Immissionsschutz für den Nachbarn gegeben sei und daher auch nicht geltend gemacht werden könne.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A u.v.a.).
Gemäß dem § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind derartige subjektiv-öffentliche Rechte als Rechte definiert, die in einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung oder aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verordnung begründet sind, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dienen. Danach können subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16 b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, ihm komme angesichts der Flächenwidmung ein Immissionsschutz nicht zu, erachtet sich aber seinem Vorbringen nach hinsichtlich der "Frage der Nachbarrechte im Sinne des § 30 TBO iVm den Bestimmungen des § 7 TBO" im Zusammenhalt mit dem Umstand, daß die belangte Behörde "zu Unrecht die Präklusion einer Einwendung angenommen" habe, verletzt: Die in § 7 Abs. 9 TBO normierte Bestimmung, die auch für Bauten auf Sonderflächen gelte, gewähre ebenfalls einen Immissionsschutz (dem Vorbringen nach wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Errichtung der Toilettenanlage im Abstandsbereich, weil die Frequentierung der Toilettenanlage "bei Festen auch zu Nachtzeiten erhebliche Auswirkungen" auf seine Liegenschaft hätte, auch wenn sein Gebäude südlicher liege; diese Auswirkungen würden auch dadurch verstärkt, "daß ja die Umwandlung der Garage in Toilettenanlagen die wesentliche Voraussetzung für die vom Beschwerdeführer befürchteten nächtlichen Feste der Gemeinde sind, auch wenn dies auch vorerst von dieser bestritten wird" - wird näher ausgeführt). Dem ist entgegenzuhalten, daß der Nachbar nur eine Verletzung der Abstandsvorschriften in bezug auf sein Grundstück mit Erfolg geltend machen kann und nicht auch zu anderen Grundstücken; zum Grundstück des Beschwerdeführers sind aber, wie die belangte Behörde im Einklang mit dem Lageplan zutreffend ausgeführt hat und was der Beschwerdeführer auch nicht bestreitet, die gesetzlichen Abstände gewahrt. Darauf kommt es an; ein allgemeiner Immissionsschutz der Art, wie ihn der Beschwerdeführer im Auge hat, ist aus § 7 TBO nicht ableitbar.
Da schon deshalb die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060089.X00Im RIS seit
03.05.2001