TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/17 94/09/0004

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Veröffentlicht am 17.11.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2 lita idF 1990/450;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 1990/450;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §46;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. November 1993, Zl. UVS-07/18/00395/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: BMAS), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der Cafe-Bar M in Wien. In diesem Lokal fand am 11. November 1992 eine Kontrolle durch das Landesarbeitsamt Wien (LAA) statt, wobei eine Ausländerin namens F.V. beim Einschenken und Servieren von Getränken angetroffen wurde. Unbestritten steht fest, daß die Beschwerdeführerin für F.V. keine Beschäftigungsbewilligung hatte und daß F.V. auch nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines war.

Der Magistrat der Stadt Wien (Mag.) als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz forderte die Beschwerdeführerin zu Handen ihres damaligen Vertreters K V am 12. Jänner 1993 zur Rechtfertigung auf. Dieser gab in seinem Schreiben vom 1. Februar 1993 an, F.V. sei mit ihm bis April 1992 verheiratet gewesen, wonach noch eine Lebensgemeinschaft aufrecht geblieben sei. Ein Arbeitsverhältnis oder arbeitnehmerähnliches Verhältnis habe zwischen der Beschwerdeführerin und F.V. nie bestanden.

Nach Einholung einer Stellungnahme des LAA und einer ergänzenden Einvernahme des K V erließ der Mag. ein mit 5. April 1993 datiertes Straferkenntnis, mit welchem die Beschwerdeführerin schuldig erkannt wurde, sie habe als Arbeitgeberin am 11. November 1992 in ihrem Gastgewerbebetrieb in Wien V die "jugoslawische" Staatsbürgerin F.V. mit Einschenken und Servieren von Getränken beschäftigt, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein für diese Beschäftigung ausgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe hiedurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt, wofür über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt wurde. Begründend verwies der Mag. auf die Anzeige und den Bericht des LAA, auf Grund deren die zur Last gelegte Tat als erwiesen anzunehmen sei. Bei der Strafbemessung seien weder mildernde noch erschwerende Umstände vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte geltend, ihr Lokal sei wegen Renovierungsarbeiten vorübergehend stillgelegt; die Beschwerdeführerin habe sich wiederholt davon überzeugt, daß der Betrieb in diesem Lokal tatsächlich eingestellt gewesen sei. Am 11. November 1992 seien im Lokal nur Herr V mit seinem Freund A, einem weiteren Freund sowie F.V. anwesend gewesen. Eine Ausschank an "Kunden" habe nicht stattgefunden. Es habe auch nie ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und F.V. bestanden. Das Verfahren sei infolge Nichtdurchführung der Entlastungsbeweise mangelhaft geblieben.

Die belangte Behörde hielt im Berufungsverfahren am 16. Juli 1993 eine mündliche Verhandlung ab, bei der als Zeugen die Herren B, C und D vom LAA einvernommen wurden. Nach Klärung der Frage, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich Inhaberin des Lokals gewesen war, und nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Beweisergebnissen, in welcher diese eine weitere Verhandlung sowie neuerlich die Einvernahme ihrer Entlastungszeugen beantragte, verkündete die belangte Behörde am 10. November 1993 den am 11. November 1993 schriftlich ausgefertigten angefochtenen Bescheid. Der Berufung der Beschwerdeführerin wurde in der Schuldfrage keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid insoweit gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Die Geldstrafe wurde jedoch von S 10.000,-- auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) herabgesetzt.

Begründend ging die belangte Behörde vom Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin aus, dem sie die wörtlichen Aussagen der drei von ihr einvernommenen Zeugen entgegensetzte. Die belangte Behörde erachtete das Vorliegen der objektiven und der subjektiven Tatseite als erwiesen und führte aus, in Abwägung des widersprüchlichen Vorbringens habe sie den Angaben und den zeugenschaftlichen Aussagen der Kontrollorgane des LAA Glauben geschenkt. Diese Zeugen unterlägen auf Grund ihres Diensteides und ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht, im Falle der Verletzung dieser Pflicht träfen sie straf- und dienstrechtliche Sanktionen. Es bestehe kein Anlaß, an ihren klaren, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Angaben zu zweifeln. Aus dem Akt ergäbe sich außerdem auch kein Anhaltspunkt dafür, daß diese Zeugen eine ihnen unbekannte Person wahrheitswidrig hätten belasten wollen. Die der Beschwerdeführerin angelastete Tat sei daher als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei.

Die Anträge auf Einvernahme der F.V., des K V, des A sowie von dessen Freund und von dessen Gattin sowie auf Einholung weiterer amtlicher Auskünfte seien abzuweisen gewesen, weil außer Streit gestellt worden sei, daß F.V. zur Tatzeit keine aufrechte Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis oder auch keinen Befreiungsschein gehabt habe, und das Zubereiten von Kaffee, selbst wenn es nur für eine Person erfolgt sei, als eine Arbeitsleistung anzusehen sei.

Die Strafe sei spruchgemäß herabgesetzt worden, weil die Beschwerdeführerin verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei, was der Mag. nicht berücksichtigt habe. Da somit nur mehr die gesetzliche Mindeststrafe verhängt worden sei, sei die Strafe nunmehr angemessen, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien. Die Beschwerdeführerin werde noch aufmerksam gemacht, daß sie im Wiederholungsfalle mit einer derartigen Milde der Behörde nicht mehr rechnen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle

BGBl. Nr. 450/1990, gilt als Beschäftigung, soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist, die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis und b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird.

Gemäß § 2 Abs. 3 lit. a AuslBG sind den Arbeitgebern in den Fällen des Abs. 2 lit. b die inländischen Vertragspartner jener Personen gleichzuhalten, für deren Verwendung eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin Inhaberin jenes Lokals war, in welchem am 11. November 1992 F.V. beim Einschenken und Servieren von Getränken angetroffen wurde; unbestritten ist ferner, daß F.V. damals weder über eine Beschäftigungsbewilligung noch über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügte.

Die näheren Umstände, wie es zu der beschriebenen Tätigkeit der F.V. gekommen ist, hat die belangte Behörde offenbar deshalb als unerheblich angesehen, weil sie meinte, jede Tätigkeit eines Ausländers für einen Inländer stelle ungeachtet ihrer näheren Umstände eine "Beschäftigung" nach dem AuslBG dar. Diese Auffassung findet allerdings im Gesetz keine Deckung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0193, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde ist zu ihren Feststellungen auf Grund der von ihr als glaubwürdig erachteten Aussagen der bei der Kontrolle am 11. November 1992 eingeschrittenen amtlichen Organe gelangt. Nun bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im Falle einer Bescheidbeschwerde nur eine nachprüfende Tätigkeit auf der Basis des im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes auszuüben, nicht aber eine Sachentscheidung zu treffen. Er hat dabei aber die Beweiswürdigung insoweit zu überprüfen, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Wesentliche Mängel in der Sachverhaltserhebung und bei der Beweiswürdigung führen zur Aufhebung des Bescheides (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 548 ff angeführte Judikatur).

Derartige wesentliche Mängel macht die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall mit Recht geltend. Offenbar ausgehend von ihrer bereits oben dargestellten irrigen Rechtsansicht hat es die belangte Behörde nämlich unterlassen, jene Beweise aufzunehmen und zu würdigen, die die Beschwerdeführerin zu ihrer Entlastung angeboten hat. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, ihr Lokal sei wegen Renovierungsarbeiten geschlossen gewesen und am 11. November 1992 nur von ihrem Vertreter K V und dessen Freunden besucht gewesen, denen F.V., die geschiedene Gattin V, aus Gefälligkeit Kaffee serviert habe, ist nämlich nicht solcherart, daß sie bereits nach einseitiger Anhörung der Anzeiger als Zeugen abgetan werden oder gar aus rechtlichen Gründen unbeachtet bleiben durfte. Dazu ist mit Rücksicht auf die Ausführungen in der Gegenschrift zu ergänzen, daß die Adresse des Zeugen A bereits in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 6. Mai 1993 genannt worden ist und daher aktenkundig war, und daß die belangte Behörde offenbar keinen Versuch gemacht hat, Namen und Adressen der weiteren Zeugen, etwa durch eine Rückfrage bei der Beschwerdeführerin, zu erfahren. Ungeprüft ist auch geblieben, ob, in welcher Höhe und wem gegenüber F.V. für ihre Tätigkeit einen Entgeltanspruch gehabt hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0137).

Die belangte Behörde hat daher nach den Umständen des Falles zu Unrecht davon Abstand genommen, die Verantwortung der Beschwerdeführerin durch Aufnahme der von ihr angebotenen Beweise zu überprüfen. Da dies offenbar auf eine unrichtige Rechtsauffassung zurückgeht, nämlich, daß bereits die "tatsächliche Beschäftigung eines Ausländers" eine Übertretung des AuslBG darstelle, hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994090004.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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