TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/17 93/18/0271

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Veröffentlicht am 17.11.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §56;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §20 Abs2;
StbG 1965 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. April 1993, Zl. St 8-2/93, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. April 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1, 2 und 3 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe sei 23 Jahren in Österreich. Seine Ehefrau halte sich seit 1986 ständig in Österreich auf. Hier lebten ferner auch zwei Kinder sowie die Enkelkinder des Beschwerdeführers.

Am 30. April 1987 habe der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand seine Ehefrau durch Schläge mit dem Stiel einer Hacke und seinen Sohn durch Faustschläge verletzt. Er sei auf Grund dieses Vorfalles mit Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 16. Dezember 1987 wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB bestraft worden. Auf Grund eines Vorfalles vom 16. Jänner 1988 sei über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO eine Geldstrafe von S 12.000,-- verhängt worden. Von derselben Behörde sei er wegen Lärmerregung mit S 1.000,-- bestraft worden.

Auf der Grundlage dieser Bestrafungen habe die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Bescheid vom 16. Mai 1988 ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 29. Juli 1988 Folge gegeben, weil die öffentlichen Interessen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie noch nicht überwögen.

Am 10. Februar 1991 sei es zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen, bei welcher er seine Frau am Körper verletzt habe. Am 14. Juli 1991 habe er sich nach dem Besuch eines Bierzeltes mit zwei Küchenmessern bewaffnet, um mit den Personen, die ihn vermeintlich beleidigt hätten, abrechnen zu können. Er habe diese Personen mit einem der Messer in der Art bedroht, daß diese geglaubt hätten, er habe eine Faustfeuerwaffe in der Hand.

Wegen dieser Vorfälle sei er mit Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6. Februar 1992 (in der Fassung des Urteiles des Oberlandesgerichtes Linz vom 15. Mai 1992) wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 in bezug auf § 83 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB bestraft worden. Nach einer Mitteilung des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde sei der Beschwerdeführer von dieser Behörde mit Strafverfügung vom 8. Jänner 1991 wegen der Finanzvergehen des versuchten Schmuggels und des versuchten vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopoles nach den §§ 35 Abs. 4 und 44 Abs. 2 lit. c Finanzstrafgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- bestraft worden.

Außer der bereits genannten Bestrafung nach § 5 Abs. 2 StVO sei der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Alkoholdelikten im Straßenverkehr noch zwei weitere Male rechtskräftig bestraft worden, und zwar mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27. September 1988 wegen der Übertretung des § 5 Abs. 4 lit. a StVO (Geldstrafe S 10.000,--) und mit Straferkenntnis dieser Behörde vom 2. Jänner 1991 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO (Geldstrafe S 25.000,--).

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (4. Fall) FrG sei erfüllt, weil die beiden gerichtlichen Verurteilungen strafbare Handlungen beträfen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten. Bei den Übertretungen des § 5 StVO, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig bestraft worden sei, handle es sich um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, sodaß auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Die Bestrafung durch das Zollamt Graz sei wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen und nicht - wie der Beschwerdeführer meine - wegen bloßer Finanzordnungswidrigkeiten erfolgt. Damit sei auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 erfüllt.

Die den Bestrafungen zugrundeliegenden Verhaltensweisen des Beschwerdeführers rechtfertigten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Das Aufenthaltsverbot greife zwar in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein, doch sei es zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten und damit gemäß § 19 FrG zulässig. Der Beschwerdeführer lebe zwar schon seit 23 Jahren im Bundesgebiet, doch sei seine Integration, was seine Sprachkenntnisse betreffe, noch nicht weit fortgeschritten. In seiner Stellungnahme vom 23. November 1992 habe er zudem angegeben, in den nächsten Jahren den elterlichen Hof in Jugoslawien übernehmen zu wollen. Trotz der Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Familie wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht so schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht erfolgreich auf § 20 Abs. 2 FrG berufen, weil auch schon vor der oben genannten Verurteilung durch das Kreisgericht Ried im Innkreis ihm die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nicht hätte verliehen werden können, weil die Voraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. nicht erfüllt gewesen sei. Auf Grund der vor der Bestrafung durch das Kreisgericht Ried im Innkreis gelegenen Vorfälle habe nicht gesagt werden können, der Beschwerdeführer bilde keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte vor ihrer Entscheidung ein amtsärztliches Gutachen zum Beweis dafür einholen müssen, daß er dem Alkoholkonsum "entsagt" habe. Seit dem Vorfall vom Sommer 1991 konsumiere er keinen Alkohol.

1.2. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Die seit dem letzten Vorfall vom 14. Juli 1991 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeit ist zu kurz, als daß ein allfälliges Wohlverhalten des Beschwerdeführers oder die von ihm behauptete Alkoholabstinenz während dieser Zeit die auf Grund der bestimmten Tatsachen vorzunehmende Prognose gemäß § 18 Abs. 1 FrG entscheidend beeinflussen könnte. Bei sämtlichen den Bestrafungen durch die Gerichte und durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau zugrundeliegenden Straftaten seit 1987 war Alkohol im Spiel. Es bedarf daher eines wesentlich längeren Zeitraumes als des bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen, um zur Auffassung gelangen zu können, die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei auf Grund des seit der letzten Straftat gezeigten Wohlverhaltens nicht mehr gerechtfertigt.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt. Seit der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Juli 1988 sei er nämlich nicht mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden. Ein Aufenthaltsverbot hätte daher, wenn überhaupt, nur für höchstens zehn Jahre erlassen werden dürfen.

2.2. Der Beschwerdeführer unterliegt bei seinen Ausführungen insofern einem Rechtsirrtum, als er davon ausgeht, die vor der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Juli 1988 erfolgte gerichtliche Verurteilung sei nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerde ist nicht einmal der Ansatz einer Begründung dafür zu entnehmen, warum die rechtskräftige Verurteilung wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB durch das Bezirksgericht Mattighofen vom 16. Dezember 1987 außer Bedracht bleiben soll. Wenn die belangte Behörde im Bescheid vom 29. Juli 1988 die Auffassung vertreten hat, daß bei der damals gegebenen Sachlage die Interessenabwägung (noch) zugunsten des Beschwerdeführers ausfalle, bedeutet dies nicht, daß die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Bestrafungen in einem späteren Verfahren nicht berücksichtigt werden dürften. Die belangte Behörde hat demnach mit Recht auch die mit dem Urteil vom 16. Dezember 1987 erfolgte Bestrafung in ihre Überlegungen miteinbezogen und ist sohin zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß auf Grund der gerichtlichen Bestrafungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (4. Fall) FrG erfüllt sei.

3. Gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 19 FrG dringend geboten, führt der Beschwerdeführer nichts ins Treffen. Er hält hingegen das Ergebnis der im Grunde des § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgenommenen Interessenabwägung für rechtswidrig, ohne jedoch einen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang unterlaufenen Rechtsirrtum dartun zu können. Die belangte Behörde hat bei der Interessenabwägung auf die auch in der Beschwerde in den Vordergrund gestellten Umstände Bedacht genommen. Sie hat eine Einschränkung beim Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nur insoweit vorgenommen, als der Beschwerdeführer trotz der langen Dauer seines Aufenthaltes nur über mangelhafte Deutschkenntnisse verfüge. Der Beschwerdeführer bringt gegen die diesbezügliche schlüssige Begründung im angefochtenen Bescheid nichts vor. Wenn die belangte Behörde bei der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers in seiner Familie, kann dies im Hinblick auf die Häufigkeit und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4.1. Der Beschwerdeführer bekämpft schließlich die Auffassung der belangten Behörde, § 20 Abs. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Er betont in diesem Zusammenhang, daß er weder durch ein inländisches noch durch ein ausländisches Gericht wegen einer oder mehrer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sei und ein derartiges Strafverfahren gegen ihn auch nicht anhängig gewesen sei. Gegen ihn habe auch kein Aufenthaltsverbot bestanden. Sein Verhalten seit 1988 biete ausreichend Gewähr dafür, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle.

4.2. Der für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 entscheidende Zeitpunkt war - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - der der Rechtskraft der vorletzten der von der belangten Behörde herangezogenen Bestrafungen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491 und vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0533). Die belangte Behörde hatte demnach unter anderem zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer vor der im Jahre 1992 erfolgten gerichtlichen Verurteilung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür geboten hat, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde. Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer eine solche Gewähr nicht geboten hat, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, vor allem wenn man sich die drei rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen des § 5 StVO vor Augen hält, die die negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber diesen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen erlassenen Rechtsvorschriften erkennen lassen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 4. März 1987, Slg. Nr. 12.412/A, vom 15. Dezember 1993, Zl. 92/01/0820, und vom 20. Mai 1994, Zl. 92/01/0953).

5. Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180271.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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