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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Februar 1994, Zl. UVS-07/02/00934/93, betreffend Übertretung des AuslBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Wiener Gemeindebezirk wurde der Beschwerdeführer als Obmann und somit als verantwortliches Organ des Vereins T-Ferienclub dafür bestraft, daß dieser Verein am 27. Juni 1991 in seinem Espresso in Wien zwei Ausländerinnen, nämlich die tschechischen Staatsbürgerinnen
1)
Frau A und
2)
Frau B
als Kellnerinnen beschäftigt habe, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen von je S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das strafbare Verhalten sei durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung angezeigt worden. Der Beschwerdeführer habe zu seiner Rechtfertigung angegeben, der genannte Verein, für den er als Obmann tätig sei, wäre nicht auf Gewinn ausgerichtet und auf die Mitarbeit seiner Mitglieder angewiesen. Frau B, verehelichte S, sei die Gattin eines Klubmitgliedes, die nach wie vor die Klubaktivitäten unterstütze. Frau A wäre nicht für den Klub tätig und ihre Anwesenheit nur freundschaftlicher Art gewesen. Dem sei - so die Behörde erster Instanz weiter - entgegenzuhalten, daß der gegenständliche Verein im Besitz einer Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Espressos sei. Überdies seien bei der Überprüfung durch die Bundespolizei am 27. Juni 1991 im Lokal Gäste angetroffen worden, die Getränke konsumiert hätten, ebenfalls seien auch Speisen im Lokal zubereitet worden. Eine nicht auf Gewinn ausgerichtete Tätigkeit könne also nicht angenommen werden. Frau S habe zeugenschaftlich angegeben, als Klubbetreuerin vom Beschwerdeführer beschäftigt worden zu sein. Sie erzähle den Leuten von den Angeboten und berate sie; dafür bekäme sie ein geringes Entgelt. Frau A habe zeugenschaftlich angegeben, sie wäre vom Beschwerdeführer nicht beschäftigt worden, habe ihn lediglich besucht und ein wenig ausgeholfen, indem sie Geschirr abgewaschen hätte. Frau P habe zeugenschaftlich angegeben, es stimme, daß die beiden Ausländerinnen im Verein tätig gewesen seien. Mit welchen Aufgaben sie genau betraut gewesen seien, könne sie selbst nicht genau sagen, weil sie selbst nur ausgeholfen habe. Sie könne jedoch sagen, daß beide Ausländerinnen Getränke ausgeschenkt hätten.
Aus diesen Zeugenaussagen gehe klar hervor, daß die beiden Ausländerinnen im gegenständlichen Verein beschäftigt gewesen seien, auch wenn sie nur ein geringes bzw. kein Entgelt für ihre Tätigkeit erhalten hätten. Laut Ausländerbeschäftigungsgesetz sei der Tatbestand einer Übertretung auch dann erfüllt, wenn es sich um eine unentgeltliche Tätigkeit handle. Der Tatbestand sei somit als erwiesen anzusehen. Bei der Strafbemessung sei kein Umstand als mildernd, keiner als erschwerend gewertet worden. Die durchschnittlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers seien bei der Strafbemessung berücksichtigt worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. September 1992 folgende Berufung:
"Die obgenannte Strafverfügung wird in Ihrem gesamten Inhalt wegen Rechtswidrigkeit und falscher rechtlicher Beurteilung angefochten.
Aus den Zeugenaussagen geht klar hervor, daß die Schlußfolgerung der Behörde falsch ist.
Bei gewissenhafter Untersuchung unserer Vereinsstruktur wäre dies auch dem dümmsten Beamten klargeworden. Hier hat aber offensichtlich niemand an einer ehrlichen Untersuchung Interesse gehabt, vielmehr wurde im vorauseilenden Gehorsam die Anzeigen eines mehr als bedenklichen Marktbeamten, der über 'ALLES REDEN' könnte, als fadenscheiniger Beweis genommen.
Antrag: Diesen Bescheid wegen offensichtlichen Rechtsirrtums aufzuheben."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen".
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach der zwingenden Vorschrift des § 63 Abs. 3 AVG, der nach § 24 in Verbindung mit § 51 Abs. 3 VStG auch auf schriftliche Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung zu finden habe, müsse die Berufung nicht nur den Bescheid bezeichnen, gegen den sie sich richte, sondern auch einen begründeten Berufungsantrag enthalten. Auf das Erfordernis eines solchen Antrages sei in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden. § 63 Abs. 3 AVG verlange eine Darstellung der Partei, ob und aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes oder hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage bekämpfe. In diesem Sinne verlange auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Berufung wenigstens erkennen lassen müsse, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Die Berufung, die den Gegenstand dieses Verfahrens bilde, enthalte einen solchen begründeten Berufungsantrag nicht. Der Beschwerdeführer habe zwar das bisherige Vorgehen der Erstbehörde gerügt, doch sei keinesfalls erkennbar, womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Er bringe weiters lediglich vor, aus den Zeugenaussagen gehe klar hervor, daß die Schlußfolgerung der Behörde falsch sei, sowie, daß bei einer gewissenhafteren Untersuchung der Vereinsstruktur dies auch dem dümmsten Beamten klar geworden wäre. Der Beschwerdeführer behaupte sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und rüge das Vorgehen der Erstbehörde, deren Schlußfolgerungen falsch seien. Die Berufung sei jedoch nicht näher ausgeführt und enthalte keine Andeutung darüber, worin konkret die behauptete Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides gelegen sein solle. Sie enthalte daher keinen begründeten Berufungsantrag, was - da es sich hiebei um einen nicht verbesserungsfähigen Mangel handle - zur Zurückweisung als unzulässig zu führen gehabt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, auf eine Gegenschrift verzichtet, aber kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Beschwerdevorbringen verletzt der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer
-
dadurch, daß der Berufungsantrag ohne meritorische Prüfung zurückgewiesen wurde, in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf gesetzmäßige Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Verwaltungsgerichtshofgesetzes,
-
entgegen dem § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG nicht bestraft zu werden und
-
auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens gemäß § 19 VStG.
Die belangte Behörde stützt ihre Zurückweisung der Berufung auf § 63 Abs. 3 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist und folgenden Wortlaut hat:
"Die Berufung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Berufung nur dann gesetzmäßig erhoben worden, wenn sie einen Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung enthält.
§ 63 Abs. 3 AVG darf aber im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch ausgelegt werden; die Berufung muß aber wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1981, Slg. Nr. 10.343/A). Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist nicht wesentlich, daß die Begründung stichhältig ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1967, Zl. 1234/67).
Die von der belangten Behörde zurückgewiesene Berufung erfüllt entgegen der Auffassung der belangten Behörde diese Anforderungen. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Berufung die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides wegen offensichtlichen Rechtsirrtums begehrt. Er bezeichnet die rechtliche Beurteilung der Behörde erster Instanz als unrichtig und bemängelt sinngemäß die Verfahrensführung wegen nicht hinreichender Untersuchung der Vereinsstruktur; er macht damit eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes geltend. Damit ist aber sowohl erkennbar, was der Beschwerdeführer anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher bereits auf Grund dieser Überlegungen als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994090221.X00Im RIS seit
20.11.2000