Index
L85007 Straßen Tirol;Norm
AVG §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des JH, der BH und des A in H, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tir LReg vom 8. März 1994, Zl. IIb1-L-2025/1-1994, betr eine öffentliche Interessentenstraße (mP: 1. Straßeninteressentschaft "X-Weg", vertr durch S, dieser vertr durch Dr. W, RA in W,
2. Marktgemeinde H, vertr durch den Bgm), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 19. Juni 1990 hat S als Obmann der Güterweggenossenschaft X bei der mitbeteiligten Marktgemeinde die Erklärung als öffentliche Interessentenstraße des X-Weges beantragt. Über diesen Antrag wurde mit Kundmachung der mitbeteiligten Marktgemeinde eine mündliche Verhandlung für den 31. Juli 1990 anberaumt, an der alle in Frage kommenden Interessenten mit Ausnahme des JL (2,93 Anteile) und der TH (0,27 Anteile) teilgenommen haben. Sämtliche Anwesenden erklärten, mit der Übernahme einer bestimmten Anteilsberechnung einverstanden zu sein und unterfertigten dies in der Niederschrift über die Verhandlung vom 31. Juli 1990 an der für sie jeweils vorgesehenen Stelle. Die nunmehrigen Beschwerdeführer unterfertigten die gesamte Niederschrift am Ende der Verhandlung nicht, der Großteil der übrigen Verhandlungsteilnehmer schon.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde H vom 10. Juli 1991 wurde der X-Weg nach Maßgabe und im Umfang der planlichen Darstellung in der Anlage, die zu einem wesentlichen Bestandteil des Bescheides erklärt wurde, zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt. Gleichzeitig wurde die Straßeninteressentschaft mit der in der Anlage des Bescheides enthaltenen, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Satzung gebildet. Die Beitragsanteile waren in der Satzung festgehalten.
In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachten die Eheleute H vor, sie bekämpften den Bescheid nur insoweit, als er sich auf das Grundstück Nr. .372, das im Miteigentum der Beschwerdeführer stehe, beziehe; über die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführer sei in der mündlichen Verhandlung kein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt worden. Aus dem Bescheid gehe darüber hinaus die tatsächliche Beanspruchung der betroffenen Grundstücke nicht hervor, es lägen für die letzten 100 m (über das Grundstück Nr. .372) der Interessentenstraße die gesetzlichen Voraussetzungen für die Öffentlichkeitserklärung nicht vor, insbesondere fehle das Verkehrsinteresse im Sinne des Tiroler Straßengesetzes.
Der Drittbeschwerdeführer brachte vor, daß er anläßlich der mündlichen Verhandlung der Widmung des X-Weges als Interessentenstraße nicht zugestimmt habe und sich gegen die Verbreiterung des Weges von 3 auf 4 m und gegen die Abtretung von Grund dafür ausgesprochen habe. Seine Einwendungen seien zwar nicht protokolliert worden, ergäben sich aber aus seiner Weigerung, die Verhandlungsschrift zu unterfertigen.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 15. Juni 1993 wurden den Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters nur insoferne Folge gegeben, als eine verbale Umschreibung des Verlaufes der Interessentenstraße erfolgte und auf die mit Genehmigungsvermerk versehene planliche Darstellung in der Anlage verwiesen wurde.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. März 1994 keine Folge gegeben. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß sich aus der Zustimmung zur Übernahme bestimmter Anteile auch die Zustimmung zur Öffentlicherklärung des X-Weges ergäbe. Das Vorliegen einer Verkehrsbedeutung stelle ein öffentliches Interesse dar, dessen Beurteilung der Behörde obliege, ein Mitspracherecht der Parteien dazu sei dem Tiroler Straßengesetz nicht zu entnehmen. Am Vorliegen eines derartigen öffentlichen Interesses auch an den letzten 100 m (über Grundstück .372) könne kein Zweifel bestehen, weil dieses Interesse, das über den "bestimmten Kreis von Benützern" hinausgehe, auch darin gelegen sei, daß auch die (zumindest fußläufige) Erschließung von Erholungsräumen in einem örtlichen Raumordnungsinteresse stehe. Daß aber die zahlreichen Hütten des Deutschen Alpenvereines in Tirol nicht auch von Ortsansässigen besucht würden, widerspreche der Erfahrung des täglichen Lebens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die Erst- und Zweitmitbeteiligten jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, erfolgt die Erklärung einer Straße zur öffentlichen Interessentenstraße bei einer durch Vertrag gebildeten Straßeninteressentschaft durch Beschluß der Straßeninteressentschaft, bei einer durch Bescheid gebildeten Straßeninteressentschaft durch Bescheid der Behörde. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung können zu öffentlichen Interessentenstraßen jene Straßen erklärt werden, die neben dem örtlichen Verkehr im Sinne des § 13 Abs. 2 überwiegend der Deckung der Verkehrsbedürfnisse eines bestimmten Kreises von Benützern dienen.
§ 20 des Tiroler Straßengesetzes regelt die Bildung der Straßeninteressentschaft, diese kann gemäß Abs. 1 lit. b dieser Bestimmung durch Bescheid der Behörde gebildet werden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde auf Antrag einer nach Abs. 5 als Interessent in Betracht kommenden Person mit Bescheid einer Straßeninteressentschaft zu bilden, wenn
a) der Straße eine Verkehrsbedeutung nach § 16 Abs. 3 zukommt,
b) die Straße für alle in die Straßeninteressentschaft einzubeziehenden Interessenten einen verkehrsmäßigen Vorteil bringt und
c) die einfache Mehrheit der Interessenten, auf die mindestens 75 v.H. der Beitragsanteile (§ 22) entfallen, der Bildung der Straßeninteressentschaft zustimmt.
Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer bestreiten das Vorliegen der Voraussetzung des § 16 Abs. 3 lit. a des Tiroler Straßengesetzes für die letzten 100 m der Interessentenstraße. Sie führen dazu aus, es sei ihnen als Eigentümern des in starker Hanglage gelegenen Bergbauernhofes "R" immer ein besonderes Anliegen gewesen, daß aufgrund des begrenzten Raumes im Hofraum nur die Fahrzeuge der Anrainer und Miteigentümer des Grundstückes .372 H ("R"), L ("M") und S ("Y"), verkehrten. Diesbezügliche Schwierigkeiten zwischen den Eigentümern der drei genannten Höfe hätten zu einer gerichtlichen Benützungsregelung geführt. Als im Jahr 1985 die Sektion München des Deutschen Alpenvereines die Einräumung eines Notweges unter anderem auch über den Bereich des Hofraumes beantragt habe, hätten sich die Erst- und Zweitbeschwerdeführer konsequenterweise im Ergebnis erfolgreich dagegen gewehrt. 100 m nach dem Hof sei der Weg abgeschrankt; ein allgemeines Verkehrsinteresse sei für diesen Bereich nicht mehr gegeben.
Voraussetzung für die Erklärung zur öffentlichen Interessentenstraße ist, wie die Beschwerdeführer zutreffend erkannt haben, daß die Straße überwiegend der Deckung des Verkehrsbedürfnisses eines bestimmten Benützerkreises dient, was hier durch die drei Eigentümer der bereits genannten Höfe gegeben ist und die Straße daneben dem örtlichen Verkehr im Sinne des § 13 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes (somit auch dessen lit. c) dient. Nach der zuletzt genannten Bestimmung dient eine Straße auch dann dem örtlichen Verkehr, wenn sie für eine Erschließung, die in einem örtlichen Raumordnungsinteresse gelegen ist, von Bedeutung ist.
Da auch die Erst- und Zweitbeschwerdeführer ausführen, daß die Hütten des Alpenvereines wiederholt besucht werden und sie gerade darin die unzumutbaren Beeinträchtigungen ihrer Interessen sehen, ist davon auszugehen, daß schon die mitbeteiligte Gemeinde mit Recht festgestellt hat, daß eine Erschließung dieser Alpenvereinshütten in einem örtlichen Raumordnungsinteresse der Gemeinde gelegen ist, dient doch auch die Erschließung von Erholungsräumen einem örtlichen Raumordnungsinteresse.
Auch der Hinweis dieser Beschwerdeführer auf das Vorliegen einer Sackgasse vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht nicht darzutun; es liegt gerade bei öffentlichen Interessentenstraßen im Gebirge in der Natur der Sache, daß die öffentliche Straße an einem bestimmten Punkt endet.
Hingegen kommt den Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit der fehlenden Zustimmung der drei Beschwerdeführer zur Bildung einer Weginteressentschaft im Ergebnis Berechtigung zu.
Gemäß § 20 Abs. 3 StrG ist hiefür die einfache Mehrheit der Interessenten, auf die mindestens 75 v.H. der Beitragsanteile (§ 22) entfallen, erforderlich. Auf die Erst- und Zweitbeschwerdeführer entfallen 21,73 % der Anteile, auf den Drittbeschwerdeführer 3,37 %.
In der Niederschrift über die Verhandlung vom 31. Juli 1990 wird auf Seite 2 ausgeführt: "Nach längerer Debatte stimmen die anwesenden Interessenten prinzipiell der Öffentlichkeitserklärung und der Interessentschaftsbildung laut Kundmachung vom 16./17. zu, das heißt, daß der zukünftige öffentliche Weg beim P-Weg beginnt und an der Westgrenze der Bauparzelle 372 (gemeinsamer Hofraum) und beim Neubau X endet. Die Grundeigentümer sind prinzipiell bereit, den zum Bau der Weganlage X erforderlichen Grund in einer Regelbreite von 4.0 m (gerade) mit den erforderlichen Verbreiterungen in den Ausweichen, Kurven und Kehren in das öffentliche Gut abzutreten ...". Unter "Parteienäußerungen" (Seite 4 bis 6) wird hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführer festgehalten:
"HJ - u. B, mit der Übernahme von 21,73 Anteilen einverstanden". Darunter findet sich auf Seite 4 der Niederschrift zur Verhandlung die Unterschrift des diese Beschwerdeführer vertretenden Anwaltes. Auf Seite 5 der Niederschrift betreffend den Drittbeschwerdeführer wird festgehalten: "A - L ist mit der Übernahme von 3,37 Anteilen einverstanden. Der Beschwerdeführer erklärt sich für die Einstufung mit 3,37 Anteilen einverstanden. A". Auf Seite 6 der Niederschrift ist die Stellungnahme der Erst- und Zweitbeschwerdeführer wie folgt festgehalten: "Unter Aufrechterhaltung der Zustimmung zur Anteilsberechnung von 21,73 % verzichten J und BH auf die Führung des Weges über jenen kleinen Teil der über den Hofraum 372 führt. Sie erheben Einwendungen gegen die Inanspruchnahme der GP 3404 und 3406 als Eigentümer und der GP 372 als Miteigentümer für jenen Teil des Weges der beginnend mit GP 372 über den Hofraum führt. Rechtsanwalt W und HJ jun. entfernen sich, ohne eine Unterschrift abzugeben". Das Ende der Niederschrift wurde vom Verhandlungsleiter und 8 Verhandlungsteilnehmern unterfertigt.
Gemäß § 14 Abs. 1 AVG sind mündliche Anbringen von Beteiligten erforderlichenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten. Niederschriften über Verhandlungen sind derart abzufassen, daß bei Weglassung alles nicht zur Sache gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Entfernt sich eine Person vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenden Teiles der Niederschrift, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.
Die Beschwerdeführer haben, wie bereits erwähnt, nicht die gesamte Niederschrift vom 31. Juli 1990 unterfertigt, sondern nur jenen Teil der Niederschrift, in dem ihre Beitragsanteile festgehalten wurden. Hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführer ist im Verhandlungsprotokoll zumindest festgehalten, daß sie sich gegen die Einbeziehung der GP 372 über den Hofraum hinaus aussprachen. Der Verhandlungsleiter hat aber nicht gemäß § 14 Abs. 3 AVG unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung der gesamten Niederschrift durch die Beschwerdeführer nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe ausdrücklich bestätigt.
Gemäß § 15 AVG liefert eine gemäß den Bestimmungen des § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig. Im Beschwerdefall wurde die Niederschrift nicht gemäß den Bestimmungen des § 14 Abs. 3 AVG aufgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 24. November 1975, Slg. Nr. 8931/A sowie vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0137, ausgesprochen, daß dann, wenn eine Niederschrift nicht gemäß den Bestimmungen des § 14 AVG aufgenommen worden ist, die Partei gegen die Richtigkeit des bezeugten Vorganges nicht den Gegenbeweis anzutreten hat. Es obliege dann vielmehr der Behörde, durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen den Beweis über den Inhalt der Verhandlung aufzunehmen.
Schon in seiner Berufung gegen den Bescheid vom 10. Juli 1991 hat der Drittbeschwerdeführer ausgeführt, daß er in der Verhandlung vom 31. Juli 1990 dem Antrag, den X-Weg als öffentliche Interessentenstraße zu erklären, nicht zugestimmt habe, sich gegen die Verbreiterung des Weges ausgesprochen und auch erklärt habe, nicht bereit zu sein, für die Verbreiterung des Weges Grundanteile zur Verfügung zu stellen. Seine Einwendungen seien zwar nicht protokolliert worden, sie ergäben sich aber aus der Weigerung, das Protokoll zu unterfertigen. Da der Niederschrift über die Verhandlung vom 31. Juli 1990 aber zumindest zu entnehmen war, daß sich die Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht zur Gänze mit dem vorgesehenen Interessentenweg einverstanden erklärten, wäre aber schon die Berufungsbehörde gehalten gewesen, dem Berufungsvorbringen des Drittbeschwerdeführers, seine Einwendungen seien nicht protokolliert worden, nachzugehen, dies umsomehr, als die Beschwerdeführer gemeinsam Anteile von 25,10 % repräsentieren und beim Fehlen ihrer Zustimmung die gemäß § 20 Abs. 3 lit. c StrG erforderliche Mehrheit nicht gegeben wäre. Die Berufungsbehörde wäre daher gehalten gewesen, von Amts wegen Beweis über den Inhalt der Verhandlung vom 30. Juli 1990 betreffend die Erklärungen des Drittbeschwerdeführers aufzunehmen.
Da die belangte Behörde diesen Mangel nicht erkannte, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060096.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
02.02.2011