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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. September 1993, Zl. UVS-01/15/00144/93, betreffend Festnahme, Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangten Behörde die vom Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Liberia, erhobene Schubhaftbeschwerde, soweit sie sich gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 4. September 1993 und die am selben Tag erfolgte Verhängung der Schubhaft richtete, gemäß § 52 Abs. 2 und 4 FrG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab; in bezug auf die weitere Anhaltung in Schubhaft wurde der Beschwerde Folge gegeben und festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht mehr vorliegen. In der Begründung führte die belangte Behörde folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe im Jänner 1990 Liberia verlassen und sich in der Folge in Togo, in der Türkei, in Rumänien und in Ungarn aufgehalten. Am 1. Juni 1993 sei er zu Fuß illegal (ohne Reisedokument und über die grüne Grenze) von Ungarn nach Österreich eingereist. Sein am 2. Juni 1993 gestellter Antrag auf Gewährung von Asyl sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres - rechtswirksam erlassen am 7. Juli 1993 - abgewiesen worden.
Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See habe mit Bescheid vom 4. Juni 1993 den Beschwerdeführer ausgewiesen. Der Beschwerdeführer sei aufgrund des von der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt am 3. Juni 1993 erlassenen Schubhaftbescheid zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung am 4. Juni 1993 in Schubhaft genommen worden. Am 6. August 1993 sei er als haftunfähig aus der Schubhaft entlassen worden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 2. September 1993 sei ein am 14. Juli 1993 gestellter Antrag gemäß § 54 FrG des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden.
Am 4. September 1993 um 15.00 Uhr sei der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Sonderstreife in Wien 15 gemäß § 85 Abs. 2 FrG festgenommen worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. September 1993 sei über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet worden.
Der Beschwerdeführer sei auf die Möglichkeit, einen Antrag gemäß § 54 FrG zu stellen, in Kenntnis gesetzt worden. Er habe hiezu auf seine Angaben im Asylverfahren verwiesen und zur Kenntnis genommen, daß die Behörde annehme, er verzichte auf einen solchen Antrag.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. September 1993 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 FrG bestraft worden. Mit einem weiteren Bescheid dieser Behörde von diesem Tag sei gegen ihn gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 7 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden.
Mit Schreiben vom 15. September 1993 habe die Bundespolizeidirektion Wien das Bundesministerium für Inneres ersucht, für den Beschwerdeführer bei der liberianischen Botschaft in Bonn die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu erwirken.
Die Festnahme des Beschwerdeführers gemäß § 85 Abs. 2 FrG sei zu Recht erfolgt, weil er sich unbestrittenermaßen nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe (Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG) und nicht gewillt sei, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Auch der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid und die unmittelbar darauf folgende Festnahme in Schubhaft würden sich als rechtmäßig erweisen. Der sich illegal im Bundesgebiet aufhaltende Beschwerdeführer habe nie zu erkennen gegeben, daß er das Bundesgebiet freiwillig verlassen werde, weshalb es unerläßlich erscheine, seine Ausreise zu überwachen. Nach den Ermittlungen der belangten Behörde sei es jedoch derzeit nicht möglich, ein Heimreisezertifikat zu beschaffen. Der Zweck der Schubhaft, nämlich die Abschiebung des Beschwerdeführers, könne daher nicht mehr erreicht werden.
Gegen den die Schubhaftbeschwerde abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Festnahmeermächtigung des § 85 Abs. 2 FrG könne nicht dazu dienen, eine Festnahme eines Fremden, mit der bloß noch die Sicherung der Abschiebung erreicht werden solle, zu rechtfertigen. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe, habe die Festnahme des Beschwerdeführers ausschließlich diesem Zweck gedient.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die Festnahme des Beschwerdeführers gemäß § 85 Abs. 2 FrG deswegen als rechtmäßig ansah, weil er sich unbestrittenermaßen nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und nicht gewillt gewesen sei, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt rechtfertigte aber die Annahme, daß die Vorführung des Beschwerdeführers für die Sicherung des Strafverfahrens unerläßlich war. Die Auffassung des Beschwerdeführers, mit seiner Festnahme habe ausschließlich die Sicherung der Abschiebung erreicht werden sollen, ist somit unrichtig.
Der Beschwerdeführer wendet unter Hinweis auf die §§ 41 Abs. 1 und 48 Abs. 1 und 2 FrG gegen die am 4. September 1993 verhängte Schubhaft ein, die Bundespolizeidirektion Wien habe vor Verhängung der Schubhaft zu prüfen gehabt, ob ein Heimreisezertifikat überhaupt beschafft werden könne. Dies habe sie jedoch offenkundig unterlassen. Die belangte Behörde hätte dies feststellen müssen. Jedenfalls hätte die belangte Behörde Ermittlungen darüber pflegen müssen, ob der Bundespolizeidirektion Wien nicht schon zum 4. September 1993 bekannt gewesen sei oder bekannt habe sein müssen, daß die Erlangung eines Heimreisezertifikates für Liberia nicht möglich gewesen sei.
Gemäß § 41 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (§ 48 Abs. 3 FrG). Aufgrund des unbestritten gebliebenen Sachverhaltes durfte von der belangten Behörde die Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft zur Verfahrenssicherung als gegeben angesehen werden. Im Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft hatte die Bundespolizeidirektion Wien zu prüfen, ob aufgrund des bis dahin bekannt gewordenen Sachverhaltes die Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer möglich sein wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0063). Einer solchen Annahme entgegenstehende Anhaltspunkte können dem festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden. Auch die Beschwerdeausführungen enthalten dazu kein konkretes Vorbringen.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß die Bundespolizeidirektion Wien bereits vor Verhängung der Schubhaft zu prüfen hatte, ob ein Heimreisezertifikat überhaupt erlangt werden könne, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist die Behörde gemäß § 48 Abs. 1 FrG verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, doch kann daraus nicht abgeleitet werden, daß bereits vor Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen war, ob auch die Voraussetzungen für eine allfällige Abschiebung gegeben sind.
Schließlich bestand auch für die belangte Behörde keinerlei Veranlassung, Ermittlungen darüber zu pflegen, ob der Bundespolizeidirektion Wien bereits zum 4. September 1993 bekannt war oder bekannt sein mußte, daß die Erlangung eines Heimreisezertifikates für Liberia nicht möglich war.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180501.X00Im RIS seit
20.11.2000