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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des W in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Juni 1994, Zl. 15/55-1/1994, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Straferkenntnis des Stadtmagistrates Innsbruck (Mag.) vom 16. März 1993, mit welchem der Beschwerdeführer wegen der unberechtigten Beschäftigung dreier Ausländer nach § 28 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) zu drei Geldstrafen in der Höhe von je S 10.000,-- verurteilt worden war, wurde dem Beschwerdeführer durch die Post am 19. März 1993 zugestellt.
Am 13. April 1993 gab der Anwalt des Beschwerdeführers eine Berufung gegen dieses Straferkenntnis zur Post, in deren Einleitung er darauf hinwies, daß dieses Rechtsmittel "innerhalb offener Frist" erhoben werde.
Der Mag. legte diese Berufung der nunmehr belangten Behörde vor, welche mit Bescheid vom 14. Mai 1993 die Berufung als verspätet eingebracht zurückwies. Mit Rücksicht auf die Zustellung am 19. März 1993 hätte die Berufung spätestens am 2. April 1993 zur Post gegeben werden müssen.
Am 7. Juni 1993 überreichte der Anwalt des Beschwerdeführers persönlich beim Mag. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist; zugleich führte er erneut die Berufung aus. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer damit, daß er anläßlich der Zustellung des Straferkenntnisses am 19. März 1993 als Termin für das Erheben einer Berufung den 31. März 1993 in seinem Kalender habe eintragen wollen. Aus dem Beschwerdeführer bis heute unerklärlichen Gründen, aber wahrscheinlich wegen Arbeitsüberlastung und der Hektik, die am 19. März 1993 in seinem Betrieb geherrscht habe, habe der Beschwerdeführer den 31. März mit dem 13. April verwechselt. Er habe daher den 13. April 1993 als Frist für die Rechtsmittelbelehrung eingetragen. An diesem Tag habe er seinem Anwalt das Straferkenntnis übergeben und dieser habe noch am selben Tag orndungsgemäß Berufung erhoben. Ein derartiger Irrtum bzw. Fehler sei dem Beschwerdeführer in seiner langjährigen Tätigkeit noch nie passiert, dieses Versehen sei auf Arbeitsüberlastung zurückzuführen. Diesen seinen einmaligen Fehler habe der Beschwerdeführer erst anläßlich der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Mai 1993 bemerkt.
Mit Bescheid vom 10. März 1994 wies der Mag. den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung ab, der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Grund stelle kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Der Beschwerdeführer habe bei der Vormerkung der Rechtsmittelfrist die ihm obliegende Sorgfalt nicht angewendet.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung; auch eigene menschliche Unzulänglichkeit stelle ein Ereignis im Sinne der gesetzlichen Vorschriften über die Wiedereinsetzung dar. Es wären daher die näheren Umstände zu prüfen gewesen, die zum Fehlverhalten des Beschwerdeführers geführt hätten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Juni 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe als unbegründet ab, daß sie in den Spruch die Zitierung "gemäß § 71 Abs. 4 iVm § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG" einfügte. Es stehe unbestritten fest, daß das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer am 19. März 1993 zugestellt und von diesem eingenhändig übernommen worden sei. Es wäre ihm unbenommen gewesen, dieses Straferkenntnis umgehend seinem Rechtsvertreter zu übermitteln. Selbst wenn man von der Darstellung des Beschwerdeführers ausgehe, stelle die Verwechslung im Terminkalender keinen minderen Grad des Versehens dar. Das Straferkenntnis habe eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Fristversäumnis stelle für den Beschwerdeführer kein unverschuldet und unvorhergesehen eintretendes Ereignis dar. Es hätte ihm auch die besondere Art der Zustellung (eingeschrieben) auffallen müssen. Selbst wenn man seinen Angaben folge, liege ein minderer Grad des Versehens schon deshalb nicht vor, weil der 31. März, den der Beschwerdeführer nach eigener Angabe habe vormerken wollen, auch nicht der letzte Tag für die Einbringung der Berufung gewesen sei (sondern vielmehr der 2. April). Es sei daher auch ein Irrtum hinsichtlich des Termins dem Beschwerdeführer zuzurechnen, der als Geschäftsführer tätig und als solcher einer erhöhten Sorgfaltspflicht unterworfen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher "Rechtswidrigkeit gemäß Art. 129 ff B-VG" geltend gemacht wird. Dem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Stattgebung seines Wiedereinsetzungsantrages verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil es die eingeschrittenen Behörden unterlassen hätten, die näheren Umstände, die zur Fristversäumung geführt hätten, zu ermitteln und festzustellen. Dieser Vorwurf ist unberechtigt, weil selbst dann, wenn man vom Vorbringen des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag ausgeht, dessen Abweisung gerechtfertigt erscheint. Der Beschwerdeführer hat als Grund für die Fristversäumung ausschließlich angegeben, sich bei der Eintragung des Fristendes infolge beruflicher Überlastung geirrt zu haben. Ein derartiger Irrtum kann aber nicht mit einem minderen Grad des Verschuldens erklärt werden, weil die Vormerkung behördlicher Fristen, insbesondere von Rechtsmittelfristen ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit von jedem Betroffenen voraussetzt, dessen Außerachtlassung - liegen nicht (vom Beschwerdeführer nicht behauptete) besondere Umstände vor - bereits ein erhebliches Maß des Verschuldens voraussetzt. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst ergibt sich übrigens, daß auch die von ihm angeblich intendierte Fristvormerkung (31. März 1993) nicht mit dem Fristende zusammengefallen wäre.
Zwar kann jedes Geschehen "Ereignis" im Sinne des Gesetzes sein, also auch ein Vorgang, der auf menschlichen Unzulänglichkeit basiert (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1976, Slg. 9024/A), doch kann die Rechtswohltat der Wiedereinsetzung nur dort in Betracht kommen, wo diese Unzulänglichkeit nicht über den Bereich des minderen Verschuldens hinausgeht.
In der Beschwerde wird ferner die Frage aufgeworfen, daß das Straferkenntnis vom Stadtmagistrat Innsbruck als der erstinstanzlichen Behörde erlassen worden sei, die erstinstanzliche Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag hingegen von der "Stadt Innsbruck". In Wahrheit wurden beide Bescheide von der für Innsbruck als einer Stadt mit eigenem Statut zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde im Namen des Bürgermeisters erlassen (siehe dazu Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I/S. 102 und 176), von einer Unzuständigkeit kann daher keine Rede sein.
Unerörtert blieb bisher die Frage der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG. Der Antrag selbst enthält dazu nur den nicht weiter belegten Hinweis, der Beschwerdeführer habe erst durch die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Mai 1993 von seiner Fristversäumnis Kenntnis erlangt, womit die Rechtzeitigkeit des Antrages noch nicht dargetan wurde, weil der Tag dieser Zustellung ungenannt geblieben ist.
Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994090218.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
03.03.2011