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24 StrafrechtLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der die Antragsbefugnis zur Strafverfolgung nach Vergewaltigung in der Ehe oder ehelicher Lebensgemeinschaft regelnden Bestimmung des StGB mangels Eingriff in die Rechtssphäre der AntragstellerinSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. ArtI der Strafgesetznovelle 1989, BGBl. 242, die - ihrem ArtIII Abs1 zufolge - mit 1. Juli 1989 in Kraft trat, hat folgenden Wortlaut:
"Artikel I
Änderungen des Strafgesetzbuches
Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 599/1988, wird wie folgt geändert:
An die Stelle der §§201 bis 204 treten folgende Bestimmungen:
'Vergewaltigung
§201. (1) Wer eine Person mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt oder durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Als schwere Gewalt ist auch eine Betäubung anzusehen.
(2) Wer außer dem Fall des Abs1 eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§84 Abs1) zur Folge oder wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter im Fall des Abs1 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, im Fall des Abs2 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Hat die Tat den Tod der vergewaltigen Person zur Folge, so ist der Täter im Fall des Abs1 mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren, im Fall des Abs2 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.
Geschlechtliche Nötigung
§202. (1) Wer außer den Fällen des §201 eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§84 Abs1) zur Folge oder wird die genötigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, hat die Tat aber den Tod der genötigten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Begehung in Ehe oder Lebensgemeinschaft
§203. (1) Wer eine der in den §§201 Abs2 und 202 mit Strafe bedrohten Taten an seinem Ehegatten oder an der Person begeht, mit der er in außerehelicher Lebensgemeinschaft lebt, ist nur auf Antrag der verletzten Person zu verfolgen, sofern keine der im §201 Abs3 oder im §202 Abs2 bezeichneten Folgen eingetreten ist und die Tat von keinem der dort genannten Umstände begleitet war.
(2) Wurde eine der im §201 oder im §202 mit Strafe bedrohten Taten am Ehegatten oder an der Person begangen, mit der der Täter in außerehelicher Lebensgemeinschaft lebt, so kann von der außerordentlichen Strafmilderung nach §41 auch ohne die dort genannten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden, wenn die verletzte Person erklärt, weiter mit dem Täter leben zu wollen, und nach der Person des Täters sowie unter Berücksichtigung der Interessen der verletzten Person eine Aufrechterhaltung der Gemeinschaft erwartet werden kann.'"
II. Mit dem auf Art140 (Abs1) B-VG gestützten (am 20. März 1990 zur Post gegebenen und am folgenden Tag beim Verfassungsgerichtshof eingelangten) Individualantrag begehrt die Einschreiterin mit näherer Begründung, den wiedergegebenen ArtI der Strafgesetznovelle 1989 als verfassungswidrig aufzuheben, hilfsweise jedoch (und zwar in der nachstehenden Reihenfolge, jeweils in der Fassung der zitierten Novelle) §203 StGB zur Gänze, §203 Abs1 StGB zur Gänze, in §203 StGB in Abs1 die Worte "§201 Abs2 und" und in Abs2 die Worte "im §201 oder", in §203 Abs1 StGB die Worte "§201 Abs2 und", §201 Abs2 StGB zur Gänze und in §203 Abs1 StGB die Worte "den" und "§201 Abs2 und". Zur Antragsberechtigung führt die Antragstellerin im wesentlichen aus, daß sie am 21. November 1989 Opfer einer versuchten Vergewaltigung durch ihren damaligen Ehegatten W Z geworden sei. Anläßlich von Vernehmungen am Gendarmerieposten sowie durch den Untersuchungsrichter (des Landesgerichtes Feldkirch) sei sie gefragt worden, ob sie den Antrag auf Strafverfolgung stelle; diese Fragen habe sie bejaht. In der Folge sei von verschiedener Seite gefragt worden, ob sie nicht den Antrag auf Strafverfolgung zurückziehen wolle. Sie müsse gewärtig sein, daß bei der für den 21. März 1990 anberaumten Hauptverhandlung neuerlich die Frage gestellt werde, ob sie den Antrag auf Strafverfolgung zurückziehe; obwohl Anklage wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §201 Abs1 StGB erhoben worden sei, sei die Tat richtigerweise nach §201 Abs2 StGB zu qualifizieren. Selbst wenn die Tat nach §201 Abs1 StGB zu qualifizieren wäre, wäre sie von §203 Abs1 StGB unmittelbar betroffen, da sie bereits den Antrag auf Strafverfolgung gestellt habe und für sie daher nachteilige Folgen in Form eines befürchteten Racheaktes auf sie zukämen.
Im Strafverfahren bestehe für sie keine rechtliche Möglichkeit, das verfassungswidrige Gesetz im Instanzenzug zu bekämpfen.
III. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie in erster Linie mit mehreren Argumenten die Zulässigkeit des Antrags bestreitet und dessen Zurückweisung beantragt. Sie weist insbesondere darauf hin, daß der Täter im Strafverfahren tatsächlich aufgrund des §201 Abs1 StGB mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch verurteilt worden und das Urteil seit 16. Mai 1990 rechtskräftig sei. Selbst wenn die Antragstellerin im Strafverfahren von §203 Abs1 StGB unmittelbar betroffen gewesen wäre, sei diese Betroffenheit jedenfalls nach Schluß der Hauptverhandlung weggefallen.
IV. Wie aus dem vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Akt 23 Vr 1261/89-Hv 1/90 des Landesgerichtes Feldkirch hervorgeht, fand die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen den früheren Ehegatten der Einschreiterin am 21. März 1990 (di. der Tag des Einlangens des vorliegenden Individualantrages beim Verfassungsgerichtshof) statt. Mit dem nach Schluß der Hauptverhandlung verkündeten Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§15, 201 Abs1 StGB schuldig erkannt und zu einer (unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt. Er verzichtete auf Rechtsmittel, der öffentliche Ankläger sah in der Folge von der Anmeldung eines Rechtsmittels ab, sodaß das Urteil (abgesehen von dem im gegebenen Zusammenhang nicht interessierenden Umstand, daß die Antragstellerin als Privatbeteiligte wegen ihrer Verweisung auf den Zivilrechtsweg Berufung erhob) in Rechtskraft erwuchs.
V. Der Individualantrag erweist sich als nicht zulässig.
Zum Individualantrag auf Gesetzesprüfung hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (s. zB VfGH 2.10.1989, G87/86) den Standpunkt eingenommen, der Zweck dieses Antrags bestehe darin, daß die behauptete Rechtsverletzung durch Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle beseitigt wird; würde sich also trotz Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung für die Rechtsposition des Antragstellers nichts ändern, komme ihm die Antragslegitimation nicht zu.
Auf die vorliegende Antragssache bezogen führt diese Auffassung zum Ergebnis, daß die Antragstellerin selbst dann, wenn man ohne weitere Prüfung einen ursprünglichen Eingriff in ihre Rechtssphäre durch die Regelung über die Antragsbefugnis auf Strafverfolgung annehmen wollte, ab dem (in den Punkten der Schuld und Strafe) rechtskräftigen Abschluß der Strafsache nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein könnte; ihre - gleichviel unter welchem Gesichtswinkel betrachtete - Lage würde im Fall der begehrten (gänzlichen oder teilweisen) Aufhebung des ArtI der Strafgesetznovelle 1989 keine Änderung erfahren.
Der Antragstellerin fehlt sohin die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch in dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung (s. auch dazu den schon zitierten Beschluß G87/86), sodaß der Antrag - mit gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne
vorangegangene Verhandlung gefaßtem Beschluß - zurückzuweisen war.
Schlagworte
Strafrecht, VfGH / Individualantrag, VergewaltigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G46.1990Dokumentnummer
JFT_10079378_90G00046_00