TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/21 94/10/0076

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Veröffentlicht am 21.11.1994
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Index

L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten;
L55302 Geländefahrzeuge Motorschlitten Kärnten;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Krnt 1986 §10 Abs3 litb;
NatSchG Krnt 1986 §10;
NatSchG Krnt 1986 §54 Abs1;
NatSchG Krnt 1986 §61 Abs3;
NatSchG Krnt 1986 §8;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des beim Amt der Kärntner Landesregierung eingerichteten Naturschutzbeirates, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der BH Villach vom 21. Februar 1994, Zl. 26.025/5/93-3, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung (mP: Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den LH von Kärnten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Am 7. März 1989 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Villach (BH) unter Vorlage von Projektsplänen und unter Hinweis auf die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. August 1988, BGBl. Nr. 492/1988, mit dem der Straßenverlauf des "Zubringers Gailtal" von der A 2 Süd Autobahn bis zur Gailtalbundesstraße B 111 bestimmt wurde, die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für das erwähnte Straßenbauvorhaben.

Mit Bescheid der BH vom 10. September 1990 wurde die beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der beim Amt der Kärntner Landesregierung eingerichtete Naturschutzbeirat (Naturschutzbeirat) die zur Zl. 90/10/0207 protokollierte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Nach Aufhebung der Verordnung BGBl. Nr. 492/1988 durch den Verfassungsgerichtshof (BGBl. Nr. 117/1992) wurde die erwähnte Beschwerde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1992 als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Am 22. Juli 1993 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der BH unter Vorlage von Projektsunterlagen die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Umlegung der B 111 Gailtalstraße, Abschnitt Hohenthurn-Feistritz, von der A 2 Süd Autobahn bis zur Nötscher Gailbrücke.

Die BH führte neuerlich ein Ermittlungsverfahren durch. Sie holte Befund und Gutachten einer Amtssachverständigen für den Naturschutz ein; weiters konnte sie auf einen von der mitbeteiligten Partei vorgelegten "Variantenvergleich 1992 - Nutzwertanalyse" zurückgreifen, der eine vergleichende Bewertung der bestehenden Straßenverbindung und von insgesamt 15 Trassenvarianten für die herzustellende Verbindung auf der Grundlage von Aspekten der Raumplanung (Zerschneidung, Trennwirkung, Flora und Fauna, Flächenbedarf), des Umweltschutzes (Lärm, Schadstoffe, schützenswerte Bereiche, Baubeeinträchtigung), des Verkehrs (Verkehrswirksamkeit, Fahrzeit, Verkehrssicherheit, Energieverbrauch), Kosten (Investitionen, Erhaltungskosten, Jahreskosten) und der "regionalen Akzeptanz" enthält.

Mit Schreiben vom 25. Jänner 1994 übermittelte die BH den Mitgliedern des Naturschutzbeirates unter Hinweis auf § 54 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 idF LGBl. Nr. 104/1993 (NSchG), den Entwurf eines Bescheides, der inhaltlich mit dem in der Folge erlassenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid ident war.

Mit Schreiben vom 17. Februar 1994 erhob der Naturschutzbeirat zum übermittelten Bescheidentwurf

Einwendungen. In dem Schreiben wird folgendes dargelegt:

"Die vom Naturschutzbeirat (zum Bescheidentwurf) vorgebrachten Einwendungen beziehen sich auf folgende drei

Punkte:

a) die technische Machbarkeit und Beurteilung aus der Sicht des Naturschutzes ist bei den anderen Varianten nicht ausreichend erfolgt;

b) der Bewertung des öffentlichen Interesses wird nicht beigetreten, weil das öffentliche Interesse am Naturschutz keine entsprechende Bewertung erfahren hat;

c) dieser Lebensraum äußerst bedeutsam ist, was auch in internationalen Naturschutzübereinkommen zum Ausdruck gebracht wird, und was auch die Bescheidauflagen dokumentieren."

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die BH der mitbeteiligten Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung (Umlegung) der Gailtalstraße B 111, Abschnitt Hohenthurn-Feistritz, von der A 2 Süd Autobahn bis zur Nötscher Gailbrücke, von Plankilometer 1,51 bis Plankilometer 8,794, in einer Gesamtstreckenlänge von 7,643 km, nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden, im einzelnen angeführten planlichen Unterlagen (Übersichtsplan, Lagepläne, Längenschnitte, charakteristische Querschnitte, Grundeinlösepläne, landschaftspflegerischer Begleitplan) auf Grund der §§ 5 Abs. 1 lit. b, 5 Abs. 1 lit. e, 8, 9 Abs. 1, Abs. 7 und Abs. 8, 10 Abs. 3 lit. b, 10 Abs. 4, 52 und 58 NSchG, sowie unter Vorschreibung zahlreicher Bedingungen, Befristungen und Auflagen. Punkt 1. der in den Bescheidspruch aufgenommenen Nebenbestimmungen lautet:

"Die naturschutzrechtliche Bewilligung wird an die aufschiebende Bedingung der rechtswirksamen Verordnung eines mit dem gegenständlichen Straßenbauprojekt übereinstimmenden Straßenverlaufes im Sinne des Bundesstraßengesetzes 1971 gebunden."

Gemäß §§ 12 Abs. 1 und 2 und 58 NSchG wurde die mitbeteiligte Partei verpflichtet, geeignete Ersatzlebensräume zu schaffen, wobei der Ausspruch über das genaue Ausmaß der zu schaffenden Ersatzlebensräume, deren Gestaltung sowie allenfalls die Vorschreibung eines ersatzweise zu leistenden Geldbetrages einem gesonderten Bescheid vorbehalten wurde.

Begründend wurde zunächst - unter Hinweis darauf, daß sich das vorliegende Straßenprojekt von dem im Jahr 1990 naturschutzbehördlich bewilligten lediglich marginal unterscheide - auszugsweise das im ersten Verfahrensgang erstattete naturschutzfachliche Gutachten und sodann im vollen Wortlaut das im vorliegenden Verfahren eingeholte naturschutzfachliche Gutachten wiedergegeben. Die belangte Behörde führte weiters aus, aus den umfangreichen naturschutzfachlichen Befundungen und gutachterlichen Schlüssen seien folgende Kernaussagen zusammenzufassen: Das betroffene Gebiet sei weitgehend frei von infrastrukturellen Einrichtungen. Der Grad der Naturbelassenheit sei insoferne hoch anzusetzen (naturbelassene Kulturlandschaft). Das betroffene Gebiet biete Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, deren Bestand zum Teil den seltenen gefährdeten und geschützten Arten zuzurechnen sei. Das Gebiet weise eine beachtliche Größe von ca. 12 km2 auf und sei unzerschnitten. Es seien zahlreiche natürliche Oberflächenformen vorhanden und ausgedehnte, ökologisch besonders bedeutsame Feuchtgebiete, wie etwa Sumpfflächen, Feuchtwiesen, Au- und Bruchwälder enthalten. Es sei eine reiche Vogel- und Amphibienwelt vorhanden. Auch aus wildökologischer Sicht sei das Gebiet bedeutsam. Es weise eine besondere ästhetische Ausdruckskraft auf. Mit der Verwirklichung des Straßenbauvorhabens ginge eine Beeinträchtigung des Kleinklimas sowie eine Verminderung der Elementenvielfalt einher. Dem betroffenen Landschaftsraum komme eine besonders erhebliche Bedeutung zu. Eine nachhaltige Beeinträchtigung bzw. Zerstörung und Vernichtung von naturschutzrechtlichen Schutzgütern, wie insbesondere des Landschaftsbildes, des Gefüges des Naturhaushaltes, des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes bzw. von Feuchtgebieten durch das Straßenbauvorhaben könne auch bei Verwirklichung und Umsetzung der dem Projekt angeschlossenen landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen und weiteren schadensmindernden behördlichen Vorschreibungen nicht gänzlich vermieden werden.

Die im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf Stellungnahmen und sonstige Beweismittel wiedergegebenen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens betreffend das öffentliche Interesse an der Errichtung der geplanten Straßenverbindung sind wie folgt zusammenzufassen:

Das von der geplanten Verkehrsverbindung zu erschließende Gebiet (Gail-, Gitsch- und Lesachtal) liege im südwestlichen Randbereich des Bundeslandes Kärnten. Der verkehrsmäßige Anschluß an den Kärntner Zentralraum und sodann in Richtung der Bundeshauptstadt Wien, nach Italien, Deutschland und Slowenien verlaufe über den Knotenpunkt der A 2 Süd Autobahn im Bereich Gailitz-Arnoldstein. Ansonsten sei das fragliche Gebiet nur über Paßstraßen bzw. paßähnliche Straßen erreichbar. Die B 111 (in Richtung der Anschlußstelle an die A 2 Süd Autobahn) sei aus Richtung Kötschach-Mauthen und Hermagor bis zum Ort Nötsch im Hinblick auf die in den letzten Jahren erfolgten Straßenbaumaßnahmen (Bau von Ortsumfahrungen und Umlegungen) gut ausgebaut und ausreichend aufnahmefähig. Zwischen der Anschlußstelle A 2 Süd Autobahn und dem Ort Nötsch bestehe jedoch eine enge und unübersichtliche Trassenführung mitten durch hochwertige Siedlungsgebiete, die insbesondere eine unzumutbare Verkehrs- und Lärmbelastung für die Bevölkerung der Orte Draschitz, Dreulach und Feistritz sowie eines Teiles des Ortes Hohenthurn (1400 Einwohner) nach sich ziehe. Der Ersatz dieses den Anforderungen nicht mehr entsprechenden Straßenstückes durch die Herstellung einer zeitgemäßen Verbindung des in einer geographischen Randlage gelegenen Gebietes zum Kärntner Zentralraum sei unter den Gesichtspunkten der Sicherheit des Verkehrs, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entlastung der betroffenen Bevölkerung von der Verkehrs- und Lärmbelastung geboten. Nach den Ergebnissen des Variantenvergleiches und der Nutzwertanalyse seien im Sinne eines Ausscheidungsverfahrens von den bewerteten Trassenvarianten nur die Varianten 1 B 1 sowie das "Variantenbündel 2" in Betracht zu ziehen. Varianten mit Tunnellösungen könnten wegen des hohen geologischen Risikos nicht in Betracht gezogen werden. Talvarianten mit Trassenverlauf parallel zur Gail seien gegenüber talquerenden Varianten aus hydrogeologischer Sicht vorzuziehen. Die betroffenen Gemeinden hätten sich massiv gegen Varianten mit kleinräumigen Ortsumfahrungen ausgesprochen. Die Trasse 1 B 1 stelle die kürzestmögliche Verkehrsverbindung zum Kärntner Zentralraum dar; sie führe zu einer Verkehrsentlastung der vom Verkehr auf der alten Verbindung betroffenen Gebiete. Vorteilhaft sei auch die unmittelbare Anbindung der Industrie- und Gewerbezone Gailitz an die Südautobahn. Die Raumwirksamkeit dieser Trasse sei ungünstig zu bewerten, weil sie nicht an der Grenze von Funktionsgebieten verlaufe, sondern mitten durch ein großräumiges und (abgesehen von einer Stromleitung) von Baumaßnahmen und Verkehrsachsen freies Gebiet von hoher ökologischer Wertigkeit führe. Hier entstehe eine völlig neue Aufschließungsachse. Hingegen entfalte das Variantenbündel 2 wesentlich geringere Trennwirkung; es bestünden ein geringerer Raumanspruch und geringere Raumnutzungskonflikte. Nachteilig gegenüber der Variante 1 B 1 sei hingegen, daß diese Trasse zu keiner Verkehrsentlastung für bestimmte Bereiche der Ortschaft Hohenthurn führe, das nördlich von Draschitz gelegene Naherholungsgebiet von der Ortschaft abschneide und auf eine Länge von 500 m die Talniederung quere. Die Vertreter der betroffenen Gemeinden setzten sich - den Wünschen der Bevölkerung entsprechend - im Einklang mit einer einstimmigen Beschlußfassung der Kärntner Landesregierung durchwegs für die Realisierung der Variante 1 B 1 ein. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe den Abschluß des Anhörungsverfahrens bekanntgegeben und die Erlassung der Verordnung, mit der der Straßenverlauf im Sinne der Variante 1 B 1 bestimmt werden werde, in Aussicht gestellt. Die Behörde gehe davon aus, daß sich das allseits nicht bestrittene öffentliche Interesse an der Herstellung einer leistungsfähigen Straßenverbindung in dem Straßenverlauf, wie er durch die gemäß § 4 Bundesstraßengesetz erlassene Verordnung bestimmt werde, konkretisiere. Dabei gehe die Behörde davon aus, daß die Festlegung des Straßenverlaufes unter Bedachtnahme auf die in den §§ 4, 7 und 7a Bundesstraßengesetz genannten Prüfungskriterien erfolge. Bei der Abwägung der Interessen sei darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die vom Straßenbauvorhaben begünstigten Täler auf Grund der geographischen Gegebenheiten in einer benachteiligten Randzone befänden. Die derzeitige Verkehrsverbindung entspreche den heutigen Anforderungen nicht mehr. Die Bahnverbindung sei ebenfalls unzureichend. Für eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sei die Schaffung einer leistungsfähigen Verkehrsverbindung unerläßlich. Dies gebe den Ausschlag dafür, daß der Verwirklichung des geplanten Straßenbauvorhabens im Hinblick auf seine volkswirtschaftliche Bedeutung und im Sinne der Entlastung der Bevölkerung von Verkehrseinwirkungen höheres Gewicht zukäme als der Bewahrung des betroffenen Raumes vor störenden Eingriffen. Wenngleich der Natur bereichsweise unwiederbringlicher Schaden drohe, müsse doch festgehalten werden, daß durch die Erstellung eines umfangreichen landschaftspflegerischen Begleitplanes sowie weiterer naturschutzorientierter Vorschreibungen das nach heutigem Wissensstand Möglichste zur Geringhaltung der Schäden unternommen werde. Es sei auch die Bereitstellung eines Ersatzlebensraumes vorzuschreiben gewesen, welche Vorschreibung zu konkretisieren sein werde, sobald das genaue Ausmaß an zerstörtem Lebensraum und der Möglichkeit zu beschaffender Ersatzlebensräume feststehe.

Mit der Verordnung BGBl. Nr. 237/1994, ausgegeben am 29. März 1994, bestimmte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Straßenverlauf der B 111 Gailtalstraße im Bereich der Gemeinden Arnoldstein und Hohenthurn und Feistritz an der Gail entsprechend dem mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Projekt.

Gegen den Bescheid, mit dem die naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt wurde, richtet sich die vorliegende, gemäß § 61 Abs. 3 NSchG erhobene Beschwerde des Naturschutzbeirates.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 3 NSchG kann der Naturschutzbeirat gegen Bescheide, vor deren Erlassung er nach § 54 Abs. 1 zu hören ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG erheben, insoweit er im Rahmen der Anhörung (§ 54 Abs. 1) Einwendungen vorgebracht hat.

Gemäß § 54 Abs. 1 NSchG ist vor der Erlassung von Bescheiden, mit denen Bewilligungen nach § 4 lit. b oder c, § 5 Abs. 1 lit. a oder c, Ausnahmebewilligungen nach § 10 erteilt werden oder Gelände zur Ausübung der in § 5 Abs. 1 lit. f genannten Sportarten festgelegt wird, der Naturschutzbeirat (§ 61) zu hören.

Zunächst ist somit zu beachten, daß sich das Beschwerderecht des Naturschutzbeirates nur auf solche Bescheide erstreckt, die auf den im § 54 Abs. 1 NSchG aufgezählten Bewilligungstatbeständen beruhen; nur dann ist die - Voraussetzung der Beschwerdeberechtigung bildende - Anhörungspflicht gegeben.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Bescheid, der unter gleichzeitiger Heranziehung anderer, nicht in den Katalog des § 54 Abs. 1 leg. cit. fallender Bewilligungstatbestände auf der Grundlage des § 10 NSchG erlassen wurde. Sein bewilligender Abspruch unterliegt somit in jenem Umfang, in dem die Bewilligung auf § 10 NSchG beruht, unter den weiteren Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 VwGG der Beschwerde des Naturschutzbeirates an den Verwaltungsgerichtshof.

Das Beschwerderecht des Naturschutzbeirates ist nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 3 NSchG und der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers weiters auf die Geltendmachung jener Gründe beschränkt, die Gegenstand der im Rahmen der Anhörung (§ 54 Abs. 1) vorgebrachten Einwendungen waren (arg.: "insoweit"; vgl. hiezu die Ausführungen des Berichterstatters, Sten. Prot. der 67. Sitzung des Kärntner Landtages, 26. GP, S. 5542).

Es sind daher die Gründe der vorliegenden Beschwerde jeweils einer Überprüfung dahin zu unterziehen, ob sie inhaltlich in den im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Einwendungen Deckung finden; ein Eingehen auf weitere, über den durch die Einwendungen gezogenen Rahmen hinausgehende Beschwerdegründe ist dem Gerichtshof verwehrt.

Die Beschwerde macht zunächst - als Verletzung von Verfahrensvorschriften - geltend, von der Behörde vorgeschriebene Auflagen, auf deren Inhalt im einzelnen eingegangen wird, seien inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Darin liege ein Verstoß gegen § 59 AVG; der Vorschreibung der Auflagen sei kein Ermittlungsverfahren vorangegangen.

Diese Darlegungen können der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Auflagen, deren Vorschreibung die Behörde beabsichtigte, dem Naturschutzbeirat im Rahmen der Anhörung im vollen Wortlaut zur Kenntnis gebracht wurden. Den vom Naturschutzbeirat beschlossenen und vorgebrachten Einwendungen läßt sich auch bei weitester Auslegung nichts entnehmen, was inhaltlich zu den soeben wiedergegebenen Beschwerdegründen in Beziehung stünde. Der Gerichtshof kann daher auf diese Darlegungen nicht weiter eingehen.

Gleiches gilt für die Darlegungen der Beschwerde, der angefochtene Bescheid verletze bei der Vorschreibung eines Ersatzlebensraumes nach § 12 NSchG die Vorschrift des § 59 AVG. Auch diese Vorschreibung war Gegenstand der Anhörung. Das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen findet jedoch in den im Anhörungsverfahren vom Naturschutzbeirat beschlossenen und vorgetragenen Einwendungen keine Deckung.

Die Beschwerde macht weiters - sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch jenem der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides - geltend, die belangte Behörde habe sich mit der Frage, ob und inwieweit an der Errichtung der gegenständlichen Trasse öffentliches Interesse bestehe, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Es sei nicht erhoben worden, ob die Trasse überhaupt bzw. in dieser Form und in diesem Ausmaß notwendig sei. Es sei nicht festgestellt worden, welche Bevölkerungszahl bzw. welche "Wirtschaftskapazitäten" der durch die Trasse zu erschließenden Region dem Verkehrsnetz im Sinne des Kärntner Raumordnungsgesetzes angegliedert würden und ob hiefür überhaupt eine Notwendigkeit bestehe. Ebenso fehlten Feststellungen, für welche räumlichen Bereiche bzw. Objekte und für welche Personenanzahl eine Verbesserung der Situation eintreten werde. Die Behörde habe das öffentliche Interesse am Straßenbau sowie dessen Ausmaß und Gewichtung gar nicht geprüft, sondern von vornherein vorausgesetzt. Sie habe die Rechtsgültigkeit ihrer Entscheidung überdies mit der vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu erlassenden Verordnung verknüpft.

Gemäß § 10 Abs. 3 lit. b NSchG dürfen Ausnahmen von den Verboten des § 8 bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen.

Nach § 8 NSchG ist in Moor- und Sumpfflächen, Schilf- und Röhrichtbeständen sowie in Au- und Bruchwäldern die Vornahme von Anschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdenden Maßnahmen verboten.

Ein auf § 10 Abs. 3 lit. b NSchG gegründeter Bewilligungsbescheid entspricht den Anforderungen an einen in einem mängelfreien Verfahren ergangenen Bescheid dann, wenn auf Grund konkreter, nachprüfbarer Sachverhaltsfeststellungen, die eine Bewertung der Interessen des Naturschutzes einerseits und der anderweitigen öffentlichen Interessen, deren Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll, ermöglichen, unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls ein Überwiegen der letzteren angenommen werden kann. Letztlich handelt es sich um eine Wertentscheidung, weil die konkurrierenden Interessen meist nicht berechen- und damit an Hand zahlenmäßiger Größen konkret vergleichbar sind. Dieser Umstand erfordert es, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 28. Juni 1993, Zl. 93/10/0019, und vom 31. Jänner 1994, Zl. 92/10/0041). Die Rechtmäßigkeit der Wertentscheidung ist somit im allgemeinen daran zu messen, ob das "Abwägungsmaterial" in einer diesen Grundsätzen entsprechenden Weise in der Begründung des Bescheides dargelegt und die Abwägung der konkurrierenden Interessen im Einklang mit Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und - gegebenenfalls - Erkenntnissen der Wissenschaft erfolgte. Entspricht die Begründung eines Bescheides, der auf einer Interessenabwägung beruht, diesen Anforderungen, so kann mit der bloßen Behauptung, die Behörde habe zu Unrecht den einen oder den anderen öffentlichen Interessen höheres Gewicht beigemessen, keine Rechtswidrigkeit aufgezeigt werden; liegt es doch im Wesen einer solchen Interessenabwägung, daß sich die Behörde für die Zurückstellung der einen oder der anderen Interessen zu entscheiden hat.

Im Beschwerdefall ist dem Verwaltungsgerichtshof eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde nach § 10 Abs. 3 lit. b NSchG vorgenommenen Interessenabwägung auf der Grundlage der oben wiedergegebenen, die Frage der Bewertung des öffentlichen Interesses am Straßenbau unter dem Gesichtspunkt der Unzulänglichkeit der bestehenden Verkehrsverbindung betreffenden Beschwerdegründe verwehrt, weil der beschwerdeführende Naturschutzbeirat im Anhörungsverfahren keine Einwendungen gegen die ihm vorgehaltenen Überlegungen der Behörde, die die Frage des öffentlichen Interesses am Straßenbau im dargestellten Zusammenhang betreffen, erhoben hat. Der Gerichtshof kann somit insbesondere nicht prüfen, ob die Feststellungen des angefochtenen Bescheides, auf deren Grundlage die belangte Behörde die Unzulänglichkeit der bestehenden Verkehrsverbindung und das Erfordernis der Herstellung einer zeitgemäßen Straßenverbindung angenommen hat, den oben dargelegten Anforderungen entsprechen.

Im Hinblick auf den Inhalt der Einwendungen ist die Überprüfung der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung bzw. von deren Begründung auf den Gesichtspunkt der möglichst umfassenden und präzisen Darstellung jener Gesichtspunkte beschränkt, die das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen betreffen; denn wenigstens bei weiter Auslegung können die Einwendungen, das öffentliche Interesse am Naturschutz habe "keine entsprechende Bewertung erfahren", und daß "dieser Lebensraum äußerst bedeutsam" sei, jenen Gründen der Beschwerde, die sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen befassen, zugeordnet werden.

Insoweit macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde vermeide es, die (im einzelnen dargelegten) "Kernaussagen" des Naturschutzgutachtens wiederzugeben. Dieser Vorwurf trifft indes nicht zu; denn im angefochtenen Bescheid wird das naturschutzfachliche Gutachten im vollen Wortlaut und somit einschließlich seiner "Kernaussagen" wiedergegeben. Die belangte Behörde legt ihrer Entscheidung auch erkennbar den im Befund beschriebenen Sachverhalt und die daraus von der Sachverständigen gezogenen Schlußfolgerungen zugrunde. Der oben wiedergegebene Beschwerdevorwurf trifft daher nicht zu.

Die Beschwerde vertritt ferner die Auffassung, die belangte Behörde hätte dartun müssen, "warum den in den Amtsgutachten mehrfach gestellten Forderungen nach der von Straßenbauexperten vorgeschlagenen Trassenführung mit Tunnelstrecke, welche aus der Sicht des Naturschutzes und vermutlich auch der Verkehrsplanung vorteilhafter ist, nicht Rechnung getragen werden muß".

Im vorliegenden Zusammenhang hatte der Naturschutzbeirat im Anhörungsverfahren vorgetragen, es sei "die technische Machbarkeit und Beurteilung aus der Sicht des Naturschutzes bei den anderen Varianten nicht ausreichend erfolgt". Diese sprachlich mißglückte Formulierung ist offenbar dahin aufzufassen, daß der Beschwerdeführer eine Auseinandersetzung mit der Frage forderte, ob das öffentliche Interesse an der Verkehrserschließung des fraglichen Gebietes auch anders, nämlich durch die Wahl einer anderen, "technisch machbaren", dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen aber besser Rechnung tragenden Trasse verwirklicht werden könne. Diese Auffassung wird durch die oben wiedergegebenen Beschwerdegründe in Richtung des Vorwurfes konkretisiert, daß eine solche Auseinandersetzung betreffend eine "Trassenführung mit Tunnelstrecke" unterblieben sei.

Dieser Vorwurf besteht aber schon deshalb nicht zu Recht, weil die Begründung des angefochtenen Bescheides unter Hinweis auf ein ingenieurgeologisches Gutachten darlegt, daß von Varianten mit Tunnellösungen auf Grund des hohen geologischen bzw. geotechnischen Risikos, das teilweise nicht kalkulierbar sei, Abstand genommen werden müsse. Schon angesichts des nicht weiter konkretisierten Inhaltes der Einwendungen zeigt die Beschwerde - die auf die soeben wiedergegebenen Darlegungen des angefochtenen Bescheides nicht Bezug nimmt - nicht auf, daß die belangte Behörde im erwähnten Zusammenhang ihrer Begründungspflicht nicht entsprochen hätte.

Die Beschwerde ist auch nicht im Recht, soweit sie die Auffassung vertritt, eine auf § 10 Abs. 3 lit. b NSchG gestützte Ausnahmebewilligung käme im Beschwerdefall schon deshalb nicht in Betracht, weil nach der zitierten Vorschrift nur "störende Eingriffe", nicht aber die - nach den Beschwerdebehauptungen eintretende - "völlige Vernichtung der in § 8 NSchG angeführten Feuchtgebiete" einer Ausnahmebewilligung zugänglich seien.

Gegenstand des in § 8 leg. cit. normierten Verbotes sind "die Vornahme von Anschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdende Maßnahmen". Daraus folgt, daß sich die gegebenenfalls nach § 10 Abs. 3 leg. cit. zu erteilenden Ausnahmebewilligungen auf eben diese Maßnahmen beziehen, wobei das Gesetz nicht danach unterscheidet, ob die Maßnahme im Einzelfall einen "störenden Eingriff" darstellt, der die Intensität einer "gänzlichen Vernichtung" der geschützten Güter nicht erreicht oder deren "gänzliche Vernichtung" zur Folge hat. Es kann somit nicht gesagt werden, daß im letzteren Fall die Anwendung von § 10 Abs. 3 lit. b NSchG ausgeschlossen wäre. Davon unberührt bleibt der Umstand, daß bei der Interessenabwägung Art und Intensität der Auswirkungen der Maßnahme auf die geschützten Güter in die Betrachtung einzubeziehen sind; daß es der Beschwerde insoweit nicht gelingt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, wurde schon oben dargelegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt sich daher.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994100076.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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