TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 94/11/0184

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §68 Abs1;
StrSchG 1969 §11;
StrSchG 1969 §17 Abs1;
StrSchG 1969 §17 Abs2;
StrSchG 1969 §4 Abs1;
StrSchG 1969 §5 Abs1;
StrSchG 1969 §5 Abs5;
StrSchG 1969 §5 Abs9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 26. April 1994, Zl. 375.343/0-III/11/94, betreffend Vorschreibung gemäß § 11 Strahlenschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 11 des Strahlenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 227/1969, für den Betrieb einer mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. November 1981 rechtskräftig bewilligten Strahleneinrichtung folgende weitere Auflage vorgeschrieben:

"Die Röntgeneinrichtung für Durchleuchtung muß in Zeitabständen von höchstens einem Jahr einer Prüfung hinsichtlich des Dosisleistungsbedarfs für den Bildverstärker und hinsichtlich des Auflösungsvermögens (Bildqualität) unterzogen werden. Das Ergebnis dieser Prüfung muß jederzeit zur Einsichtnahme durch die Behörde in der Ordination aufliegen."

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B 1166/94, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichte Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete die bekämpfte Vorschreibung damit, daß gemäß § 4 Abs. 1 StrahlenschutzG die Strahlenbelastung innerhalb der vom Gesetz zugelassenen Grenzen so niedrig wie möglich zu halten sei. Dies erfordere eine entsprechende Qualitätskontrolle hinsichtlich der Funktionsfähigkeit und der Einstellung der Bildverstärker-Fernsehkette. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sei bei der Anwendung von Durchleuchtungsgeräten mit Bildverstärker-Fernsehkette ohne regelmäßige Qualitätskontrolle der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft nicht hinreichend gewährleistet. Dies hätten in den letzten Jahrzehnten durchgeführte umfangreiche Untersuchungen ergeben. Diesem nunmehrigen Stand von Wissenschaft und Technik werde bereits in allen neueren einschlägigen Empfehlungen internationaler, mit Angelegenheiten des Strahlenschutzes befaßter Organisationen, in vielen nationalen Strahlenschutzvorschriften und überregionalen Richtlinien wie auch in der Ö-Norm S 5240 Rechnung getragen. Hinsichtlich der gegenständlichen Bildverstärker-Fernsehkette seien bisher regelmäßige Qualitätskontrollen nicht vorgeschrieben gewesen und auch nicht vorgenommen worden, wie bei einer behördlichen Überprüfung nach § 17 StrahlenschutzG festgestellt worden sei. Um entsprechend dem nunmehrigen Erkenntnisstand die gebotene Minimierung der Strahlenbelastung von Patienten zu gewährleisten, sei die bekämpfte Auflage vorzuschreiben gewesen.

Der Beschwerdeführer meint, diese Vorschreibung entbehre der gesetzlichen Deckung. Zweckmäßigkeitserwägungen, der sich ändernde Stand von Wissenschaft und Technik, ausländische Gesetze, Normen internationaler Organisationen oder technische Fachnormen böten dafür keine hinreichende Rechtsgrundlage. Vielmehr hätten sich seit der erteilten Betriebsbewilligung neue bzw. zusätzliche Gefahrenmomente ergeben müssen. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, daß sich nachträglich solche neuen Gefährdungen ergeben hätten, daß nunmehr ohne die gegenständliche Auflage der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen nicht mehr ausreichend gewährleistet wäre. Im übrigen sei die Sicherheit von Durchleuchtungsanlagen ohnehin durch die Vorschrift des § 17 StrahlenschutzG gewährleistet, wonach die Behörde mindestens einmal jährlich eine Sicherheitsüberprüfung vorzunehmen habe.

Gemäß § 4 Abs. 1 StrahlenschutzG ist jede Einwirkung ionisierender Strahlen auf den menschlichen Körper innerhalb der aufgrund dieses Bundesgesetzes festgesetzten zulässigen Strahlenbelastung so niedrig wie möglich zu halten; jede unnötige Einwirkung ist zu vermeiden.

§ 5 StrahlenschutzG normiert die Bewilligungspflicht für die Errichtung der im Abs. 1 genannten Anlagen und Strahleneinrichtungen. Nach Abs. 5 sind in den Bewilligungsbescheid erforderlichenfalls solche Bedingungen und Auflagen aufzunehmen, deren Erfüllung und Einhaltung den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen gewährleisten sollen. Nach § 5 Abs. 9 leg. cit. ist die Vorschreibung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutze des Lebens oder der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen unter möglichster Schonung erworbener Rechte auch dann zulässig, wenn es aufgrund der während der Errichtungszeit gewonnenen Erfahrungen oder wissenschaftlichen Erkenntnisse notwendig wird.

§ 6 StrahlenschutzG regelt die Bewilligungspflicht für den Betrieb von Anlagen gemäß § 5 und enthält in seinem Abs. 3 eine dem § 5 Abs. 5 entsprechende Ermächtigung. Die §§ 7 und 10 StrahlenschutzG sehen in ihrem Abs. 1 eine Betriebsbewilligungspflicht für die dort angeführten Anlagen und Strahleneinrichtungen vor. Sie enthalten in den Abs. 5 (§ 7) bzw. 3 (§ 10) eine den §§ 5 Abs. 5 und 6 Abs. 3 StrahlenschutzG entsprechende Ermächtigung zur Vorschreibung vor Nebenbestimmungen.

Nach § 11 StrahlenschutzG ist die Vorschreibung weiterer Auflagen für den Betrieb unter möglichster Schonung erworbener Rechte zulässig, wenn sich nach rechtskräftiger Erteilung einer (Betriebs-)Bewilligung gemäß §§ 6, 7 oder 10 ergibt, daß trotz Erfüllung der Bedingungen und Einhaltung der Auflagen der Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen nicht hinreichend gewährleistet ist.

Die in § 5 Abs. 9 und § 11 StrahlenschutzG vorgesehene Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung weiterer Auflagen stellt nach den Gesetzesmaterialien (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 1235 Blg. NR XI. GP, 17 und 19) eine im Hinblick auf die den ionisierenden Strahlen eigenen besonderen Gefahren unbedingt notwendige Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft von Bescheiden dar. Beide Bestimmungen dienen unter anderem dem Schutzzweck des § 4 Abs. 1 StrahlenschutzG, die Einwirkung ionisierender Strahlen auf den menschlichen Körper so niedrig wie möglich zu halten. Die Vorschreibung "weiterer" Auflagen gemäß § 11 StrahlenschutzG setzt so wie die Vorschreibung von Auflagen bei Betriebsbewilligungen überhaupt die Notwendigkeit der betreffenden Auflagen vom Standpunkt des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierende Strahlen voraus. In diesem Rahmen stellt § 11 StrahlenschutzG darauf ab, daß sich die Erforderlichkeit einer Auflage erst nach rechtskräftiger Erteilung der Betriebsbewilligung ergibt. Dies ist nicht nur dann der Fall, wie der Beschwerdeführer meint, wenn sich nachträglich objektive neue bzw. zusätzliche Gefahrenmomente ergeben haben, sondern auch dann, wenn (wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 5 Abs. 9 StrahlenschutzG) nachträglich gewonnene Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, daß eine bestimmte Maßnahme eine trotz bereits erfolgten Auflagen weiterhin bestehende (so niedrig wie möglich zu haltende) Gefahr für die vorhin genannten Rechtsgüter verringern kann. In diesem Fall ist die nachträgliche Vorschreibung einer entsprechenden Auflage notwendig und daher zulässig (unter möglichster Schonung erworbener Rechte).

Die belangte Behörde hat nachvollziehbar dargelegt, daß nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik auf Grund von Erkenntnissen aus jüngerer Zeit die vorgeschriebene laufende Qualitätskontrolle der Bildverstärker-Fernsehkette eine geeignete und notwendige Maßnahme zur Gewährleistung einer möglichst niedrigen Strahlenbelastung der Patienten darstellt. Die Beschwerde enthält kein dagegen sprechendes Vorbringen. Es bestehen auch keine Bedenken dahin, die gegenständliche Auflage dem Begriff "Auflagen für den Betrieb" zu unterstellen. Darunter fallen nach Wortsinn und Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang auch solche Maßnahmen, die nicht laufend, sondern in längeren Intervallen wiederkehrend zu setzen sind, um einen sicheren Betrieb der Strahlenanlage bzw. -einrichtung zu gewährleisten.

Damit ist auch der Beschwerdeeinwand entkräftet, die gegenständliche Auflage sei deshalb rechtswidrig, weil die Sicherheit der Durchleuchtungseinrichtung des Beschwerdeführers ohnehin bereits durch die gemäß § 17 StrahlenschutzG jährlich vorzunehmende Sicherheitsüberprüfung gewährleistet sei. Deren Zweck ist es nicht, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darlegt, in die Verantwortung des Bewilligungsinhabers fallende Maßnahmen zur Gewährleistung des möglichst sicheren Betriebes seiner Strahleneinrichtung zu ersetzen, sondern zu überprüfen, ob der Betrieb den bestehenden Vorschriften gemäß erfolgt, allfällige Mängel aufzudecken und deren Behebung zu veranlassen, sowie allenfalls gemäß § 17 Abs. 2 StrahlenschutzG den weiteren Betrieb der Anlage oder Strahleneinrichtung zu untersagen, wenn eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nicht gegeben und hiedurch eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft zu befürchten ist. Daß es sich bei der laufenden Qualitätskontrolle um eine in den Verantwortungsbereich des Betreibers der Strahleneinrichtung fallende Aufgabe handelt, wird in der Beschwerde - zu Recht - an sich nicht bestritten. Der Beschwerdeführer wendet sich auch nicht gegen die Zulässigkeit einer derartigen Vorschreibung aus Anlaß der Erteilung einer Betriebsbewilligung. Strittig ist allein die Zulässigkeit einer derartigen NACHTRÄGLICHEN Vorschreibung gemäß § 11 StrahlenschutzG. Sie ist jedoch aus den oben dargestellten Gründen zu bejahen.

Eine Verletzung des Gebotes möglichster Schonung erworbener Rechte wird in der Beschwerde - zu Recht - nicht konkret behauptet, läßt die bekämpfte Auflage doch die erteilte Betriebsbewilligung unberührt.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die Möglichkeit, daß die durch die bekämpfte Auflage verursachten Kosten dem Beschwerdeführer unter Umständen nicht ersetzt werden. Daraus folgt aber nicht die Unzulässigkeit der Auflage, da das Gesetz die Zulässigkeit von Vorschreibungen nicht an die Voraussetzung der Überwälzbarkeit der damit verbundenen Kosten knüpft.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den (zu hg. Zl. AW 94/11/0045 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110184.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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