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50 GewerberechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / AllgLeitsatz
Abweisung des Antrags des VwGH auf Aufhebung von Beschlüssen der Landesgremien der Sektion Handel der Handelskammer NÖ über die "Neufestsetzungen der Einverleibungsgebühren"; kein verfassungswidriger Eingriff in die Prüfungsbefugnis des VfGH durch rückwirkende gesetzliche Sanierung etwaiger verfahrensrechtlicher Mängel dieser Beschlüsse; keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten in Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Konstituierung des Verwaltungsträgers; rechtliche Existenz der genannten Landesgremien unbestrittenSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof stellte aus Anlaß einer bei ihm zur Zl. 90/04/0338 anhängigen Beschwerde mit Beschluß vom 23. April 1991, Zl. A66/91, gemäß Art139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 30. Jänner 1954 (Nr. 1 des 7. Jg., Seite 7) unter Nr. 11 kundgemachten Neufestsetzungen von Einverleibungsgebühren als gesetzwidrig aufzuheben.
Der mittels Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid eines Organes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Anlaß für den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist, verpflichtet die beschwerdeführende Gesellschaft zur Entrichtung einer Einverleibungsgebühr und beruht auf den angefochtenen Neufestsetzungen von Einverleibungsgebühren.
Der Verwaltungsgerichtshof erblickt eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Neufestsetzungen von Einverleibungsgebühren darin, daß diese entgegen dem gesetzlichen Erfordernis der Beschlußfassung durch die Fachgruppe keine Zuordnung zu einer bestimmten Fachgruppe als verordnungserlassendem Organ erkennen lassen, sondern nur zum Ausdruck bringen, daß es sich um eine Normsetzung "für den Bereich der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich" handle.
Weiters ist der Verwaltungsgerichtshof der Meinung, daß die "auf der Rechtserzeugungsstufe einer Verordnung stehenden Einverleibungsgebühren-Beschlüsse nicht dem Gesetz gemäß zustande kamen" und daß sie dem Tatbestand der "Erlassung von einer unzuständigen Behörde im Sinne des Art139 Abs3 litb B-VG zu unterstellen" seien, weil die Fachgruppen, welche die aus diesem Grund angefochtenen Beschlüsse erließen, "nicht dem Gesetz entsprechend errichtet" worden seien.
Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt, beschloß der Vorstand der Handelskammer Niederösterreich in seiner Sitzung vom 7. Mai 1947 die Errichtung der Landesgremien der Kammer Niederösterreich.
Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes führte dieser "Vorgang" nicht zu einer "gesetzmäßigen Errichtung von Fachgruppen", weil es bereits nach der Stammfassung des HKG einer Beschlußfassung in der Vollversammlung der Landeskammer bedurft hätte und darüber hinaus im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Bestätigungsbeschluß der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft iSd §29 Abs3 HKG nicht beigebracht wurde.
2. Die anwaltlich vertretene Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich beantragt in ihrer Äußerung, den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes als unbegründet abzuweisen.
Sowohl §57 HKG in der Stammfassung als auch §57 b Abs1 HKG idgF seien "reine Kompetenzbestimmungen", soweit sie die Fachgruppen zur Festlegung der Einverleibungsgebühren ermächtigen. Dem Gesetz könne nicht entnommen werden, daß auch der Verordnungsinhalt erkennen lassen müsse, welcher Fachgruppe als verordnungserlassendem Organ der jeweilige Beschluß zuzuordnen ist. Darüber hinaus ließen die einzelnen Abschnitte der angefochtenen Verordnung durch die branchenmäßige Gliederung ohnedies die jeweilige Fachgruppenzuordnung erkennen.
Die Landesgremien der Handelskammer Niederösterreich seien vom Vorstand bereits in seiner Sitzung vom 7. Mai 1947 errichtet worden. Ein Bestätigungsbeschluß der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft sei im Zusammenhang mit der Errichtung von Fachgruppen im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den Vorstand der Kammer Niederösterreich im HKG nicht vorgesehen gewesen. Erst die am 16. Oktober 1947 unter BGBl. Nr. 223/1947 kundgemachte Fachgruppenordnung habe in ihrem §2 Abs2 vorgesehen, daß die Errichtung von Fachgruppen der Bestätigung durch die Bundeskammer bedürfe.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Da der Verwaltungsgerichtshof die zitierten "Neufestsetzungen von Einverleibungsgebühren" bei seiner Entscheidung über die Beschwerde gegen die Vorschreibung der Einverleibungsgebühr anzuwenden hat und diese Beschlüsse Verordnungen im Sinne des Art139 Abs1 B-VG bilden (vgl. VfSlg. 5872/1968 zu Grundumlagenbeschlüssen der Fachgruppen), und weil auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zulässig.
2. Er ist jedoch in der Sache nicht begründet.
a. Gemäß ArtII Abs1 der 8. Handelskammergesetznovelle, BGBl. 620/1991, gelten die Beschlüsse und sonstigen rechtlich bedeutsamen Akte sämtlicher Fachgruppen und Fachverbände, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nach den Bestimmungen der Handelskammer-Wahlordnung in der geltenden Fassung bestehen, als gesetzmäßig zustande gekommen.
Im Bericht des Handelsausschusses (246 BlgNR 18. GP, S. 9) wird das Motiv für diese Regelung des Gesetzgebers folgendermaßen beschrieben:
"In einzelnen Verfahren, vor allem in Grundumlagensachen, hat sich Unklarheit ergeben, ob insbesondere in der ersten Zeit nach der Wiedererrichtung der Handelskammerorganisation die Bestimmungen über die Errichtung von Fachgruppen jeweils genau eingehalten wurden. Auch fehlt es gelegentlich an den aktenmäßigen Unterlagen.
Da die betreffenden Fachorganisationen seit Jahrzehnten unangefochten bestehen, mit aufsichtsbehördlicher Genehmigung ihre Budgets und Rechnungsabschlüsse erstellt haben und ihre Organe jeweils gewählt wurden, ist eine vorsorgliche Absicherung des Bestandes dieser Fachorganisationen und der Rechtmäßigkeit ihrer Akte angebracht."
Daraus geht hervor, daß ArtII Abs1 leg.cit. keinesfalls die Rechtmäßigkeit aller Beschlüsse und sonstigen rechtlich bedeutsamen Akte der Fachgruppen und Fachverbände schlechthin im nachhinein bewirkt und dadurch - in rechtsstaatlich bedenklicher Weise - die verfassungsrechtlich verankerte Prüfungsbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gemäß den Art130ff B-VG sowie Art139 und 144 B-VG diesbezüglich beseitigt hat. Vielmehr wurden dadurch lediglich Mängel organisations- und verfahrensrechtlicher Art bei Beschlüssen und sonstigen Verwaltungsakten der Fachgruppen und Fachverbände saniert. Durch eine derartige, verfahrensrechtliche (also auch etwaige Kundmachungs)Mängel von Verordnungen nachträglich heilende gesetzliche Regelung wird aber in die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes nach Art139 Abs1 B-VG nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen.
Angesichts des - wie dargestellt - unbedenklichen Inhalts des ArtII Abs1 der 8. Handelskammergesetznovelle kann es der Verfassungsgerichtshof daher auch dahingestellt sein lassen, ob die vom Verwaltungsgerichtshof angeführte mangelnde Erkennbarkeit einer Zuordnung der "Neufestsetzungen von Einverleibungsgebühren" zu bestimmten Fachgruppen in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 30. Jänner 1954 (Nr. 1 des 7. Jg., Seite 7, Nr. 11) diese Beschlüsse - ursprünglich - gesetzwidrig machte. Da gemäß ArtIII Abs2 der 8. Handelskammergesetznovelle, kundgemacht im BGBl. Nr. 620/1991, das am 3. Dezember 1991 ausgegeben wurde, der seinem Inhalt nach wiedergegebene ArtII Abs1 leg.cit. rückwirkend mit 10. Oktober 1946 in Kraft trat, müssen die vom Verwaltungsgerichtshof als Verordnungen angefochtenen Akte der Fachgruppen als "gesetzmäßig zustande gekommen" erachtet werden.
b. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gründen weiters auf dem - behaupteten - Umstand, daß die Landesgremien der Sektion Handel der Handelskammer Niederösterreich nicht dem Gesetz entsprechend errichtet worden seien.
Gleichgültig ob diese Bedenken zutreffen, wird dadurch jedenfalls die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse, insbesondere auch die Zuständigkeit der Behörden, die diese Beschlüsse erlassen haben, nicht berührt.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, V220-223/90, unter Hinweis auf seine ständige Judikatur zu Gemeindestrukturänderungsgesetzen dargelegt hat, ist es unzulässig, die Rechtmäßigkeit von Akten eines Verwaltungsträgers auch im Hinblick darauf zu überprüfen, ob die Errichtung des Verwaltungsträgers selbst in jeder Beziehung rechtmäßig verlaufen ist; anders würde nämlich eine dem rechtsstaatlichen Prinzip abträgliche Rechtsunsicherheit dadurch eintreten, daß bei jedem, von einem Verwaltungsorgan erlassenen Akt auch die Rechtmäßigkeit der Konstituierung des Verwaltungsträgers, für den das Verwaltungsorgan tätig wird, in Frage gestellt werden kann. Insbesondere wird auch die Zuständigkeit der einen Bescheid oder eine Verordnung erlassenden Verwaltungsbehörde durch eine - behauptete - Rechtswidrigkeit der Vorgänge bei der Errichtung des - ebenfalls an sich zuständigen - Verwaltungsträgers nicht berührt.
Daß die Landesgremien der Sektion Handel der Handelskammer Niederösterreich überhaupt rechtlich existent wurden, ist nicht zweifelhaft und wird vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht bestritten; hätte sich doch anders seine Anfechtung der Beschlüsse von vornherein erübrigt. Der Rechtsbestand der genannten Landesgremien ist schon deshalb nicht zweifelhaft, weil unabhängig von dem, diese Fachgruppen konstituierenden Beschluß des Vorstandes der Landeskammer Niederösterreich vom 7. Mai 1947 in der Stammfassung der Handelskammer-Wahlordnung, BGBl. 11/1950, im Anhang ausdrücklich von der Existenz der betreffenden Fachgruppen (wenn auch teilweise unter anderen Bezeichnungen) ausgegangen wird. Darüber hinaus wurde auch durch die Gewerberechtsnovelle 1952, BGBl. 179, bewirkt, daß an die Stelle der in der Gewerbeordnung 1859 und im Kundmachungspatent zur Gewerbeordnung 1859 genannten öffentlich-rechtlichen Einrichtungen "die nunmehr bestehenden (- sohin als vordem zum Gutteil bereits als bestehend vorausgesetzten (Einfügung vom Verfassungsgerichtshof) -) öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu treten" haben (ArtXXXIV). Darunter waren, wie sich auch aus VfSlg. 2500/1953, Seite 137, ergibt, die "bestehenden" Fachgruppen im Sinne des Handelskammergesetzes, BGBl. 182/1946, zu verstehen. Auch die Organe der Landesgremien der Sektion Handel der Handelskammer Niederösterreich wurden mehrfach in demokratischen Wahlen bestellt, ohne daß einer dieser Wahlvorgänge mit der Behauptung angefochten worden wäre, die betreffenden Fachgruppen seien rechtswidrig errichtet worden (vgl. zur streitabschneidenden Wirkung der Nichtanfechtung von Wahlen grundsätzlich VfSlg. 7607/1975, Seite 601).
Im übrigen scheint es dem Verfassungsgerichtshof nicht unwesentlich, darauf hinzuweisen, daß die im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Vorgangsweise bei der Errichtung von Fachgruppen - vorerst - in der Stammfassung der Fachgruppenordnung, BGBl. 223/1947, die erst nach dem 16. Oktober 1947 in Kraft trat, und sodann in der 4. Handelskammergesetznovelle 1969, BGBl. 208, in welcher der vom Verwaltungsgerichtshof wiedergegebene Rechtszustand hergestellt wurde, geregelt wurde. Die Errichtung von Fachgruppen vor Erlassung der genannten Normen stützte sich sohin - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich auf das Handelskammergesetz, BGBl. 182/1946, das diesbezüglich weder eine besondere Zuständigkeitsvorschrift enthielt noch ein besonderes Verfahren anordnete.
Der Verfassungsgerichtshof teilt sohin die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der von diesem angefochtenen Beschlüsse nicht.
Der Antrag war sohin abzuweisen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Handelskammern, Verordnungserlassung, Sanierung, Verwaltungsorgan, Geltungsbereich einer Verordnung, Verwaltungsträger KonstituierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V185.1991Dokumentnummer
JFT_10079376_91V00185_00