TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 93/04/0068

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

BauO NÖ 1976 §103 Abs1;
BauO NÖ 1976 §106 Abs1;
BauRallg;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheit vom 5. Jänner 1993, Zl. 314.617/1-III/3/92, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 19. März 1991 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage für die Verschrottung von Kraftfahrzeugen (Kfz-Mechanikerwerkstätte) im Standort H, abgewiesen. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde vom Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 26. Juli 1991 keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 5. Jänner 1993 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage aus, das für die Errichtung und den Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage vorgesehene Betriebsgrundstück sei auf Grund des bestehenden Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde H als

"Grünland - Landwirtschaft" gewidmet. Eine Kfz-Mechanikerwerkstätte bzw. Kfz-Verschrottung sei zweifelsohne für eine landwirtschaftliche Nutzung im Grünland nicht erforderlich, weshalb eine derartige Anlage unter Bedachtnahme auf § 19 Abs. 2 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes dem Zweck der vorliegenden Widmung widerspreche. Zwar würden die in generellen Rechtsvorschriften enthaltenen Verbote im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 durch individuelle Rechtsvorschriften, z.B. Baubescheide, verdrängt, und es sei im gegenständlichen Fall das Betriebsgebäude des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 18. Jänner 1982 baubehördlich genehmigt worden, das vom Bundesminister durchgeführte ergänzende Ermittlungsverfahren habe jedoch ergeben, daß das vom Baubescheid erfaßte Werkstättengebäude nicht innerhalb von fünf Jahren ab Rechtskraft des Bescheides fertiggestellt worden sei. Zu dieser Auffassung sei der Bundesminister auf Grund der glaubwürdigen Stellungnahme der Marktgemeinde H vom 10. März 1992 - wonach "der Bauwerber auch binnen zwei Jahren nach Rechtskraft des (baubehördlichen Genehmigungs-) Bescheides mit gegenständlichem Bau begonnen, diesen jedoch nicht fertiggestellt" habe - gelangt, deren Richtigkeit auf Grund der Feststellungen in der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 6. März 1991 (Seite 2, "Rohbau") sowie in der Sachverhaltsfeststellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich nicht in Zweifel zu ziehen sei. Das gegenteilige Vorbringen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vermöge nicht zu überzeugen, zumal die darin enthaltenen Ausführungen, wonach ein Benützungsbewilligungsbescheid noch nicht erlassen worden sei, die Auffassung von einem Erlöschen der Baugenehmigung stützten. Im vorliegenden Fall werde daher das durch die Flächenwidmungsvorschrift bestehende Verbot gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 für die gegenständliche Betriebsanlage durch eine individuelle Rechtsvorschrift nicht aufgehoben. Aus diesem Grund seien die Bescheide der Vorinstanzen, die der Betriebsanlage die Genehmigung aus den Gründen des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 versagt hätten, zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in "seinem subjektiven Recht auf gewerbebehördliche Genehmigung für die Betriebsanlage (Kfz-Mechanikerwerkstätte) im Standort H, verletzt, sowie in seinem subjektiven Recht auf einheitliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde, sowie in seinem subjektiven Recht auf Berücksichtigung und Aufrechterhaltung eines rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides der Baubehörde." In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, im angefochtenen Bescheid fehlten für die Entscheidung wesentliche Feststellungen. Der Beschwerdeführer habe am 18. März 1991 um Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes angesucht. Die Marktgemeinde H habe dies zur Kenntnis genommen, jedoch dem Beschwerdeführer unzulässigerweise die Vorlage eines mit der Niederösterreichischen Landesregierung abgestimmten Entwurfes des örtlichen Raumordnungsprogrammes auferlegt. Vielmehr wäre es Sache der Gemeinde gewesen, die Voraussetzungen für die beantragte Umwidmung und damit auch die Umgestaltung des Raumordnungsprogrammes bzw. des Flächenwidmungsplanes zu überprüfen und darüber zu entscheiden. Der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 24. Juni 1992 der BH Gänserndorf einen Situationsplan betreffend das verfahrensgegenständliche Grundstück vorgelegt, welcher die Möglichkeit der Schaffung einer ausreichenden Zufahrt zum Grundstück ausgewiesen habe; dies deshalb, da von der Behörde eine unzulängliche Zufahrtsmöglichkeit als wesentlicher Grund für die Versagung der Genehmigung genannt worden sei. Auch darüber habe die Behörde nicht abgesprochen. Es mangle auch an ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen zum derzeitigen Zustand der gegenständlichen Baulichkeit bzw. Betriebsanlage. Tatsächlich sei in der Natur, wie der Beschwerdeführer bereits ausgeführt habe, das Bauwerk fertiggestellt; daran könne nichts ändern, daß eine Benützungsbewilligung noch nicht vorliege. Die belangte Behörde hätte daher festzustellen gehabt, ob und inwieweit das Bauwerk als faktisch fertiggestellt anzusehen sei bzw. "welche Arbeiten noch als fehlend zu rügen wären". Sollte die Behörde die Tatsache, daß das Gebäude noch keinen endgültigen Verputz aufweise, als Kriterium der mangelnden Fertigstellung ansehen, müsse darauf verwiesen werden, daß dies einen Betrieb der Anlage in keiner Weise hindere und es unbillig wäre, dem Beschwerdeführer einen derartigen Kostenaufwand, der mit der unmittelbaren Betriebsanlage nichts zu tun habe, zuzumuten. Von entscheidungswesentlicher Bedeutung sei, ob tatsächlich eine Änderung des Flächenwidmungsplanes, d. h. Umwidmung des gegenständlichen Grundstückes, durchgeführt werde, sodaß es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle, vor der Entscheidung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes abzusprechen. Auch dies bedeute eine Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im gegenständlichen Falle liege eine rechtskräftige Baugenehmigung für das Betriebsgebäude vom 29. Juli 1977 sowie auch für die Errichtung der Werkstätte vom 18. Jänner 1982 vor. Diesen Baubewilligungsbescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde H als Baubehörde komme entscheidungswesentliche Bedeutung zu, da eine derartige "Rechtsvorschrift" gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage Berücksichtigung finden müsse. Eine Fertigstellung der Baulichkeiten sei innerhalb der im § 103 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung normierten Fünfjahresfrist erfolgt; auf das Nichtvorliegen einer Benützungsbewilligung komme es nicht an.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 in der im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vemieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047, zur Anordnung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 dargetan hat, hat die Gewerbebehörde in Ansehung der konkreten vom Antrag erfaßten Betriebsanlage, und zwar bezogen auf den in Betracht kommenden Standort, zu prüfen, ob sich aus einer Rechtsvorschrift ein Verbot des Errichtens oder Betreibens dieser Anlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag ergibt. Derartige "Rechtsvorschriften", die genereller oder individueller Art (Bescheide) sein können, sind aber von der Verwaltungsbehörde entsprechend den vorstehenden Darlegungen nicht zu vollziehen, sondern von ihr im Sachverhaltsbereich zu berücksichtigen.

Fest steht im vorliegenden Fall, daß auf Grund des Bescheides der Marktgemeinde H als Baubehörde vom 18. Jänner 1982 das vom gegenständlichen Ansuchen um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage umfaßte Betriebsgebäude bereits baubehördlich genehmigt ist. Die belangte Behörde geht jedoch in ihren rechtlichen Ausführungen davon aus, daß diese Baubewilligung gemäß § 103 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung erloschen sei, weshalb auf Grund des - dem vorzitierten Baubewilligungsbescheid entgegenstehenden - gültigen Flächenwidmungsplanes, welcher das gegenständliche Betriebsgrundstück als "Grünland-Landwirtschaft" ausweist, im Zusammenhang mit § 19 Abs. 2 und 4 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes von einem Standortverbot im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 auszugehen sei.

Gemäß § 103 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung erlischt das Recht aus einem Baubewilligungsbescheid, wenn die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen zwei Jahren nach Rechtskraft des Bescheides begonnen wurde (§ 106 Abs. 1) oder das Vorhaben nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Ausführung vollendet ist. Eine Bauführung ist dann als vollendet anzusehen, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen ist und alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1958, Slg. N.F. Nr. 4728/A).

Um beurteilen zu können, ob der Baubewilligungsbescheid der Marktgemeinde H vom 18. Jänner 1982 wegen Überschreitens der im § 103 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung genannten Fristen rechtsunwirksam ist, bedarf es somit der Feststellungen, wann die Rechtskraft des vorgenannten Bescheides eingetreten ist, wann mit der Ausführung des in Rede stehenden Bauvorhabens begonnen wurde, und ob bzw. wann nach Beginn der Ausführung dieses Bauvorhaben im Sinne der vorstehenden Darlegungen vollendet wurde. Solche auf ihre Schlüssigkeit überprüfbaren Feststellungen fehlen jedoch im angefochtenen Bescheid. Unabhängig davon rechtfertigt auch die in der Niederschrift der Gewerbebehörde erster Instanz vom 6. März 1991 enthaltene Feststellung, das in Rede stehende Gebäude befinde sich im "Rohbau" alleine noch nicht die Annahme, daß ein Gebäude im Sinne des § 103 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung noch nicht als vollendet anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1987, Zl. 87/05/0056).

Da somit die in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgehaltenen Erwägungen nicht ausreichen, um zu dem aus dem Spruch ersichtlichen Urteil im Rechtsbereich zu gelangen, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Stempelersatzbegehren für nicht erforderliche Beilagen war nicht zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040068.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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