Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der M-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMwA vom 9. November 1992, Zl. 315.216/1-III/3/92, (mP: Dr. L in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W), betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Juni 1989 wurde der S GesmbH im Standort Wien, F-Gasse 1, zum Betrieb des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Cafe-Restaurants nach Maßgabe der Pläne und Betriebsbeschreibungen die Genehmigung der Errichtung einer Betriebsanlage erteilt und gemäß § 78 Abs.2 GewO 1973 angeordnet, daß die Betriebsanlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden darf. Gleichzeitig wurde für den Zeitraum von 6 Monaten vor der von der Gewerbebehörde erster Instanz anzuberaumenden Betriebsbewilligungsverhandlung bis zum Abschluß des Betriebsbewilligungsverfahrens in erster Instanz ein Probebetrieb angeordnet, wobei die Aufnahme des Probebetriebes dem Magistratischen Bezirksamt mindestens zwei Wochen vor seinem Beginn schriftlich anzuzeigen ist. Mit Ansuchen vom 18. Juli 1990 beantragte die Beschwerdeführerin
- offensichtlich als nunmehrige Inhaberin dieser Betriebsanlage - die Erteilung der Betriebsgenehmigungsbewilligung.
Mit dem am 2. Oktober 1990 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt, eingelangten Ansuchen beantragte die Beschwerdeführerin "die gewerbebehördliche Genehmigung und Änderung der Betriebsanlage als Bar, und der Dachterrasse". Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt, vom 23. Mai 1991 wurde die Änderung der Betriebsanlage im Standort Wien 15, F-Gasse 1, in welcher die Beschwerdeführerin die Konzession Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar ausübt, nach Maßgabe der Pläne, auf die sich dieser Bescheid bezieht, gemäß § 81 GewO 1973 mit Auflagen genehmigt und ausgesprochen, daß die Betriebsanlage erst auf Grund einer Betriebsbewilligung betrieben werden darf. Gleichzeitig wurde für den Zeitraum von 6 Monaten vor der anzuberaumenden Betriebsbewilligungsverhandlung bis zum Abschluß des Betriebsbewilligungsverfahrens in erster Instanz ein Probebetrieb angeordnet. Die Aufnahme des Probebetriebes ist dem Magistratischen Bezirksamt mindestens zwei Wochen vor seinem Beginn schriftlich anzuzeigen. Die durch diesen Bescheid erfolgten Änderungen wurden wie folgt beschrieben:
"Im Erdgeschoß wurde der Lagerraum in einen Umkleideraum (für das Personal) und die Personalgarderobe in ein Bad umgebaut. Die im ersten Stock gelegenen Sauna- und Solarienräume sollen künftig teilweise als Gasträume, teilweise als Magazine genützt werden. Im ersten Stock soll weiters eine Dachterrasse zur Betriebsanlage hinzugenommen werden. In der Betriebsanlage werden ca. 40 zusätzliche Verabreichungsplätze eingerichtet. Ferner soll die Betriebsart von "Cafe-Restaurant" auf "Bar" geändert werden, wodurch die gesetzliche Sperrstunde von 4.00 Uhr gegeben ist."
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Februar 1992 wurde auf Grund der dagegen von mehreren Nachbarn erhobenen Berufungen der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG "hinsichtlich der Genehmigung der Änderung der im ersten Stock gelegenen Sauna- und Solarienräume, der Hinzunahme einer Dachterrasse zur Betriebsanlage sowie der Errichtung von 40 zusätzlichen Verabreichungsplätzen im ersten Stock behoben und diesbezüglich die Genehmigung der Änderung gemäß § 81 GewO 1973 versagt" und die diese Anlagenteile betreffenden Auflagen ersatzlos behoben. Im übrigen, nämlich in Ansehung der Änderung der Betriebsart von "Cafe-Rastaurant" auf "Bar" wurden die Berufungen abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Eine von der Nachbarin E eingebrachte Berufung wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 356 Abs. 3 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen.
Auf Grund der dagegen von der Beschwerdeführerin und einer Nachbarin erhobenen Berufungen faßte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 4 AVG am 9. November 1992 den Bescheid-Spruch:
"Der angefochtene und der diesem zugrundeliegende Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes vom 23. Mai 1991, werden behoben und das Ansuchen der M-Gesellschaft m.b.H. um Änderung der Betriebsanlage durch Änderung der Betriebsart von Cafe-Restaurant auf Bar und Hinzunahme der Dachterrasse (eingelangt beim Magistratischen Bezirksamt am 2.10.1990) wird abgewiesen."
Dieser Ausspruch wurde damit begründet, das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 2. Oktober 1990 sei von der Gewerbebehörde erster Instanz dahingehend interpretiert worden, daß einerseits die Änderung der Betriebsart von Cafe-Restaurant auf Bar (und damit auf Grund der landesgesetzlichen Vorschriften eine Ausweitung der Betriebszeit bis 4.00 Uhr früh) und andererseits die Erweiterung der Betriebsanlage um die Dachterrasse sowie um die drei bisher als Sauna benützten Räumlichkeiten sowie um vier Kleinräumlichkeiten als Lager beabsichtigt sei. Zahlreiche Nachbarn, unter anderem die Berufungswerberin Dr. L, hätten Einwendungen wegen befürchteter zusätzlicher Lärmbelästigungen erhoben. Die Gewerbebehörde zweiter Instanz habe "ein sehr ausführliches und den Problemkomplex vielseitig beleuchtendes medizinisches Gutachten" eingeholt, dessen Conclusio wie folgt laute:
"Zusammenfassend ergibt sich bezüglich des Problemkomplexes Lärm, daß selbst bei Einhaltung der Auflagen (vgl. Seite 3) ein Dachterrassenbetrieb nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, insbesondere bezüglich der abendlichen Erholungsphase und der Wochenenden, belästigungsfrei sein wird. Das Ausmaß dieser Belästigung könnte im Rahmen eines Probebetriebes erfaßt werden, da nicht vorhersehbar ist, wie laut der Unterhaltungston nach Überwechseln der Gäste aus dem Inneren der Betriebsanlage auf die Terrasse sein wird (vgl. Seite 7).
Bezüglich des Problemverhaltens der Gäste besteht bei Eltern um die geordnete Entwicklung der Kinder und Jugendlichen insoferne eine berechtigte Sorge, als die Adoleszenz der sozialen Integration und nicht zu deren Gegenteil führen soll. Ein Milieu, welches dem sozialintegrativen Verhalten der Mehrheit entgegensteht, kann als Bedrohung der verbreiteten Ordnung jene Streßgrundlage liefern, auf deren Basis das Problemverhalten des Betriebes aufpfropft und kann in Summe eine das psychologische Ausmaß übersteigende Streßaktion mit Manifestation eines krankhaften Zustandes bewirken. Inwiefern die auf lange Sicht gesehene Möglichkeit, daß unerwünschte Veränderungen (im Sinne der Definition einer Gesundheitsgefährdung) außerhalb der situationsgemäßen Variationsbreite auftreten werden, auf einer medizinisch zumutbaren oder unzumutbaren Beineinträchtigung des Wohlbefindens in der Gegenwart aufbaut, stellt angesichts der Entwicklungspotenz zur Gesundheitsgefährdung eine zweitrangige Frage dar. Die Möglichkeit eines zukünftigen Gesundheitsschadens aus obig zitierten Gründen kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. ..."
Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, beim Verfahren um Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage handle es sich - ebenso wie beim Verfahren um Genehmigung einer Betriebsanlage - um ein antragsbedürftiges Verwaltungsverfahren. Die Behörde sei nicht berechtigt, auf Grund eines einheitlichen Ansuchens um Genehmigung einer Betriebsanlage mehrere Genehmigungsbescheide zu erlassen, d.h., die Betriebsanlage in mehrere Teilanlagen aufzuspalten, bzw. eine Grundsatzgenehmigung und mehrere Detailgenehmigungen zu erteilen. Die Behörde sei somit verpflichtet, über ein einheitliches Ansuchen als Ganzes und nicht in Teilbescheiden oder auch nur zum Teil abzusprechen. Vielmehr seien Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlagenänderung als Einheit anzusehen, das nur durch Auflagen soweit modifiziert werden könne, als dadurch das Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werde, nicht jedoch teilweise genehmigt und teilweise versagt werden dürfe. Dem am 2. Oktober 1990 eingelangten Ansuchen um Genehmigung der Betriebsanlagenänderung der Beschwerdeführerin komme somit ein einheitliches rechtliches Schicksal zu, wobei die bloße Änderung der Betriebsart kein betriebsanlagenrechtliches Sachverhaltselement sondern ein solches des Konzessionsverfahrens sei. Wenn auch im Wortlaut der geltenden Bestimmung der Gewerbeordnung der Terminus "Vermeidung einer Gefährdung der Gesundheit" verwendet werde, so bedeute dies nichts anderes, als der Ausschluß einer Gesundheitsgefährdung. Dem zusammenfassend wiedergegebenen, äußerst umfangreichen medizinischen Sachverständigengutachten der Behörde zweiter Instanz, das sich ausdrücklich auf die gesamte Änderung der Betriebsanlage beziehe, lasse sich keineswegs entnehmen, daß durch die von der geänderten Betriebsanlage zu erwartenden Immissionen eine Gefährdung der Gesundheit ausgeschlossen werden könne, sondern vielmehr das Gegenteil. Die Behörde könne daher nicht umhin, die gesamte Änderung der Betriebsanlage aus den oben dargestellten Gründen zu versagen. Auf Grund dieser Sach- und Rechtslage könne dem Berufungsbegehren der Genehmigungswerberin nicht näher getreten werden und sei auf die anders gelagerte Argumentation in der Berufung nicht im Detail einzugehen; ebensowenig sei auf die Ausführungen in der Berufungsschrift der Nachbarin Dr. L, deren Begehren im Ergebnis stattgegeben worden sei, einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf antragsgemäße Stattgebung ihres Änderungsansuchens verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt, ob, allenfalls unter welchen vorzuschreibenden, bestimmten geeigneten Auflagen Gesundheitsgefährdungen vermieden und Belästigungen etc. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden könnten. Die von den Vorinstanzen als geeignet angesehenen Auflagen seien von der belangten Behörde weder erwähnt noch gewürdigt worden. Sogar der medizinische Amtssachverständige, dessen Gutachten selbst die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde lege, habe ausgeführt, daß eine Lärmstörung bei offener Betriebsanlagentür durch überlaute Musik bei Einhaltung einer Auflage zum Geschlossenhalten nicht nur der Fenster sondern auch der Türen der Betriebsanlage nicht möglich sei. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, in nachvollziehbarer Weise darzustellen, ob und unter Vorschreibung welcher Auflagen bei der von der Beschwerdeführerin beantragten Ausdehnung der Betriebszeit bis 4.00 Uhr einerseits sowie Erweiterung des Betriebes auf den ersten Stock und die Dachterrasse andererseits eine Gesundheitsgefährdung von Nachbarn ausgeschlossen bzw. Belästigungen von Nachbarn auf das zumutbare Maß reduziert werden könnten. Damit habe die belangte Behörde den maßgebenden Sachverhalt weder festgestellt noch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hinreichend dargelegt. Der medizinische Sachverständige habe die Auswirkungen der zu erwartenden Immissionen auf den menschlichen Organismus darzustellen und dabei auch, wenn subjektive Wahrnehmungen bedeutsam sein könnten, von den objektiven Beweisen auszugehen. Davon könne bei dem hier vorliegenden Gutachten keine Rede sein. Vielmehr versuche der medizinische Sachverständige zum Teil einen lärmtechnischen Sachverständigen zu ersetzen. Zwar könne dem Sachverständigen zugestimmt werden, daß die Nachbarn der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage auf Grund hohen Verkehrsaufkommens und der - wohl notorischen - Problematik des Kontakts mit der Suchtgiftszene besonderem Streß ausgesetzt seien, dieser habe jedoch mit der verfahrensgegenständlichen Änderung der Betriebsanlage nur soweit zu tun, als er bei der Prognose der gesundheitlichen Folgen von Lärm, der durch die Ausdehnung der Betriebszeiten bzw. räumlichen Ausdehnung der Anlage hervorgerufen werde, zugrundegelegt werden könne. Auf Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen durch Gäste der verfahrensgegenständlichen Anlage außerhalb dieser sei nach geltendem Recht über das oben aufgezeigte Maß hinaus nicht Bedacht zu nehmen. Abgesehen davon, daß die Aussage in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverständigengutachten, selbst bei Einhaltung der Auflagen werde ein Dachterrassenbetrieb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, insbesondere bezüglich der abendlichen Erholungsphase und der Wochenenden, nicht belästigungsfrei sein, von einem lärmtechnischen Sachverständigen getroffen hätte werden müssen, lege der medizinische Sachverständige nicht dar, auf Grund welcher Befunde und Daten er zu dieser Schlußfolgerung gekommen sei. Wesentlich sei jedoch, daß in dieser Aussage von einer Gesundheitsgefährdung nicht die Rede sei, vielmehr der medizinische Sachverständige einen Probebetrieb vorschlage. Keinesfalls könne den Ausführungen des Sachverständigen entnommen werden, daß die von ihm erwarteten Belästigungen unzumutbar oder gar gesundheitsgefährdend wären. Jedenfalls hätte die belangte Behörde daher gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 einen Probebetrieb vorschreiben müssen. Die weiteren im angefochtenen Bescheid zitierten Passagen des medizinischen Gutachtens seien kaum nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, dem Sachverständigen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes eine Gutachtensergänzung aufzutragen. Bei Einhaltung dieser Vorgangsweise hätte die belangte Behörde zu einer Bewilligung des vorliegenden Antrages der Beschwerdeführerin kommen müssen.
Hiezu ist unter Bedachtnahme auf die für den Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen gewerberechtlichen Vorschriften in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, folgendes auszuführen:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Ziffern 1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen herbeizuführen.
Gemäß § 77 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachhaltige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist das Tatbestandselement, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Gemäß § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Bei der Beurteilung eines Sachverhaltes darauf hin, ob eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn (§ 77 Abs. 1 GewO 1973 iVm § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) vorliegt, handelt es sich, ebenso wie bei der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn (§ 77 GewO 1973 iVm § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.) um die Lösung einer Rechtsfrage. Das Ergebnis einer Beweisaufnahme durch Sachverständige (§ 52 AVG) bildet lediglich ein Element des für die Erlassung des Bescheides maßgebenden Sachverhalts (§§ 37 und 56 AVG). Das Merkmal "Gefährdung der Gesundheit" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff. Ein entscheidender Ansatzpunkt für seine Auslegung ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen der Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn und der Belästigung der Nachbarn. Dementsprechend ist die Gefährdung der Gesundheit eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus, deren Art und Nachhaltigkeit über eine bloße Belästigung hinausgeht. Die Abgrenzung ist von der Behörde im Rechtsbereich jeweils unter Heranziehung von dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Sachverständigenaussagen vorzunehmen. Die Behörde hat demzufolge unter Beachtung der dargestellten Rechtslage vorerst zu beurteilen, ob zu erwarten ist, daß eine Gefährdung der Gesundheit unter anderem der Nachbarn ausgeschlossen ist. Ist dies zu erwarten, dann obliegt der Behörde die Prüfung, ob zu erwarten ist, daß die Belästigungen der Nachbarn auf ein zumutbares Maß beschränkt werden können.
Danach ist die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage vorliegen, Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten über diese Fragen) abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich über die Art und das Ausmaß der von der Betriebsanlage zu erwartenden Immissionen zu äußern. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt, fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus, entsprechend den in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1973 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen, auszuüben vermögen. Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 91/04/0209 mit weiteren Nachweisen).
Die belangte Behörde hat aus den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten den rechtlichen Schluß gezogen, auf Grund der von der geänderten Betriebsanlage zu erwartenden Immissionen könne eine Gefährdung der Gesundheit (gemeint der Nachbarn) nicht ausgeschlossen werden. Da eine Modifikation des Projektes durch zulässige Auflagen, welche diese Gesundheitsgefährdung verhindern könnten, nicht möglich sei, wäre der Antrag der Beschwerdeführerin auf Änderung der gewerblichen Betriebsanlage abzuweisen gewesen. In ihrer Gegenschrift konkretisiert die belangte Behörde ihre Annahme, von der geänderten Betriebsanlage zu erwartende Immissionen würden eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn darstellen, dahingehend, der menschliche Organismus sei von verschiedensten Umweltfaktoren beeinflußt, organische Auswirkungen stünden oft im Zusammenhang mit psychischen Einwirkungen, weshalb vom ärztlichen Sachverständigen eine umfassende und den Menschen als Ganzes berücksichtigende Beurteilung erwartet werde. Der ärztliche Sachverständige habe in konkreter Auseinandersetzung mit den Problemkomplexen der gegenständlichen Betriebsanlage in augenscheinlicher Weise dargelegt, warum durch diese in mehrfacher Weise Streßsituationen und als Folge Beeinträchtigungen der Gesundheit für die Nachbarn entstehen könnten. Die Rauschgiftszene bilde ein derartiges komplexes Bedrohungsbild für die Nachbarn, welche sich offenbar im besonderen durch die gegenständliche Betriebsanlage manifestiere und konkretisiere.
Die belangte Behörde ging somit offenbar bei ihrer Annahme einer Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn durch die Änderung der Betriebsanlage von gesundheitsgefährdenden "Immissionen" durch ein spezielles Problemverhalten von Gästen der Betriebsanlage aus. Die "Gefährdung der Gesundheit" ist eine - in kausalem Zusammenhang mit Bestand oder Betrieb der Anlage stehende - Einwirkung auf den menschlichen Organismus, die in Art und Nachhaltigkeit über eine bloße Belästigung hinausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 91/04/0163). Unter den im § 74 Abs. 2 GewO 1973 genannten näher bezeichneten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen sind aber nur PHYSISCHE EINWIRKUNGEN zu verstehen (vgl. Schwarzer, Die Genehmigungen von Betriebsanlagen, Seiten 182 und 262), mögen sie auch - soweit sie sich auf die Gesundheitsgefährdung beziehen - nicht sinnlich wahrnehmbar sein (vgl. Schwarzer, a.a.O. Seite 259). Die von einer Betriebsanlage allenfalls ausgehenden sittlichen Gefährdungen oder Belästigungen der Nachbarn können jedoch im Rahmen eines gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens nicht geprüft werden und haben daher bei Beurteilung der Behörde, ob durch die Genehmigung der Betriebsanlage eine Gefährdung der Nachbarn eintritt, außer Betracht zu bleiben. Abgesehen davon ist auch auf § 74 Abs. 3 GewO 1973 zu verweisen, worin für die Genehmigungspflicht auf eine "der Art des Betriebes" gemäße Inanspruchnahme abgestellt wird, worunter ein rechtswidriges Verhalten von Gästen der Betriebsanlage jedoch nicht subsumiert werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 1992, Zl. 88/04/0022, und vom 10. Juni 1992, Zl. 92/04/0011).
Andererseits gründet die belangte Behörde offenbar ihre Annahme des Bestehens einer Gesundheitsgefährdung auch auf von der Betriebsanlage ausgehende Lärmimmissionen.
Mag auch in diesem Zusammenhang unter Umständen eine vollständige Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens, auf welches die rechtliche Beurteilung eines Bescheides aufbaut, im Begründungsteil desselben nicht unbedingt erforderlich sein - wie dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 88/04/0075, darlegt -, jedenfalls hat aber gemäß § 60 AVG die Begründung eines Bescheides Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat daher die Begründung eines Bescheides alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind, denn nur so ist es dem Bescheidadressaten und auch dem Verwaltungsgerichtshof möglich ist, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntis vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0156). Schon aus der im angefochtenen Bescheid wörtlich zitierten und eingangs wiedergegebenen Zusammenfassung des medizinischen Sachverständigengutachtens kann die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, durch den auf Grund der Änderung der Betriebsanlage bewirkten Lärm würde das Leben oder die Gesundheit des im § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 umschriebenen Personenkreises gefährdet werden nicht geschlossen werden, da der Sachverständige - abgesehen davon, daß es an der nach der oben dargestellten Rechtslage aber jedenfalls erforderlichen entsprechenden Begutachtung durch einen technischen Sachverständigen fehlt - zum "Problemkomplex Lärm" nur eine Belästigung für möglich hält. Der ärztliche Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 8. Jänner 1992 keine Aussagen darüber getroffen, ob die von ihm - selbst bei Einhaltung der vom Landeshauptmann von Wien als Gewerbebehörde zweiter Instanz vorgeschriebenen Auflagen - bei Genehmigung des Dachterrassenbetriebes als möglich festgestellten Lärmbelästigungen unzumutbar im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 sind. Mangels vollständiger Sachverhaltsfeststellung kann daher derzeit abschließend nicht beurteilt werden, ob ein Probebetrieb - wie vom medizinischen Sachverständigen angeregt - möglich ist oder deshalb nicht zugelassen oder vorgeschrieben werden kann, weil - wie die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0215, in ihrer Gegenschrift dargelegt hat - nicht klar ist, ob durch technische Maßnahmen gesundheitsgefährdende oder unzumutbare Immissonen hintangehalten werden können.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon im Hinblick darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher ohne Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 GewO 1973 abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040009.X00Im RIS seit
20.11.2000