TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 93/04/0080

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

L82809 Gas Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GasG Wr §4 Abs3;
StGG Art2;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der X-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Februar 1993, Zl. MA 64 - BE 14/93, betreffend Erteilung eines Auftrages nach § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, LGBl. Nr. 17/1954 in der Fassung LGBl. Nr. 14/1991 als Inhaberin der Gasanlage auf der Liegenschaft Wien, B-Gasse 4, der Auftrag erteilt, an der genannten gastechnischen Anlage die Verteilungsleitung des Hauses, das ist der Leitungsteil für ungemessenes Gas zwischen dem Steigleitungshahn im Vordertrakt des Wohnhauses (rechts in der Hauseinfahrt) bis zu den Gaszählereingängen der einzelnen Wohneinheiten in ihrer Gesamtheit binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Bescheides in einen dem Wiener Gasgesetz sowie den anerkannten "Technischen Richtlinien für Einrichtung, Änderung, Betrieb und Instandsetzung von Niederdruck-Gasanlagen (ÖVGW-TR Gas 1985)" entsprechenden Zustand zu verbessern. Zur Begründung wurde ausgeführt, die gegenständliche Verteilerleitung sei für undicht befunden worden und das Gasversorgungsunternehmen habe die Lieferung des Gases durch Sperren des Steighahnes eingestellt. Zumindest vier Parteien seien auf den Gasbezug zur Warmwasseraufbereitung mittels Kleinwasserheizgeräte angewiesen. Da sogar eine unmittelbare Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Fall des Wiener Gasgesetzes vorliege, sei der Auftrag gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. durch den Magistrat der Stadt Wien zu Recht erfolgt. Die fehlende Gasversorgung stelle eine Beeinträchtigung der Lebensqualität der betroffenen Mieter dar, weshalb eine Fristerstreckung nicht gewährt habe werden können. In der Verhandlung sei unbestritten festgestellt worden, daß die Instandsetzung der Gassteigleitung innerhalb von 14 Tagen möglich sei. Das Vorbringen, es seien derzeit keine Mittel aus den Mietzinseinnahmen für die Arbeiten vorhanden, könne keine anderslautende Entscheidung herbeiführen, weil die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Rahmen des Verfahrens nach § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz nicht tatbestandsmäßige Voraussetzung eines entsprechenden Auftrages sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen nach in dem Recht auf Nichterteilung eines Auftrages nach § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie vor, das auf der in Rede stehenden Liegenschaft errichtete Haus, das die Beschwerdeführerin mit Kaufvertrag vom 6. Februar 1991 erworben habe, weise einen insgesamt schlechten Bauzustand auf, der offensichtlich bereits viele Jahre bestanden habe. Für das Haus existiere keine Mietzinsreserve, aus welcher Reparaturen gedeckt werden könnten. Die Mieter des Wohnhauses gehörten den untersten sozialen und finanziellen Schichten an und seien offensichtlich nicht in der Lage, zu den Erhaltungsarbeiten einen Beitrag zu leisten. Auch die einzelnen Wohnungen würden vernachlässigt. Die Gasanlage sei ab dem Steigleitungshahn rechts in der Hauseinfahrt des Vordertraktes des Hauses nicht mit Erdgas versorgt, nachdem die Wiener Stadtwerke-Gaswerke die Steigleitung am 22. Oktober 1992 überprüft und als undicht befunden hätten und in der Folge die Lieferung von Gas durch Sperren des Steigleitungshahnes eingestellt hätten. Die belangte Behörde hätte zum Ergebnis kommen müssen, daß die Erneuerung einer gesamten Steigleitung eines Hauses nicht in der festgesetzten kurzen Frist bewirkt werden könne, zumal "Fachfirmen" in aller Regel so gut ausgelastet seien, daß sie einen Werkauftrag in diesem Umfang aus terminlichen Gründen gar nicht innerhalb dieser Frist ausführen könnten. Abgesehen davon müsse auch die entsprechende Zeit für die Auswahl derartiger Unternehmen berücksichtigt werden. Jedenfalls hätte die belangte Behörde Sachverhaltserhebungen darüber durchzuführen gehabt, ob die von der Behörde erster Instanz festgesetzte Frist ausreichend sei. Die Ausführungen der belangten Behörde, eine wirtschaftliche Zumutbarkeit im Rahmen eines Verfahrens nach § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz sei nicht tatbestandsmäßige Voraussetzung, gehe von einer reinen Wortinterpretation dieser Gesetzesstelle aus. Diese sei jedoch nicht angebracht, da diesfalls sogar der Eigentümer eines Abbruchhauses, in welchem kein Gasabnehmer mehr vorhanden sei, die Leitungen zu erneuern hätte; dies würde einen sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen. Bei verfassungskonformer Auslegung der vorzitierten Gesetzesstelle müsse daher die wirtschaftliche Zumutbarkeit berücksichtigt werden. Dem Eigentümer einer Gasanlage in einem Haus mit nicht erhaltungswürdiger Bausubstanz könne nicht aufgetragen werden, diese vollkommen zu erneuern, wenn keine Aussicht und keine Möglichkeit bestehe, die Kosten hiefür aus der Nutzung des Hauses aufzubringen.

Nach § 1 Abs. 1 Wiener Gasgesetz, LGBl. Nr. 17/1954 in der Fassung LGBl. Nr. 14/1991, unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes Anlagen zur Erzeugung, Lagerung, Leitung und Verwendung brennbarer Gase (Gasanlagen).

Nach der Bestimmung des § 4 Abs. 3 leg. cit. hat der Magistrat nötigenfalls den Inhaber einer Gasanlage zu verhalten, diese innerhalb angemessener, einen Monat nicht übersteigender Frist in guten, den gesetzlichen Vorschriften und den Erfahrungen der technischen Wissenschaften entsprechenden Zustand zu versetzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. sind Gasanlagen in allen ihren Teilen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften ordnungsgemäß herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben.

Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. ist das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet, wenn bei einer Überprüfung Mängel festgestellt werden, dem Inhaber der Anlage die Mängel unverzüglich bekanntzugeben und diesen zu ihrer Behebung aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung nicht nach, so hat das Gasversorgungsunternehmen den Magistrat hievon zu verständigen. Das Recht, die weitere Lieferung des Gases einzustellen, ist dadurch nicht berührt. Gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. ist das Gasversorgungsunternehmen berechtigt und verpflichtet, wenn infolge Ausströmens von Gas oder sonst wegen der Beschaffenheit der Gasanlage unmittelbare Gefahr gegeben ist, alle zur Beseitung der Gefahr notwendigen Maßnahmen sofort durchzuführen, insbesondere auch die Lieferung von Gas einzustellen.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß es sich bei der gegenständlichen Verteilerleitung des Hauses Wien, B-Gasse 4, um eine Gasanlage im Sinne des § 1 Abs. 1 Wiener Gasgesetz handelt und diese bei einer Überprüfung durch die Wiener Stadtwerke-Gaswerke als undicht befunden wurde, worauf das Gasversorgungsunternehmen gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. die Lieferung von Gas durch Sperren des Steighahnes einstellte.

Mit Schreiben vom 4. November 1992 teilten die Wiener Stadtwerke-Gaswerke dem Magistrat der Stadt Wien gemäß § 6 Abs. 2 Wiener Gasgesetz mit, daß die Gasanlage des Hauses B-Gasse 4, bei einer Überprüfung aus Sicherheitsgründen außer Betrieb genommen worden sei und die Inhaberin der Anlage der Aufforderung zur Instandsetzung nicht nachgekommen sei und beantragten die Einleitung eines Verfahrens nach dem Wiener Gasgesetz.

Es ist nun im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Inhaberin der Gasanlage gemäß § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz den Auftrag erteilte, die Verteilungsleitung des obgenannten Hauses in einen dem Wiener Gasgesetz entsprechenden Zustand zu versetzen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Rahmen eines Verfahrens nach § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz nicht tatbestandsmäßige Voraussetzung eines entsprechenden Auftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0095). Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall keinen Anlaß, zumal es sich beim Beschwerdevorbringen, beim gegenständlichen Haus handle es sich um ein sogenanntes "Abbruchhaus", um eine durch den Akteninhalt nicht gedeckte Behauptung handelt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Gasanlage befände sich in einem Haus mit nicht erhaltungswürdiger Bausubstanz steht auch in einem inneren Widerspruch zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, wonach sie für dieses Haus ein sogenanntes "§§ 18 ff MRG-Verfahren" (Erhöhung der Hauptmietzinse auf Grund durchzuführender unmittelbar heranstehender größerer Erhaltungsarbeiten) beantragt habe. Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin selbst keineswegs von der Notwendigkeit eines Abbruches des betroffenen Hauses, in welchem sich derzeit - nach den Beschwerdeausführungen - 196 Mieter befinden, ausgeht.

Die Beschwerdeführerin vermag auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides durch die Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die Durchführung des Instandsetzungsauftrages aufzuzeigen. Der fachkundige Vertreter der Magistratsabteilung 25 hat den erforderlichen Zeitraum für die gesamte Erneuerung der gesperrten Steigleitung mit rund 10 Tagen angenommen. Dagegen ist vom Vertreter der Beschwerdeführerin in der von der Behörde erster Instanz durchgeführten Verhandlung am 9. Dezember 1992 nichts vorgebracht worden. Die Darlegungen in der Beschwerde, die Frist sei deshalb zu kurz bemessen worden, weil "Fachfirmen in aller Regel so gut ausgelastet sind, daß sie einen Werkauftrag in diesem Umfang aus terminlichen Gründen gar nicht innerhalb dieser Frist ausführen können" und auch "die entsprechende Zeit zur Auswahl der Fachfirmen berücksichtigt werden müsse", stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Daß die Erneuerung in der festgesetzten Zeit rein technisch in der geforderten Qualität nicht bewerkstelligt werden könnte, wird selbst in der Beschwerde nicht mehr in Zweifel gezogen.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 3 Wiener Gasgesetz hegt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weshalb auch keine Veranlassung für eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle bestand.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 1994/416, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993040080.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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