TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 94/04/0129

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §77 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1.) des EA,

2.) der CA, 3. des ES, 4.) der HS und 5.) der WS, alle in G, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. Mai 1994, Zl. 315.060/3-III/A/2a/94, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: J OHG in G, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt B) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0233, verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. September 1992, mit dem der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung für die auch im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Änderung ihrer Betriebsanlage im Instanzenzug genehmigte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Als tragende Begründung für die Aufhebung des Bescheides führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis folgendes aus:

Aus dem Befund des gewerbetechnischen Amtssachverständigen ergibt sich allerdings auch, daß nach 22.00 Uhr niedrigste Umgebungsgeräuschpegel von 30 dB und verursacht durch auf der Bundesstraße vorüberfahrende PKWs Schallpegelwerte zwischen 48 und 52 dB gemessen und daß sodann zwischen 22.30 und 22.35 Uhr - nach einem Absinken aller Schallpegelwerte - ein Grundgeräuschpegel von 27 dB festgestellt und leichte Störgeräusche aus dem Betrieb (entferntes Dröhnen und Klopfen) mit 30 bis 34 dB gemessen worden seien (siehe angefochtener Bescheid Seite 5 letzter Absatz). Der ärztliche Amtssachverständige führte für die Beobachtungszeit zwischen 22.00 und 22.45 Uhr aus, es seien nach dem einige Minuten andauernden Abfahren von PKWs von der Betriebsanlage um etwa 22.00 Uhr neben gelegentlichen Kfz-Geräuschen von der Bundesstraße etwas regellosere dumpfe, wenig intensive Schlaggeräusche aus den bestehenden Produktionsgebäuden vernommen worden, wobei diese Geräusche im Laufe der Zeit immer seltener geworden seien; zum Zeitpunkt des Abbruches der Beobachtungen sei weitgehend ein gewisser Eindruck von Umgebungsruhe gegeben gewesen (siehe angefochtener Bescheid Seite 9). Daß trotz dieser in den Befunden dargestellten - und am Ende des ersten Absatzes auf S. 13 des angefochtenen Bescheides ohne ausdrücklichen Bezug auf die Meßwerte und subjektiven Wahrnehmungen im einzelnen in Klammer lediglich mit dem Hinweis "Verkehrsaufkommen in der Zeit nach 22.00 Uhr" bezeichneten - Situation entsprechend der im Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vertretenen Auffassung in der Nachtzeit Lkw-Zu- und -Abfahrten, für welche Werte zwischen 53 und 63 dB prognostiziert wurden, bis zu einem Ausmaß von zwei bis drei Fahrbewegungen stündlich nicht nur nicht gesundheitsschädlich (Frage nach einem allfälligen Aufweckeffekt), sondern sogar zumutbar seien, hätte einer näheren gutachtlichen Begründung bedurft.

In Ansehung eines Grundgeräuschpegels von 27 dB und leichter Störgeräusche aus dem (bestehenden) Betrieb mit 30 bis 34 dB wäre vor einer rechtlichen Beurteilung auch die medizinische Bedeutung der während der Nachtzeit nach der im Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen ergänzten Betriebsbeschreibung uneingeschränkt möglichen Manipulationsgeräusche beim Laden auf der Nordseite bzw. vor den östlichen Einfahrtstoren der Produktionshalle, für welche der gewerbetechnische Amtssachverständige Immissionswerte zwischen 38 und 41 dB prognostiziert hatte (siehe angefochtener Bescheid Seite 7) - insbesondere auch unter Bedachtnahme auf den Gesichtspunkt der Frage der Gleichzeitigkeit oder Verschiedenzeitigkeit bzw. Unkoordinierbarkeit des Auftretens der verschiedenen Lärmereignisse - näher abzuklären gewesen.

Mit dem nunmehr als Ersatzbescheid ergangenen Bescheid vom 6. Mai 1994 wies der Bundesminister zunächst die Berufung, soweit sie von zwei mit den Beschwerdeführern nicht identischen Rechtspersonen erhoben wurde, als unzulässig zurück (Spruchpunkt A). Mit Spruchpunkt B) erteilte der Bundesminister der mitbeteiligten Partei neuerlich im Instanzenzug die in Rede stehende Genehmigung, wobei in der dem Spruch des Bescheides beigegebenen ergänzenden Betriebsbeschreibung u.a. ausgeführt wurde, die Frequenz der Lkw- und Staplerfahrten auf den erweiterten Flächen der Betriebsanlage werde in der Nacht auf jeweils drei Fahrbewegungen stündlich eingeschränkt. Außerdem wurde als weitere zusätzliche Auflage vorgeschrieben, es dürfe an der Ostseite der Lagerhalle nur ein Personaleingang, nicht jedoch ein Einfahrtstor errichtet werden. Ladetätigkeiten im Freien seien in diesem Bereich nicht zulässig. In der Begründung dieses Bescheides legte der Bundesminister zunächst den Verfahrensgang in gleicher Weise dar, wie dies bereits im hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993 als Inhalt des Bescheides vom 3. September 1992 dargestellt wurde. Anschließend führte der Bundesminister aus, bedingt durch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis habe er folgenden technischen Lärmmeßbefund vom 13. Jänner 1994 und folgendes weitere medizinische Amtssachverständigengutachten eingeholt:

"Lärmmeßbefund:

Am 18.10.1993 wurden in der Zeit von 16.25 Uhr bis 16.40 Uhr ergänzende Schallpegelmessungen durchgeführt. Der Meßpunkt lag ca. 6m nördlich vom Zaun des Grundstückes der Nachbarn A in einer Wiese neben einem Telefonmast über einem Betondeckel. Das Mikrophon war in einer Höhe von ca. 1,50 m über diesem Betondeckel aufgestellt. Vom Meßpunkt aus ist das Betriebsgelände der Firma J sowie die neue Zufahrt einzusehen. Während der Messung herrschte bewölktes, kühles Wetter und leichter Wind aus NNW.

In der Betriebsanalage wurde sowohl im neuen Teil (diesseits der Bahnlinie) als auch im alten Teil (jenseits der Bahnlinie) im vollen Umfang gearbeitet. In den neuen Hallen wurde ein LKW-Zug mit Hubstaplern beladen, Lagertätigkeiten durchgeführt und auf zwei Produktionsstraßen Blechprofile erzeugt. Am Meßort konnten diesen Tätigkeiten keine besonderen Schallimmissionen aus den allgemeinen Betriebsgeräuschen zugeordnet werden. Das Fahren von Hubstaplern im alten Betriebsanlagenteil verursachte Motorgeräusche, die mit 52 bis 53 dB gemessen werden konnten.

Sodann wurde mit einem LKW-Zug an der Nordseite der neuen Hallen gefahren. Die dabei verursachten Geräusche waren am Meßpunkt weder hörbar noch meßbar. Das Fahren des LKW-Zuges entlang der Ostseite der neuen Hallen verursachte Motorgeräusche von 51 bis 53 dB und die Ausfahrt des LKW-Zuges vom neuen Betriebsanlagenteil über die neue Ausfahrt zur Straße Motorgeräusche von ca. 52 dB.

Das Fahren eines Hubstaplers an der Nordseite der neuen Hallen war weder hörbar noch meßbar, entlang der Ostseite der neuen Hallen verursachte es Motorgeräusche von 53 bis 55 dB.

Das gleichzeitige Fahren des LKW-Zuges und des Staplers entlang der Ostseite der neuen Hallen konnte mit 58 dB (Motorgeräusche) gemessen werden.

Das Vorbeifahren eines Traktors auf der Straße neben dem Grundstück A verursachte am Meßpunkt (teilweise durch das Haus A abgeschirmt) 62 bis 65 dB und das Vorbeifahren eines LKW 57 bis 64 dB.

Ergänzendes medizinisches Amtssachverständigengutachten:

Der Verwaltungsgerichtshof bemängelt in seinem Erkenntnis eine unzureichende Abklärung der medizinischen Auswirkungen der von der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ausgehenden nächtlichen Lärmimmissionen (LKW-Zu- und Abfahrten, Manipulationsgeräusche beim Laden).

Die mit den LKW-EIN- UND AUSFAHRTEN zusammenhängenden Lärmimmissionen wurden vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen auf der Liegenschaft A (nächstgelegener Bezugspunkt gleichzeitig Ort der Messung in der Augenscheinsverhandlung vom 5.5.1992) mit Schallpegelwerten (Spitzen) zwischen 53 UND 63 dB prognostiziert.

Manipulationsgeräusche beim VERLADEN an der Nordseite bzw. vor den östlichen Einfahrtstoren der Produktionshalle würden Immissionswerte zwischen 38 UND 41 dB verursachen.

Dazu war im anläßlich der Augenscheinsverhandlung am 6.5.1992 abgegebenen medizinischen Gutachten die Frage der medizinischen Auswirkungen von nächtlichen Schallimmissionen wie folgt dargelegt worden:

Treten die Lärmimmissionen auch in der Nacht auf, dann ist darüber hinaus auch zu berücksichtigen, inwieweit dadurch eine Störung des Schlafes hervorgerufen werden kann. Dies ist wiederum zum einen von der Intensität der Störgeräusche abhängig (aus Verkehrslärmuntersuchungen läßt sich ein kritischer Pegelbereich von 40 bis 44 dB als durchschnittlicher Schallpegel ableiten). Von Bedeutung ist ferner, welche Charakteristik die Störgeräusche aufweisen. So steigt die Störwirkung mit dem Grad der Diskontinuierlichkeit, d.h. daß in ihrer Intensität sehr stark schwankende Geräusche eine höhere Störwirkung besitzen als etwa eher gleichförmig verlaufende Geräusche (z.B. Lüftungsgeräusch oder gleichmäßig an- und abfallende Verkehrsgeräusche).

Dementsprechend sind daher die Intensität (ausgedrückt durch den Schallpegel) und die Charakteristik der in der Nacht auftretenden Störgeräusche zu erfassen und zu beurteilen. DREI

AUS DEM GRUNDGERÄUSCHPEGEL HERVORTRETENDE STÖRGERÄUSCHTYPEN

können unterschieden werden:

a) Lüftung: Schallpegel: 34 dB

Charakteristik: gleichförmig, nicht akzentuiert

b) LKW-Verkehr: Schallpegel: 53 bis 63 dB (Prognose)

51 bis 53 dB (Messung-18.10.1993)

Charakterisitk: gleichförmig, langsam an- und

abschwellend

c) Ladetätigkeit: Schallpegel 38 bis 41 dB

Charakteristik: schlagende Einzelgeräusche,

diskontinuierlich

Die unter a) und c) genannten Geräusche bewegen sich - wie auch bereits in der Augenscheinsverhandlung dargestellt wurde - in einem für die Nachtruhe nicht unbedingt kritischen Schallpegelbereich. Zudem weisen die Störgeräusche auch eine geringe Modulationstiefe (= Abstand zwischen dem Schallpegelwert der Einzelereignisse und dem durchschnittlichen Schallpegel/Leq) auf (zum herrschenden nächtlichen Umgebungsgeräuschpegel siehe die für die Ermittlungen der ersten Instanz bei den Nachbarn A und S durchgeführten Schallpegelmessungen vom 27. bis 29. bzw. 30.6.1991). Insoferne kommt daher dem Umstand, daß die durch die Ladetätigkeit bedingten Geräusche diskontinuierlich sind, keine Relevanz zu.

Die unter b) genannten LKW-Geräusche sind im einzelnen von höherer Intensität, sodaß für die Beurteilung einer allfälligen Störwirkung zusätzliche Umstände bedacht werden müssen: Diese beziehen sich zum einen auf die Häufigkeit des nächtlichen Auftretens und zum anderen auf das Verhältnis zur Umgebungsgeräuschsituation. Letzteres ist im konkreten Fall insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Nachbarobjekte, auf die sich die Immissionsbeurteilung beziehen soll, unmittelbar an einer Bundesstraße liegen und dadurch auch in der Nacht den betriebskausalen Störgeräuschen in Intensität (siehe die Ergebnisse der bisherigen Schallpegelmessungen) und Charakteristik vergleichbare Lärmimmissionen ortsüblich sind. Es muß deshalb für KFZ-Lärmimmissionen das Vorliegen eines Gewöhnungseffektes bei den Nachbarn vorausgesetzt werden, sodaß nicht jede betriebsbedingte KFZ-Fahrt auch gleich ein Aufwachen bzw. eine Schlafstörung zur Folge haben muß.

Bei dieser Ausgangslage gewinnt daher neben der Intensität des Einzelereignisses auch die Frage der Häufigkeit der KFZ-Fahrbewegungen eine spezielle Bedeutung. Diesbezüglich sollte verhindert werden, daß die zusätzlichen, betriebsbedingten Fahrten eine medizinisch relevante Anhebung des nächtlichen Umgebungsgeräuschpegels verursachen. Eine KFZ-Frequenz von nicht mehr als 2 bis 3/h läßt bei den gegebenen Voraussetzungen (Umgebungsgeräuschsituation, Störgeräuschimmissionspegel) erfahrungsgemäß die Einhaltung dieser Prämisse erwarten.

Ergänzend wird ausgeführt, daß die fachlichen Ausführungen über Schlafstörungen (so auch der als kritisch bezeichnete Schallpegelbereich von 40 bis 44 dB-Leq) für die Verhältnisse im Schlafraum gelten. Die prognostizierten bzw. tatsächlich gemessenen Lärmimmissionswerte beziehen sich jedoch auf den Außenbereich der Nachbarliegenschaften. Da es auf Grund physikalischer Gesetzmäßigkeiten bis in die Wohn/Schlafräume zu einer Verminderung des Lärmimmissionspegels kommt (die Pegelminderung wird im allgemeinen bei direkter Lärmeinstrahlungsmöglichkeit in den Raum mit 5 dB veranschlagt), wird die Wahrscheinlichkeit einer Schlafstörung durch die betriebskausalen Störgeräusche noch geringer.

Was die in der Aufgabenstellung enthaltene Frage nach den Auswirkungen der gegenständlichen Lärmimmissionen auf Kinder betrifft, ist auszuführen, daß Kinder auch im Schlaf im Vergleich zu Erwachsenen eine stark herabgesetzte Lärmempfindlichkeit aufweisen. Dies liegt vor allem darin begründet, daß bei Kindern der Anteil der Tiefschlafphasen an der Gesamtschlafzeit größer ist (und zwar umso größer, je jünger das Kind ist). In den Tiefschlafphasen ist die Reaktionsbereitschaft gegenüber Lärm stark vermindert."

Nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmungen der §§ 77 und 81 Abs. 1 GewO 1994 führte der Bundesminister unter Bezugnahme auf das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen aus, den Geräuschen aus dem Halleninneren komme mit Rücksicht auf deren Charakteristik keine medizinische Relevanz zu. Hinsichtlich der Betriebsgeräusche im Freien kam der Bundesminister gestützt auf die Darlegungen des medizinischen Amtssachverständigen zur Rechtsansicht, daß damit weder eine Gesundheitsgefährdung noch - insbesondere wegen der eingeschränkten Häufigkeit dieser Lärmimmissionen - eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn verursacht werde, was auch für Kinder gelte. Was die Manipulationsgeräusche bei Verladetätigkeiten betreffe, werde auch hiedurch weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn bewirkt. Durch eine Präzisierung des Bescheidspruches sei noch deutlicher klargestellt worden, daß auch diese Manipulationsgeräusche in der Nacht nur im Ausmaß von drei Staplerbewegungen je Stunde auftreten dürften.

Entladetätigkeiten vor einem allfälligen Einfahrtstor an der Ostseite der Lagerhalle würden nach dem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen allerdings das Wohlbefinden der Nachbarn beeinträchtigende Lärmimmissionen verursachen. Es seien daher durch die zusätzlich vorgeschriebene Auflage derartige Ladetätigkeiten untersagt worden. Unter Würdigung der dargestellten Gutachten sei also davon auszugehen, daß die mit der Änderung verbundenen Lärmimmissionen weder eine Gefährdung der Gesundheit noch eine unzumutbare Belästigung für die Nachbarn (unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Kindern) bei Einhaltung sämtlicher Auflagen darstellen würden. Daran habe auch die im Rahmen des Parteiengehörs zu den ergänzenden Gutachten abgegebene Stellungnahme der Beschwerdeführer nichts ändern können, worin durch bloße Gegenbehauptung - jedoch nicht auf gleicher fachlicher Ebene - das medizinische Gutachten angezweifelt werde. Insbesondere sei das Vorbringen nicht nachvollziehbar, wonach von der Betriebsanlage zusätzliche Lärmimmissionen ausgingen, die mit dem Straßenlärm weder im Zusammenhang stünden noch mit ihm vergleichbar seien. Diesbezüglich werde nochmals auf das ergänzende medizinische Amtssachverständigengutachten hingewiesen, das die betriebsbedingten Kraftfahrzeuggeräusche als praktisch einzig relevante Lärmquelle der Betriebsanlage in der Nachtzeit qualifiziere. Gerade diese Geräusche würden jedoch mit dem vorliegenden Bescheid auf maximal drei stündliche Fahrbewegungen in der Nacht eingeschränkt.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen dessen Spruchpunkt B) richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in ihren aus der Gewerbeordnung 1994 erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes führen die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei ihnen nach ihrer Meinung als Anrainer unzumutbar, zu den bisher bestehenden Lärmquellen eine zusätzliche Lärmquelle dieses Ausmaßes dulden zu müssen. Eben wegen der Lärmbelastung an der Front ihrer Häuser, die nach Süden in Richtung Bundesstraße ausgerichtet seien, hätten sie ihre Wohn- und Schlafräume auf die Rückseite der Häuser, nach Norden, verlegt. Die Lärmbelästigungen die sie nunmehr von Norden her träfen, seien unzumutbar. Daran könne die Einschränkung der Zahl der zulässigen Fahrbewegungen nichts ändern, weil genau betrachtet diese Einschränkung bedeute, daß stündlich drei Lkw und drei Stapler zu- und abfahren dürften, was (nach einer in der Beschwerde näher dargestellten Berechnung) bedeute, daß die volle Stunde hindurch Fahrzeuge in Bewegung seien. Von einer Einschränkung der Fahrbewegungen könne daher keine Rede sein. Dazu komme, daß das Fahren eines Hubstaplers entlang der Ostseite der neuen, verfahrensgegenständlichen Hallen, wie sich aus der Natur der Sache ergebe, nicht gleichförmig und auch nicht langsam an- und abschwellend sei. Der Hubstapler müsse auf kurzer Strecke vor- und zurückfahren, also immer wieder stehenbleiben und dann wieder Gas geben, um zu beschleunigen. Während seiner Ladetätigkeit verursache er diskontinuierlich schlagende Einzelgeräusche, die als solche einen Schallpegel von 38 bis 41 dB verursachten. Zu all dem kämen die Betriebsgeräusche des Hubstaplers aus dem alten Betriebsanlagenteil sowie die Betriebsgeräusche der ÖBB. Trotz der sogenannten Einschränkungen werde also der Grundgeräuschpegel von 24 bis 31 dB durch das Betriebsgeräusch der ÖBB (64 dB) um bis zu 44 dB und durch die Betriebsgeräusche des Lkw-Verkehrs und des Hubstaplers (58 dB) um bis zu 27 dB überschritten. Das seien absolut unzulässige Lärmimmissionen. Im übrigen sei die Auflage hinsichtlich der Anzahl der Lkw- und Staplerfahrten unwirksam, weil der Begriff "Nachtzeit" dort nicht näher definiert sei. Folge man den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dann stünden dem bereits erwähnten Grundgeräuschpegel Lärmimmissionen durch den Lkw-Verkehr von 53 bis 63 dB und des Hubstaplers von 58 dB gegenüber. Das ergebe Überschreitungen des Grundsgeräuschpegels um 24 bis 31 dB. Da schon Überschreitungen des Grundgeräuschpegels um bis zu 13 dB unzumutbar seien, ergebe sich aus dieser Gegenüberstellung nicht nur die Unzumutbarkeit sondern auch die Gesundheitsgefährdung und die Gesundheitsschädigung, die von der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ausgingen. Durch die Bezugnahme auf den Gewöhnungseffekt infolge des Lkw-Verkehrs auf der Bundesstraße meine die belangte Behörde allen Ernstes, eine solche Überschreitung des Grundgeräuschpegels sei den Beschwerdeführern auch auf der der Straße abgelegenen Seite ihrer Häuser, auf der sie eben wegen der Belastungen durch den Straßenverkehr ihre Wohn- und Schlafräume eingerichtet hätten, zumutbar. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei auch der Betriebslärm der ÖBB der mitbeteiligten Partei zuzuordnen. Die gegenteilige, auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gestützte Rechtsansicht der belangten Behörde sei unrichtig, weil dem zitierten Erkenntnis ein anders gelagerter Sachverhalt zgurundeliege. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften machen die Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht ihre Bemängelung des Meßpunktes als nur der Verfahrensverzögerung dienend abqualifiziert. Im übrigen komme auch das ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten nicht den Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 25. Mai 1993 nach. Die darauf gestützten Schlußfolgerungen der belangten Behörde seien nach wie vor nicht nachvollziehbar.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als berechtigt.

In Erwiderung des die von den Gleisanlagen der ÖBB ausgehenden Immissionen betreffenden Beschwerdevorbringens ist auf das bereits mehrfach zitierte, in dieser Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993 zu verweisen, aus dem die belangte Behörde zutreffend abgeleitet hat, daß diese Immissionen nicht der in Rede stehenden Betriebsanlage zugerechnet werden dürften. Wieso die Beschwerdeführer meinen, dieses Erkenntnis betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Im übrigen aber trifft der Vorwurf der Beschwerdeführer, das nach Ergänzung im fortgesetzten Verfahren vorliegende medizinische Sachverständigengutachten sei nach wie vor nicht schlüssig, zu.

Was die Gesundheitsschädigung durch Lärmimmissionen betrifft, führte der medizinische Sachverständige (bereits im ersten Verfahrensgang) aus, epidemiologische Untersuchungen hätten ergeben, bei Personen, die in Gebieten wohnten, wo die Lärmimmissionspegel 66 dB (Dauerschallpegel) überstiegen, träten teilweise signifikante Veränderungen bei Funktionsparametern auf, die auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Erkrankungsrisiko schließen ließen. Offenbar gestützt auf diese Untersuchungen, kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, bei den in Rede stehenden Lärmimmissionen könne eine Gefährdung der Gesundheit nicht erwartet werden, weil sie sich in einem Bereich bewegten, wo dies auszuschließen sei. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diesen Schluß deshalb nicht als zwingend nachzuvollziehen, weil der Sachverständige hier dem (in der Untersuchung zugrunde gelegten) Dauerschallpegel einzelne Schallpegelspitzen entgegenstellt, ohne sachlich fundiert darzustellen, warum dieser Unterschied (Dauerschallpegel - einzelne Schallspitzen) keine unterschiedlichen Folgen für die Gesundheit nach sich ziehe.

Zur Frage der Störung des Schlafes durch Lärmimmissionen führte der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten aus, dies sei (einerseits) von der Intensität der Störgeräusche abhängig, wobei sich aus Verkehrslärmuntersuchungen ein "kritischer Pegelbereich von 40 bis 44 dB als durchschnittlicher Schallpegel" ableiten lasse. Er stellt dem die für Ladetätigkeiten festgestellten Schallpegel zwischen 38 bis 41 dB gegenüber und meint, diese genannten Geräusche bewegten sich "in einem für die Nachtruhe nicht unbedingt kritischen Schallpegelbereich". Das Gutachten läßt nun nicht erkennen, inwiefern der fragliche Pegelbereich "kritisch" ist, also welche physiologischen oder sonstigen Folgen die Einwirkungen in diesem Pegelbereich liegender Lärmimmissionen auf den menschlichen Körper haben, wobei er gleichzeitig diese Aussage, bezogen auf die konkreten Verhältnisse der in Rede stehenden Betriebsanlage, durch die Beifügung der Worte "nicht unbedingt" in einer für den Verwaltungsgerichtshof in keiner Weise qualifizierbaren Weise relativiert. Nicht nachvollziehbar ist für den Verwaltungsgerichtshof ferner, die diesen Aussagen angeschlossene Meinung, diese Störgeräusche (38 bis 41 dB) wiesen eine "geringe Modulationstiefe (= Abstand zwischen dem Schallpegelwert der Einzelereignisse und dem durchschnittlichen Schallpegel/Leq) auf", beträgt doch nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid der Grundgeräuschpegel zur Nachtzeit lediglich 27 dB, sodaß die "Modulationstiefe" immerhin 11 bis 14 dB beträgt, wobei nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Informationen bereits eine Erhöhung des Schallpegels um 10 dB eine Verdoppelung der Lautstärke darstellt.

Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes hätte es zur Aufhellung der aufgezeigten Unklarheiten zunächst einer umfassenden, generellen und sachlich fundierten Darstellung der Reaktionen des menschlichen Körpers auf Schallimmissionen verschiedener Intensität unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Erholungsfunktion des Schlafes bedurft, aus der sodann Erkenntnisse über die Auswirkungen der im konkreten Fall von der in Rede stehenden geänderten Betriebsanlage ausgehenden Schallimmissionen erzeugten Einwirkungen auf die betroffenen Nachbarn abzuleiten gewesen wären, um so ein medizinisch fundiertes Substrat für die Beurteilung zu gewinnen, ob diese Auswirkungen den Nachbarn zumutbar sind oder gar eine Gefährdung ihrer Gesundheit befürchten lassen.

Gleiches gilt für die Aussagen des medizinischen Sachverständigen über die Zumutbarkeit der von der geänderten Betriebsanlage ausgehenden, durch den Lkw-Verkehr verursachten Schallimmissionen. In diesem Zusammenhang fällt dem Verwaltungsgerichtshof auf, daß der medizinische Amtssachverständige bei Beurteilung der Auswirkungen dieser Immissionen zur Nachtzeit von einem Gewöhnungseffekt bei den Nachbarn ausgeht, obwohl bei diesbezüglichen Messungen zur Nachtzeit (vgl. S. 6 des angefochtenen Bescheides) von auf der Bundesstraße vorüberfahrenden Lkws Lärmimmissionen gar nicht gemessen wurden, sodaß für die Annahme, auch zur Nachtzeit würden derartige Immissionen von der Bundesstraße auf die Nachbarn einwirken, jegliches sachliche Substrat fehlt.

Schließlich ist zu bemängeln, daß der medizinische Sachverständige in Überschreitung seiner verfahrensrechtlichen Stellung Aussagen darüber trifft, wie die am 18. Oktober 1993 an einem Meßpunkt außerhalb des Hauses der Erst- und Zweitbeschwerdeführer gewonnenen Ergebnisse an einem anderen Ort, nämlich innerhalb des Hauses, zu beurteilen sind. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von Sonderfällen abgesehen - unzulässig ist, dann, wenn eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich ist, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1986, Zl. 85/04/0128).

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich auch das ergänzte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen als nicht schlüssig begründet. Dadurch, daß die belangte Behörde dieses Gutachten dem angefochtenen Bescheid zugrunde legte, belastete sie den angefochtenen Bescheid neuerlich mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (nicht erforderliche 4. Beschwerdeausfertigung).

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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