TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/25 94/02/0049

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Veröffentlicht am 25.11.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der F-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1993, Zl. MA 64-PB/238/93, betreffend Ausnahmebewilligung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Dezember 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. Juni 1993 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der im gesamten 1. Wiener Gemeindebezirk in der Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 9.00 bis 19.00 Uhr geltenden Kurzparkzone (höchstzulässige Parkdauer eineinhalb Stunden) für ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug (PKW Kombi) gemäß § 45 Abs. 2 StVO abgewiesen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin selbst angegeben habe, daß sie ihren "Klein-LKW" (?) für "Zustell- und Abholfahrten ihres Fotogeschäftes" benötige, wobei regelmäßig um 8.45 Uhr vom Geschäft für die Dauer von 1 1/2 - 2 Stunden pro Lieferfahrt weggefahren und nach der jeweiligen Rückkehr ca. 20 Minuten in der dafür vorgesehenen LKW-Ladezone geparkt werde, um sodann wieder neue Aufträge auszuliefern. Dieser Arbeitsverlauf beweise eindeutig, daß mit keiner längeren Stehdauer als 20 Minuten zu rechnen sei, sodaß die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 2 StVO kann die Behörde in anderen als den im Abs. 1 bezeichneten Fällen Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straße gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu erwarten ist.

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, der PKW, für den die Ausnahmebewilligung beantragt werde, diene für ihr Fotostudio als Transportmittel für Außenaufnahmen, die oft kurzfristig zu bewerkstelligen seien, sodaß das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe zum Firmenstandort geparkt werden müsse. Das Unternehmen beschäftige sich mit Industriefotografie, bei der schwere Generatoren und Lichtanlagen sowie Kameraausrüstungen transportiert werden müßten, deren Beladezeit oftmals zwei Stunden in Anspruch nehme. Ein weiteres Betätigungsfeld sei die Betreuung vieler Antiquitätenhändler, wobei wertvolle Gegenstände abgeholt, im Studio fotografiert (Zeitaufwand zwischen zwei und vier Stunden) und anschließend wieder zum Kunden gebracht würden. Der PKW sei pro Woche ca. 13 bis 18 Mal im Einsatz, wobei von einem gemischten Einsatz auzugehen sei. Bei Außenaufnahmen in den Bundesländern könne es vorkommen, daß der Wagen oft wochenlang nicht am Opernring geparkt werde. Die Verweildauer zwischen den Einsätzen sei schwer abschätzbar. Nehme man die An- und Abladedauer von schwerem Aufnahmegerät zur Grundlage, so seien es sicherlich pro Tag eineinhalb bis zwei Stunden. Bei Einsätzen zur Kundenberatung vor Ort könne von einer Verweildauer von 20 bis 40 Minuten pro Besuch ausgegangen werden.

Die Beschwerdeführerin sieht nun Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, daß die belangte Behörde (ebenso wie bereits die Behörde erster Instanz) übersehen habe, daß sie zwei Anträge auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung eingebracht habe, und zwar für einen Klein-LKW und für den beschwerdegegenständlichen PKW. Die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und keine Feststellungen getroffen, die den verfahrensgegenständlichen Antrag beträfen. Sie habe diesen Antrag mit einer Begründung abgewiesen, die sich auf die Ausnahmebewilligung betreffend den "Klein-LKW" beziehe. Diese Begründung vermöge daher den in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht zu rechtfertigen, in Wahrheit liege eine Scheinbegründung vor.

Mit diesen Ausführungen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 AVG muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet; des weiteren muß aus der Begründung des Bescheides hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse dem Gesetz folgerichtigen Denkens entsprechen. Zur lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhaltes, sondern auch die Anführung der Beweismittel und der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen. Durch eine Begründung eines Bescheides, die diesen Anforderungen nicht entspricht, wird nicht nur die Partei in der Verfolgung ihrer Rechte, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof an einer nachprüfenden Kontrolle gehindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1991, Zl. 90/03/0112, 0113 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Wie der vorstehend wiedergegebenen und insoweit maßgebenden Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, hat sich die belangte Behörde mit den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens überhaupt nicht auseinandergesetzt. Diese Auseinandersetzung wäre aber im Hinblick auf das das Ladegut und die Beladedauer betreffende Antragsvorbringen - auf Umstände also, in denen sich der vorliegende Beschwerdefall von dem dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 94/02/0050, zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheiden kann - erforderlich gewesen. Da auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift - in der selbst die belangte Behörde zugesteht, daß der angefochtene Bescheid nur auf das Vorbringen in einem anderen Verfahren Bezug nimmt - die fehlende Begründung nicht zu ersetzen vermögen, war der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994020049.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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