TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/25 94/02/0349

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Veröffentlicht am 25.11.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des F in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Juli 1994, Zl. UVS-01/18/00122/94, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Zaire. Er reiste zuletzt im Mai 1990 von Frankreich über die BRD nach Österreich ein. Bis September 1992 war er in der Botschaft der Republik Zaire beschäftigt. Sein Antrag vom 21. September 1992 auf Asylgewährung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1993 abgewiesen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. Jänner 1994 wurde gegen ihn ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Mai 1994 wegen Verspätung zurückgewiesen.

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1994, Zl. AW 94/19/0127, wurde seiner (zur hg. Zl. 94/19/0857 protokollierten) Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1993 mit der Wirkung die aufschiebende Wirkung zuerkannt, daß ihm die Rechtsstellung zukommt, die er als Asylwerber vor Erlassung dieses Bescheides hatte.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31. Mai 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 1 FrG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt, weil er seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise nach Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes am 27. Mai 1994 nicht nachgekommen sei; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4. Juli 1994 zugestellt und er wurde am selben Tag in Schubhaft genommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die vom Beschwerdeführer an die belangte behörde gemäß § 51 FrG erhobene Schubhaftbeschwerde vom 8. Juli 1994 abgewiesen und ausgesprochen, daß die Fortsetzung seiner Anhaltung in Schubhaft rechtmäßig sei.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe auf Grund seines Antrages vom 21. September 1992 auf Asylgewährung keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 7 Asylgesetz gehabt, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird. Die gesetzliche Voraussetzung, der Antragsteller müsse direkt aus dem Staat gekommen sein, in dem er seiner Behauptung nach Verfolgung zu befürchten hat (§ 7 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Asylgesetz) ist auf einen Fall wie den des Beschwerdeführers, in dem der Fremde legal nach Österreich eingereist ist, sich hier berechtigterweise aufhält und erst hier von seiner angeblichen Verfolgung in seinem Heimatstaat erfährt, nicht anwendbar. § 7 Abs. 1 erster Satz des Asylgesetzes ist vielmehr so zu verstehen, daß dann, wenn der Fremde erst während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet von der Gefahr der Verfolgung Kenntnis erlangt - von welchem Zeitpunkt an die Frist zur Antragstellung auf Asylgewährung nach der zitierten Bestimmung zu laufen beginnt -, die (rechtzeitige) Antragstellung jedenfalls die vorläufige Aufenthaltsberechtigung vermittelt, gleichgültig aus welchem Staat der Fremde seinerzeit ins Bundesgebiet eingereist ist. Die Auffassung der belangten Behörde würde im Ergebnis dazu führen, daß der Fremde nach Erlangung der Kenntnis von seiner Verfolgung (zumindest kurzfristig) in diesen Staat zurückkehren müßte, um nach seiner neuerlichen Einreise in den Genuß der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes kommen zu können. Dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dem Gesetzgeber nicht zusinnbar.

Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer unter der Voraussetzung, daß er seinen Asylantrag rechtzeitig gestellt hat, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung hatte, da er durch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1994 in die rechtliche Lage versetzt worden war, in der er sich vor der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages befunden hatte; er war nach dem oben wiedergegebenen Spruch dieses Beschlusses für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung anzusehen. (Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. Oktober 1994 den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1993 aufgehoben).

Daraus folgt des weiteren, daß das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot nach dem zweiten Satz des § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes nicht durchsetzbar war. Dem Beschwerdeführer wurde damit im Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31. Mai 1994 zu Unrecht vorgeworfen, dem Aufenthaltsverbot nach Eintritt seiner Durchsetzbarkeit nicht zeitgerecht durch Ausreise entsprochen zu haben. Eine Verpflichtung zur Ausreise bestand zu diesem Zeitpunkt wie auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht. Der Schubhaftbescheid vom 31. Mai 1994 ist daher unter diesem Gesichtspunkt gegebenenfalls rechtswidrig. Dies wäre von der belangten Behörde jedenfalls auszusprechen gewesen. Die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides allein bewirkt aber noch nicht die Rechtswidrigkeit der Anhaltung der betreffenden Person.

Es trifft nämlich zu, daß die Schubhaft auch gegen Personen verhängt werden kann, die sich erlaubterweise im Bundesgebiet aufhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein gegen den Fremden verhängtes Aufenthaltsverbot noch nicht durchsetzbar ist, wie dies beim Beschwerdeführer der Fall ist, und wenn ein weiterer Umstand hinzutritt, der die Verhängung der Schubhaft als zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendig erscheinen läßt.

Die belangte Behörde beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, daß der Beschwerdeführer kein regelmäßiges Einkommen aufweise, sondern lediglich S 800,-- pro Monat von der Caritas erhalte und keiner geregelten Beschäftigung nachgehe. Sie stützt sich dabei auf eine von der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom 8. Jänner 1994. Diese Angaben des Beschwerdeführers haben damals zur Verhängung der Schubhaft mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom selben Tag geführt. Aus dieser Schubhaft wurde der Beschwerdeführer aber zu einem - den vorgelegten Verwaltungsakten nicht mit dem genauen Datum entnehmbaren - späteren Zeitpunkt wieder entlassen. Damit ist zwar nur der Schubhaftbescheid vom 8. Jänner 1994 gegenstandslos geworden, die belangte Behörde hat auch keine Feststellungen über die Einkommens- und Vermögenssituation des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides getroffen. Dieser Verfahrensmangel kann vom Verwaltungsgerichtshof aber nicht als wesentlich erkannt werden, weil die Beschwerde in dieser Richtung nichts ausführt. Es ist daher für den Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen, daß die von der belangten Behörde angenommenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers nach wie vor zutreffen. Der Hinweis darauf, von der Caritas versorgt zu werden, reicht zur Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt nicht aus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0287).

Die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung eines Fremden in einen bestimmten Staat ist im Verfahren über eine Schubhaftbeschwerde nach § 51 FrG nicht zu beantworten.

Die Verhängung der Schubhaft und ihrer Berechtigung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides entsprechen daher im Ergebnis dem Gesetz. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994020349.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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