TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/25 94/19/0615

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Veröffentlicht am 25.11.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AVG §39 Abs2;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1993, Zl. 4.289.938/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1993 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines syrischen Staatsangehörigen abgewiesen. Hiezu wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. Mai 1990, mit dem festgestellt worden sei, daß er die Voraussetzungen des Art. I Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht erfülle, fristgerecht berufen. Aufgrund der Tatsache, daß von seiner Abgabestelle in S bei Wels verzogen und es der erkennenden Behörde nicht ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sei, eine neue Abgabestelle festzustellen, zumal er auch keine bekanntgegeben habe, seien die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 erfüllt und der Asylantrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ohne eine Gegenschrift zu erstatten - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - seinem gesamten Vorbringen zufolge - im Recht auf Gewährung von Asyl verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, er sei seinen melderechtlichen Verpflichtungen jeweils unerzüglich nachgekommen. Er habe an den früheren Wohnsitzen jeweils eine Nachricht über die neue Adresse hinterlassen und bei der Post einen Nachsendeauftrag deponiert. Daß er neben der Meldebehörde auch die Fremdenpolizeibehörde von einer Änderung der Abgabestelle zu informieren gehabt hätte, habe er der ihm erteilten Belehrung nicht entnommen und es ergäbe sich diese Verpflichtung auch nicht aus § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991. Darüber hinaus habe es der Fremdenpolizeibehörde (Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) schon Ende Dezember 1992 bekannt gewesen sein müssen, daß der Beschwerdeführer nunmehr in Wels wohne, zumal ihr dies von der Bundespolizeidirektion Wels mitgeteilt worden sei. Es sei der Behörde daher - entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides - die Feststellung der neuen Abgabestelle zweifellos ohne Schwierigkeiten möglich gewesen. Schließlich habe die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land während jenes Zeitraumes, in dem sie hinsichtlich der Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht am "aktuellen Stand" gewesen sei - und dies könne nur der Zeitraum vom 14. Dezember 1992 bis 30. Dezember 1992 gewesen sein - keinerlei Verfügungen an den Beschwerdeführer gerichtet, sodaß auch keinerlei Zustellprobleme aufgetreten seien. Die belangte Behörde habe daher § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991, insbesondere die Formulierung "nicht rechtzeitig" unzutreffend ausgelegt und angewendet.

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unerzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. § 8 Abs. 2 Zustellgesetz findet gemäß § 19 Abs. 3 - des im vorliegenden Fall anzuwendenden - AsylG 1991 im Asylverfahren mit der Maßgabe Anwendung, daß ohne vorhergehenden Zustellversuch die Hinterlegung bei der Behörde selbst erfolgt.

Die Ermächtigung der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, daß die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, daß eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" wie "Meldeauskünfte oder Mitteilungen an den Zusteller durch Nachbarn" (so RV 162 BlgNr. 15 GP, Seite 10) - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, darf daher von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz kein Gebrauch gemacht werden. Demgegenüber läßt sich den vorgelegten Verwaltungsakten jedoch keinerlei Versuch der belangten Behörde entnehmen, vor der Hinterlegung des angefochtenen Bescheides beim Bundesminister für Inneres am 27. April 1993 eine Abgabestelle des Beschwerdeführers auszuforschen. Schon aus diesem Grund konnte die Hinterlegung des angefochtenen Bescheides seine rechtswirksame Zustellung nicht bewirken. Diese erfolgte vielmehr erst durch die am 26. Mai 1993 vorgenommene Hinterlegung am Postamt Wels.

Die am 6. Juli 1993 eingebrachte Beschwerde erweist sich somit als rechtzeitig und aus folgenden Gründen als im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 AslyG 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber eine Änderung der Abgabestelle (§ 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982) nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Die im Sinne dieser Bestimmung rechtzeitige Mitteilung der Änderung der Abgabestelle wird, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 94/19/0599 (auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) dargelegt hat, dann unterlassen, wenn die - trotz gepflogener zumutbarer Erhebungen - mangelnde Kenntnis einer Abgabestelle des Asylwerbers es der Behörde unmöglich machte, das Asylverfahren (auf andere Weise als gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991) zu beenden.

Von dieser Rechtslage ausgehend erweist sich freilich die Auffassung der belangten Behörde, im vorliegenden Fall seien bereits aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer von seiner Abgabestelle in S bei Wels verzogen und es der Behörde nicht ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sei, eine neue Abgabestelle festzustellen, zumal der Beschwerdeführer auch keine bekanntgegeben habe, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Z. 2 AslyG 1991 erfüllt - abgesehen davon, daß aus den vorgelegten Verwaltungsakten Versuche der Behörde, eine Abgabestelle des Beschwerdeführers auszuforschen, nicht zu ersehen sind - als verfehlt. Der solcherart mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994., insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190615.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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