Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1993, Zl. 4.316.385/7-III/13/92, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Pakistans. Am Tag seiner Einreise in das Bundesgebiet, den 17. Mai 1991, beantragte er, ihm Asyl zu gewähren, da er in Pakistan wegen seines politischen Engagements und seiner Mitarbeit bei der "PSF" ("Peoples Student Federation"), der Studentenorganisation der "PPP" ("Pakistan People Party") verfolgt werde.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Juni 1991 wurde sein Asylantrag abgewiesen; die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1992 abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, daß den Angaben des Beschwerdeführers keine volle Glaubwürdigkeit zukomme. Der zuletzt genannte Bescheid wurde am 8. Oktober 1992 zugestellt.
Am 3. Dezember 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Asylverfahrens. Am 2. Dezember 1992 sei ihm durch K die Niederschrift über dessen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. März 1992 zugekommen.
Am 11. Dezember 1992 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Wiederaufnahmsantrag, in dem er seine ergänzende Einvernahme und die Einvernahme des K beantragte. Am 5. Dezember 1992 habe ihm dieser eine Bestätigung darüber ausgestellt, daß der Beschwerdeführer als Vizepräsident der Studentenvereinigung Opfer der auch K treffenden Repressalien seitens der Regierung gewesen sei und bei Rückkehr nach Pakistan "das für Oppositionelle typische Schicksal des Todes durch "Unfall", Verwicklung in ein Feuergefecht oder Verschwinden zu gewärtigen hätte".
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wurden beide Anträge auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG abgewiesen.
Über die dagegen erhobene Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der mit "Wiederaufnahme des Verfahrens" überschriebene § 69 Abs. 1 AVG lautet auszugsweise:
"§ 69 (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten,
..."
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann nach der zitierten Bestimmung nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die erst nach Abschluß eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten. Es muß sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. April 1991, Zl. 89/08/0188, sowie das hg. Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 90/10/0174, jeweils mit Hinweisen auf Vorjudikatur). Schon aus diesem Grunde konnte die nach den Angaben des Beschwerdeführers am 5. Dezember 1992 - also nach rechtskräftigem Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens - ausgestellte Bestätigung keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund bilden, da es sich dabei erst um ein nach Abschluß des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandenes Beweismittel handelt.
Bei der Beurteilung des Verschuldens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 14. Juni 1993, Zl. 91/10/107). Konnte der Beschwerdeführer eine Tatsache bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ er dies aber, liegt ein ihm zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 14. Juni 1993 mit weiteren Hinweisen).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann zunächst der Auffassung der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, bei der Aussage des namhaft gemachten Zeugen - auf seine eigene ergänzende Einvernahme kommt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht mehr zurück - handle es sich nicht um ein Beweismittel, das im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht hätte geltend gemacht werden können. Die belangte Behörde hat festgestellt, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem von ihm als Zeugen namhaft Gemachten in das Bundesgebiet eingereist ist und vom 23. Mai 1991 bis 11. Dezember 1992 mit ihm gemeinsam gewohnt hat. Dagegen bringt der Beschwerdeführer nur vor, daß der als Zeuge nahmhaft Gemachte anläßlich seiner Einvernahme angegeben hat, der derzeitige Aufenthalt des Beschwerdeführers sei ihm nicht bekannt. Darin ist weder eine Aktenwidrigkeit zu erblicken, noch ist aber die Feststellung der belangten Behörde wirksam bekämpft.
Soweit der Beschwerdeführer aber auf die in Ablichtung vorgelegte Aussage des K am 3. März 1992 verweist und damit im Zusammenhang der belangten Behörde vorhält, sie habe zu Unrecht hierin nicht ein neues Beweismittel erblickt, kann ihm nicht gefolgt werden: Der Beschwerdeführer selbst führt nämlich in keiner Weise aus, daß der Inhalt der hier festgehaltenen Aussage etwa im Gegensatz zu bisherigen Angaben des K gestanden wäre. Damit aber kann nicht gesagt werden, daß es dem Beschwerdeführer bei der gehörigen, von ihm zu verlangenden Aufmerksamkeit unmöglich gewesen wäre, die Einvernahme des Mohammad Nadeem Khan im Asylverfahren zu beantragen; eine diesbezügliche Unterlassung muß ihm daher als Verschulden vorgehalten werden.
Bei dieser Sach- und Rechtslage muß nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Angaben des K überhaupt geeignet gewesen wären, einen anderen Ausgang des wiederaufzunehmenden Verfahrens herbeizuführen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Da sich die Beschwerde demnach als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaVerschuldenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190126.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
05.07.2010